Kleine Auszeiten vom Alltag – eine Anleitung
Me-Time tut gut, aber wir gönnen sie uns viel zu selten. Nathalie Sassine hat eine kleine Anleitung zur Flucht aus dem Alltag geschrieben.
Die wenigsten von uns können sich eine eigene Wohnung abseits der Familie leisten, wie ich mir das in meinem letzten Beitrag «Allein, allein…» gewünscht habe. Aber nachdem dieser auf so viel Resonanz gestossen ist und da viele Eltern gerne kurz aus dem Alltag flüchten würden, habe ich hier ein paar Tipps, wie man zwischendurch ein klitzekleines Gefühl von «eigener Wohnung» hinkriegt.
Für ein paar Stunden den Alltag vergessen
Kinder abgeben. Ob ihr nun berufstätig oder Hausfrauen seid: Die Kinder müssen nicht ausschliesslich dann extern betreut sein, wenn ihr «zu tun habt».
Die Berufstätigen unter euch können sich mal einen Nachmittag frei nehmen, wenn die Kinder sowieso grad in der Schule, Krippe oder bei den Grosseltern sind. Die Firma wird’s überleben.
Für euch Hausfrauen: Tut von mir aus so, als hättet ihr einen längeren Arzttermin (wir wissen schliesslich alle, dass man euch sonst dafür verurteilen und kritisieren wird) und lasst die Kids mal ein paar Stunden bei der Nachbarin oder sonst jemandem, der sie hüten kann.
Und dann nutzt ihr diese paar Stunden NUR FÜR EUCH! Dochdoch, das geht! «Me-time» nennt sich das! Was ihr in dieser Zeit macht, ist VOLLKOMMEN euch überlassen. Ob ihr durch eure Stadt schlendert (im Dorf bleiben könnt ihr ja nicht, da kennt man euch), ob ihr die Stunden in einem Buchladen, Kino oder beim Shoppen verbringt. Auch eine Beauty-Behandlung liegt drin. Oder einfach auf einer Bank sitzen und: SEIN.
Versucht es mal, das Suchtpotenzial ist riesig. Und das Beste daran? Die Welt geht nicht unter! Das Geschäft läuft auch ohne euch, die Kinder verhungern nicht, das Leben geht weiter. Der einzige Unterschied? Ihr seid mit ziemlicher Sicherheit etwas zufriedener als ein paar Stunden vorher. Wie eine Mini-Therapie, ich versprech’s!
Auszeit vom Alltag für ein paar Tage
Das ist für viele schon schwieriger, gerade mit kleinen Kindern. Doch die Vorstellung, mal ein paar Tage alleine zu verreisen, einen kleinen Koffer nur für mich zu packen, etwas nur für mich zu planen, ist einfach zu verlockend, richtig? Wagt es! Beauftragt eure Männer oder Betreuungspersonen, die Kinder mehr als nur ein paar Stunden zu übernehmen. Fragen kostet erstmal nichts. Und ja, die Planung kann mitunter anstrengend sein, aber es lohnt sich!
Für Berufstätige gilt auch hier: Geht an den Tagen, an denen die Kids sowieso schon betreut sind, dann habt ihr weniger Stunden, für die ihr weitere Hütedienste organisieren müsst. Und ja, der Kindsvater darf auch mal frei nehmen für so etwas, oder war er noch nie ohne euch weg? Eben.
Ihr Hausfrauen: Sprecht mit den Grosseltern, euren Männern, wer auch immer in Frage kommt! Ich weiss genau, wie hoch die Hemmschwelle ist, aber meist sind die Reaktionen viel positiver als befürchtet. Und ihr müsst ja nicht gleich eine Woche weg, drei Tage reichen für den Anfang schon.
Und dann: Bucht euch ein Zimmer in einem gemütlichen Hotel (oder für das Gefühl der eigenen Wohnung eben eine Ferienwohnung) in einer kleinen Stadt, am See, eventuell am Meer – und geniesst es einfach! Geniesst die Tatsache, nur für euch gepackt zu haben, keine Verantwortung für irgendwen ausser für euch selbst zu haben. Essen, trinken, schlafen, wann und wo ihr wollt. Schauen, staunen, besuchen, was immer ihr wollt, wann immer ihr Lust habt. Zumindest ein paar Tage lang weg sein vom Alltag. Diese Art der Erholung ist mit nichts zu vergleichen (und schon gar nicht mit Familienferien!)
Die Aktiveren unter euch können sich durch die vielen Yoga-, Fitness-, Velo-Angebote powern. Die anderen können je nach Jahreszeit einfach im Liegestuhl liegen oder im Café sitzen und die «Einsamkeit» geniessen. Oder ihr reist mit einer Freundin, was ich ebenfalls sehr empfehlen kann.
Ihr seht, ich erzähle euch nichts Neues. Aber ich möchte euch Mut machen, darüber zu sprechen, dass ihr ab und zu etwas «Me-time», eine Auszeit vom Alltag benötigt. Dass es legitim ist, nicht dauernd nur «Haus-Kind-Beruf» leben zu wollen. Dass es euch schlicht glücklich machen würde, mehr Zeit mit euch selber zu verbringen, auch wenn ihr eure Familie noch so liebt!
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Tipps für beziehungsweise gegen das schlechte Gewissen
Ich weiss, oft ist nicht die Organisation das Problem. Wir stehen uns selber im Weg. Unser schlechtes Gewissen – das uns zusammen mit unserem ersten Baby geliefert wurde – hindert uns daran, mal an uns selber zu denken. Etwas für unsere eigene Psychohygiene oder gar für unsere Gesundheit zu tun. Mein Motto, wenn ich solche Anfälle habe? «Wenn es Mami gut geht, geht es der ganzen Familie gut.» Und damit es mir gut geht, brauche ich eben diese Auszeiten vom Alltag. Andere gehen joggen oder shoppen, ich muss weg.
Und wenn der Vater dieselben Freiheiten geniessen darf, also auch mal ein familienfreies Wochenende kriegt, dann ist doch alles gerecht und das schlechte Gewissen vollkommen unangebracht! Richtig? Eben!
Die eigene Wohnung liegt nicht drin, aber ein gewisses Gefühl von Freiheit kann – und muss! – man sich holen.
Ich würde mich sehr darüber freuen, hier zu lesen, was ihr so gemacht habt, um ein wenig Freiheit zu geniessen. Go for it!
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 6. September 2018 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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