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Das erste Handy: Wann ist der richtige Zeitpunkt und welche Regeln sind sinnvoll?

Wünscht sich unser Kind ein eigenes Handy, stellen sich für uns Eltern viele Fragen: Ist es dafür reif genug, welche Spielregeln sollen wir aufstellen und wie schützen wir es vor Gefahren? Jugendmedienschutz-Experte Michael In Albon weiss Rat.

Das erstes Handy: Wann ist der richtige Zeitpunkt und welche Regeln sind sinnvoll? - Junge mit Handy auf dem Sofa - mal ehrlich

Der Tag wird kommen. Unausweichlich.

Der Tag, an dem mein bald 9-jähriger Sohn mich fragen wird, wann er endlich ein eigenes Handy haben könne. Begründung: «Alle anderen in meiner Klasse haben doch auch eins!»

Und ich weiss, was ich garantiert nicht antworten werde: «Und wenn alle anderen von der Brücke springen, springst du dann auch?» Damit haben mich meine Grosseltern früher gerne abgespeist – egal, ob ich wie alle anderen Fussball-Bildli sammeln oder «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten» schauen wollte.

Aber was soll ich stattdessen antworten?

Soll unser Kind sein erstes Handy nur bekommen, weil alle anderen eins haben?

«Zur Realität unserer Kinder gehört in der heutigen Zeit ein Handy, das ist nicht wegzudiskutieren», sagt Michael In Albon, Jugendmedienschutz-Beauftragter der Swisscom und selbst Vater zweier Jungs im besten Handy-Alter. «Wir müssen unseren Kindern den Zutritt zu dieser neuen Welt früher oder später erlauben, denn wenn wir die Augen davor verschliessen, verleugnen wir ihre Lebensrealität.»

Das Handy ist für Kinder und Jugendliche heute Kommunikationsmittel, Internetzugang, Gamekonsole, Fotoapparat, Videokamera, Fernseher und Radio in einem. Während für jüngere Kinder vor allem die Unterhaltung im Vordergrund steht, so wird mit zunehmendem Alter der Austausch und die Kommunikation mit Freunden immer wichtiger. Wenn alle anderen im Klassenchat sind – und sei dessen Inhalt aus Elternsicht noch so banal und belanglos – dann wird das eigene Kind sich ohne Handy schnell ausgeschlossen fühlen.

Das erstes Handy: Wann ist der richtige Zeitpunkt und welche Regeln sind sinnvoll? - Michael In Albon Swisscom Jugendmedienschutz-Beauftragter
Michael In Albon

Tatsächlich sind Handys bei Kindern auf der Mittelstufe längst keine Seltenheit mehr, wie die Ergebnisse der zuletzt 2019 durchgeführten MIKE-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften zeigen: Rund ein Viertel der 6- bis 9-Jährigen verfügt bereits über ein eigenes Handy, während es bei den 10-/11-Jährigen drei Fünftel und bei den 12-/13-Jährigen drei Viertel sind.

Das durchschnittliche Alter für das erste Handy liegt bei 9 Jahren und 11 Monaten.

So viel zu den Zahlen.

Doch wann ist der richtige Zeitpunkt für mein Kind?

Für Michael In Albon gibt es darauf keine allgemeingültige Antwort: «Ab wann ein eigenes Handy Sinn macht, kommt ganz auf die Reife des Kindes an und auf den Zweck, den das Gerät erfüllen soll.» So macht auf Primarschulstufe ein eigenes Smartphone zum Gamen oder Youtuben wenig Sinn, denn Kinder in diesem Alter können ihr Konsumverhalten noch nicht wirklich steuern.

«Dient das Gerät jedoch dazu, dass das Kind erreichbar ist oder dass es auch mal mit den Eltern zusammen ins Internet einsteigt oder Fotos macht, kann das richtige Alter auch ab der Mittelstufe sein», findet der Medienschutz-Experte. Als wichtig erachtet er in diesem Fall, dass das Kind reif genug ist, um dem Gerät Sorge zu tragen und sich an die vereinbarten Spielregeln zu halten.

Muss das erste Handy bereits ein Smartphone sein?

Vor allem für jüngere Kinder würde eigentlich ein Feature-Phone reichen, also ein Gerät, mit dem man zwar mehr als telefonieren kann, das aber noch kein Smartphone ist. Meist ist dieses auch robuster und überlebt eher mal einen Sturz vom Hochbett. In der Realität taucht aber oft schnell der Wunsch nach einem Smartphone auf – auch hier ist häufig Gruppendruck im Spiel.

Ein teures Abo ist für den Anfang wenig sinnvoll und verleitet nur zu unkontrolliertem Konsum. Wenn man mit einer Prepaid-Lösung anfängt, hat man mehr Kostenkontrolle. Michael In Albon plädiert ohnehin dafür, dass Kinder sich an den Kosten für ihre Handy-Nutzung beteiligen: «So lernen sie den Wert des Geräts kennen und Sorge zu ihm zu tragen. Sie lernen, ihren Konsum bewusster zu regeln, weil sie ja selber dafür bezahlen und sich das Guthaben nicht wie durch Zauberhand immer wieder auflädt.»

Bedingungen aufstellen und konsequent einfordern

«Vor dem Kauf sollten Eltern dem Kind erklären, wieso und zu welchem Zweck es ein Handy bekommt», findet Michael In Albon. «Das Festlegen von Regeln ist dabei ein ganz wichtiger Punkt, denn es signalisiert dem Kind von Anfang an, dass es nicht einfach alles mit dem Gerät anstellen darf.» Je früher die Eltern Bedingungen aufstellen und konsequent einfordern, desto einfacher wird es im Jugendalter.

So kann man zum Beispiel die Zeit limitieren, in der das Gerät genutzt werden darf. Oder man sperrt den Zugriff auf den App-Store, so dass die Kinder zuerst um Erlaubnis bitten müssen, bevor sie eine neue – auch kostenlose – App herunterladen. Mit speziellen «Kindersicherungen» und Jugendschutz-Software können Eltern ziemlich genau einstellen, worauf die Kinder Zugriff haben oder wie lange sie surfen dürfen.

Manche Eltern schliessen mit ihrem Kind auch eine Art Mediennutzungs-Vertrag ab. Sinnvoll ist es sicher auch, wenn man als Mutter oder Vater selbst mit gutem Beispiel vorangeht und den eigenen Handykonsum reflektiert.

So weit, so gut.

Doch damit allein ist es in Michael In Albons Augen noch nicht getan.

«Vor allem müssen Kinder mit ihrem ersten Handy eng begleitet werden.»

Unter enger Begleitung versteht er, dass sich die Eltern für das interessieren, was ihre Kinder interessiert. Dass sie die Apps, die ihre Kinder benützen, ebenfalls ausprobieren. Sich von ihren Kindern deren Lieblings-Games oder Youtube-Idole zeigen lassen. Mit ihnen im Gespräch bleiben über ihren Medienkonsum, über Suchtgefahr und andere Risiken. «Die Medienerziehung unserer Kinder gehört heute genauso dazu wie die Verkehrserziehung oder die Sexualaufklärung«, ist Michael In Albon überzeugt.

Der Medienschutz-Experte spricht in diesem Zusammenhang auch das Thema Medienkompetenz an: «Wir müssen unsere Kinder befähigen, verantwortungsbewusst und kritisch mit den neuen Medien umzugehen.» Dazu gehört etwa, dass sie lernen abzuschätzen, ob eine Aussage im Internet oder in den Sozialen Medien wahr oder unwahr ist (Stichwort Fake News) und sich nicht von Fehlinformationen manipulieren lassen. Dass sie wissen, wie sie ihre Daten und ihre Privatsphäre schützen können. Und dass ihnen bewusst ist, dass für den Umgang im Netz dieselben Anstandsregeln gelten wie auch auf dem Spielplatz oder am Familientisch. Ein gutes Übungsfeld für die digitale Kommunikation ist zum Beispiel ein Familienchat.

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Hate Speech, Cybermobbing und Sexting

«Das Thema Hate Speech, also Hass im Netz, ist eines der verheerendsten Probleme, das uns das sonst so wertvolle Internet gebracht hat», sagt Michael In Albon. Laut JAMES-Studie 2018, die sich mit dem Medienumgang von Jugendlichen in der Schweiz befasst, hat jeder vierte Jugendliche schon selber Hass im Netz erfahren. «Dafür müssen wir unsere Kinder sensibilisieren.»

Auch Themen wie Cybermobbing und – vor allem wenn das Kind schon etwas älter ist – Cybergrooming (wenn man von einer fremden Person online mit unerwünschten sexuellen Absichten angesprochen wird) und Sexting (der Versand von selbst produzierten erotischen oder aufreizenden Fotos/Videos) sollten altersgerecht besprochen werden.

Kontrolle ist kontraproduktiv

Trotz aller Gefahren, die in der digitalen Welt lauern, ist sich Michael In Albon sicher: «Absolute Kontrolle ist verlorene Liebesmüh.» Einerseits weil sich die mobile Nutzung des Handys der elterlichen Kontrolle viel stärker entzieht, als zum Beispiel die Nutzung des Fernsehers oder des Familien-Tablets zu Hause. Teenager haben technische Beschränkungen oft schneller geknackt, als sie installiert sind.

Andererseits greift übertriebene elterliche Kontrolle auch in die Privatsphäre des Kindes ein – und das wiederum schadet der Beziehung zwischen Eltern und Nachwuchs. Genau dieses Vertrauensverhältnis braucht es jedoch, damit die Kinder sich ihren Eltern anvertrauen, wenn sie im Netz auf etwas Problematisches stossen. «Mein Kind muss wissen, dass es jederzeit zu mir kommen kann, wenn ihm etwas seltsam vorkommt, wenn es sich verunsichert oder bedrängt fühlt.»

Vertrauen und Loslassen

«Kinder müssen ihre Erfahrungen ohne Kontrolle der Eltern machen können. Sie müssen auf Bäume klettern, über Bäche springen und eben auch einmal verbotene Inhalte im Internet finden dürfen.» Michael In Albon ist überzeugt, dass Kinder mit der Zeit sehr gut lernen, Gefahren selbst abzuschätzen und ihnen aus dem Weg zu gehen. Was es dazu aber braucht, ist das Vertrauen von Mutter und Vater.

«Es ist ein bisschen so, wie wenn die Kinder anfangen, Velo zu fahren. Zu Beginn ist es sinnvoll, wenn ich die Hand hinten am Velo habe, damit das Kind nicht umkippt. Aber irgendwann kommt der Moment, wo ich loslassen muss, denn sonst lernt es das Kind nicht. Das braucht Überwindung als Vater oder als Mutter. Und dann kippt das Kind halt noch ein paar Mal um und hat vielleicht auch ein aufgeschlagenes Knie. Aber das braucht es für den Lernprozess. Das braucht es beim ersten Handy auch: Begleitung, Interesse vermitteln, aber als Eltern auch den Mut haben, loszulassen und das Kind alleine probieren zu lassen.“

Die Schwierigkeit besteht darin, dass wir Eltern zwar mit Velo, aber ohne Handy gross geworden sind. Ich zum Beispiel habe mir mein erstes Handy mit 16 gekauft. Ein Nokia 3210, mit dem man telefonieren und SMS schreiben konnte – kein Vergleich mit den heutigen Möglichkeiten eines Smartphones.

Ich weiss nicht, wie es sich anfühlt, von klein auf in einer digitalen Welt aufzuwachsen.

Aber ich kann es herausfinden – durch und mit meinem Kind.

Und das wird wohl auch meine Antwort sein; dann, wenn der unausweichliche Tag irgendwann kommt: «Ja, du kriegst ein Handy, aber wir entdecken das gemeinsam.»

Video-Interview zum Thema Medienkompetenz

Andrea hat vor einiger Zeit mit Michael In Albon ein längeres Gespräch zum Thema Medienkompetenz geführt:

Porträtfoto von Sandra Trupo-Kuhn - Redaktion mal ehrlich AG - www.mal-ehrlich.ch

Autorin

Als freie Journalistin schreibt Sandra Trupo-Kuhn (Jg. 1984) über all das, wofür ihr Herz schlägt, vom Muttersein über Inklusion bis zum Regionalfussball – am liebsten mitten in der Nacht. Sie lebt als «Huhn im Korb» mit ihrem Mann, drei Söhnen (geboren 2012, 2014 und 2017) und einem Kater im Zürcher Unterland, schwankt täglich zwischen Chaos und Perfektionismus und ist immer für absurde Abenteuer zu haben. Sandra ist seit 2019 Teil unserer Redaktion.

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 21. November 2020 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.


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