Viermal geboren und trotzdem überfordert: Mit der Tochter im Gebärsaal
Was, wenn der werdende Vater nicht bei der Geburt dabei sein kann? Dann springt halt die werdende Grossmutter ein – die weiss ja, wie’s geht. Dachte unsere Gastautorin auch. Und war mit den Nerven total am Ende.
Seit 24 Monaten gehöre ich der Grosi-Liga an. Und bin total verliebt in die kleine Zuckermaus, seit ihrem ersten Schrei. Er traf mich mitten ins Herz.
Der angehende Papa war damals noch im Ausland, so durfte ich meiner grossen Prinzessin bei der Geburt ihres ersten Kindes beistehen.
Die Geburt meines Enkelkindes
Etwas vom Emotionalsten, das ich je erlebt habe.
Ganz unerfahren in Sachen Geburten bin ich als vierfache Mutter nicht. Ich habe erlebt, dass eine Entbindung kein Spaziergang ist und sich über schmerzhafte Stunden hinzieht. Einerseits war ich erfreut, dass ich bei der Geburt meines ersten Enkelkindes dabei sein durfte. Andererseits war ich nervös. Und war mir meiner Verantwortung bewusst.
Was, wenn Komplikationen bei Mutter oder Kind auftreten? Was soll, darf, muss ich überhaupt im Gebärsaal machen? Was erwartet meine Tochter von mir? Wie verhalte ich mich, damit ich den Hebammen und Ärzten nicht im Weg bin?
So viele Fragen, so viel Ungewissheit
Erstmals konnte ich mir etwa vorstellen, wie hilflos und teilweise überfordert sich werdende Väter bei der Geburt fühlen.
Meine Tochter ging das erstaunlich gelassen an. Prinzessin war eher genervt und ungeduldig, weil die Geburt eingeleitet werden musste und nicht so zügig voranging, wie sie sich das erhofft hatte. Die Wehen waren in der ersten Nacht nur schwach und auch am nächsten Tag, bis am Abend die Fruchtblase platzte und die Wehen zunehmend heftiger wurden.
Da lag also leidend mein Kind in den Wehen und sollte ihr Kind gebären, mein Enkelkind.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Ich habe mit ihr gelitten, stundenlang.
Ich versuchte sie zu beruhigen, sprach ihr gut zu, wenn sie meinte, dass sie das nicht durchsteht, brachte ihr Getränke, bettete sie um, massierte, tröstete und stützte sie.
Wenn sie in der Nacht fiebrig kurz döste, lief ich im Gang mit werdenden Vätern auf und ab, schrieb den Lagebericht über WhatsApp allen Familienangehörigen und hörte immer wieder schreiende Gebärende und kurz darauf erste Krächzer oder kräftige Stimmproben einiger Neugeboren.
Oh Gott, diese Phase stand meinem Kind noch bevor. Mir wurde immer wieder mal mulmig.
Habe ich mir zu viel zugemutet, meine Tochter zur Geburt zu begleiten?
Prinzessin hat mich gebeten, für den werdenden Papa, der bei der Geburt nicht dabei sein konnte, ein Video zu drehen. Natürlich sagte ich ja – allerdings dachte ich, dass ich das erst nach der Geburt mache. Dem war nicht so.
Ein wunderschöner Sonnenaufgang begrüsste durch die Fenster im Gebärsaal den neuen Tag und in wenigen Stunden sollte das kleine Menschenkind endlich das Licht der Welt erblicken. Später, zwischen Presswehen, keuchte meine inzwischen entkräftete Tochter allen Ernstes:
Mami, vergiss nicht zu filmen.
Ich konnte es kaum glauben. Aber versprochen ist versprochen. Bei der nächsten Presswehe stand ich am Kopfende meiner Tochter, das Handy im Anschlag und filmte mit zitternden Händen. Wehe vorbei, Baby noch immer nicht da und mein Kind total erschöpft. Ich schwitzte, mir war schlecht – meine Nerven lagen blank.
Jesses, war das alles normal?
Die Hebammen sahen meine fragenden Blicke und beruhigten mich und meine Tochter: «Man sieht schon das Köpfchen.»
Also drückte ich wieder die Aufnahmetaste, meine Tochter stöhnte noch einmal und presste mit aller Kraft neues Leben in die Welt. Da lag ein kleines Bündel, verwarf beide Arme, gluckste, krächzte und schrie dann mit kräftiger Stimme. Sie sah so hilflos aus, wie sie da so winzig im hellen Licht lag.
Es war Liebe auf den ersten Schrei.
Für dieses Menschlein würde ich seither gegen Drachen kämpfen, um es zu beschützen. So, wie ich das für jedes meiner Kinder getan hätte.
In diesem Moment war es auch um meine Beherrschung geschehen. Ich weinte vor Glück, Erleichterung und Dankbarkeit. Mein Kind hat Leben geschenkt!
Ich war unglaublich stolz auf sie und überwältigt von den ganzen Ereignissen der letzten Stunden. Von weit her hörte ich die Stimme der Hebamme: «Wollen Sie die Nabelschnur durchtrennen?»
Bitte?!
Darauf war ich nicht vorbereitet, damit war ich jetzt definitiv überfordert und lehnte entsetzt ab. Meine Tochter übernahm das mit Hilfe der Hebamme und einmal mehr stand ich staunend daneben, beeindruckt wie sie nach der langen Geburt ruhig die Nabelschnur durchtrennte.
Nie werde ich dieses Bild vergessen, wie meine Tochter dann mit ihrem Baby im Arm lag, immer wieder ungläubig ihr Kind anschaute und wie dieses Menschlein von 52 Zentimetern ihre Mama erstmals erstaunt anblinzelte. Die Liebe zwischen meiner Tochter und ihrem Kind war unglaublich berührend.
Meine Enkelin wird geliebt und behütet aufwachsen. Und ich darf sie dabei begleiten – und als Grossmutter verwöhnen. Willkommen im Leben, meine geliebte Elin. Ich bin stolz und glücklich, dein Nani zu sein. Ich freue mich darauf, mit dir noch einmal die Welt neu zu entdecken.
Ja, Geburten sind kein Spaziergang, auch nicht die operativen. Kaiserschnitt: Not the easy way out
Übrigens: Eine Hebamme sagt im Interview mit der NZZ, dass der Mann nicht zwingend der richtige Begleiter ist im Gebärsaal.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 16. Februar 2018 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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