Ein Kaiserschnitt ist keine bequeme Geburt!
Frauen, die per Kaiserschnitt gebären, müssen sich oft dafür rechtfertigen. Dabei ist auch er eine richtige Geburt. Ein Erfahrungsbericht.
Ich gehöre zu dem einen Drittel der Frauen in der Schweiz, die ihre Kinder per Kaiserschnitt zur Welt gebracht haben.
Ich gehöre ebenfalls zu den drei Dritteln dieser Frauen, die das Gefühl haben, sich dafür rechtfertigen zu müssen.
Ich erkläre, auch oft ungefragt, dass mein Sohn und ich vor hundert Jahren oder in einem Drittweltland heute nicht mehr am Leben wären, weil irgendwann die Geburt still stand und es irgendwann auch unsere Herzen getan hätten. Obwohl das ja eigentlich gar niemanden etwas angeht. Und ich mittlerweile so viele Geschichten kenne, die meiner eigenen ähneln.
Muss ich mich als weniger gute Mutter fühlen, weil ich die Schmerzen der letzten Presswehen nie erlebt habe (und nie erleben werde)?
Habe ich mit dem Kaiserschnitt den «easy way out» gewählt, eine Ansicht, die sich immer noch hartnäckig hält?
Als würde man bei einem Kaiserschnitt ins Spital hüpfen, sich kurz wie fürs Augenbrauenzupfen auf den Schragen legen und dann eine halbe Stunde später mit immer noch perfektem Make-up das erste Selfie mit dem Neugeborenen auf Instagram posten?
So läuft das nämlich nicht. Wer sich verächtlich mit hochgezogenen Augenbrauen über die «Goldküstenmuttis» lustig macht, wer herablassend über die vermeintliche Motivation der Gebärenden ätzt, die ihr Baby operativ zur Welt bringen, wer meint, das sei feige Kapitulation, hat selber nie einen Kaiserschnitt und die Tage danach erlebt.
Ein Kaiserschnitt ist eine Operation, kein Besuch bei der Kosmetikerin.
Spätestens im Operationssaal verabschiedet man sich von den euphorischen Gefühlen und dem warm-flauschigen «Nesting», mit dem man sich in den Wochen vor der Entbindung auf den neuen Menschen im Leben gefreut hat.
Jetzt ist es kalt. Im wahrsten Sinne des Wortes, weil der Anästhesist mit einem eiskalten Metallstab über den unteren Bauchbereich fährt und testet, ob die Peridural- oder Spinalanästhesie gewirkt hat. Der Puls geht schnell, der Partner oder die Partnerin ist noch nicht da, erhält im Nebenzimmer die sterile Kleidung.
Die Schmerzen während der eigentlichen Geburt sind gering, dank der PDA. Es ist ein vehementes Ziehen, ein ruppiges Ruckeln; man ist froh, nicht mitzukriegen, was in der unteren Körperhälfte genau passiert. Vorstellen will man es sich auch nicht, und denkt intensiv an das, was jetzt hoffentlich gleich da ist: das Baby.
#daschamebruuche aus unserem Concept Store
Mit dem Baby kommt – in den meisten Fällen, leider nicht in allen – auch die Euphorie zurück, die Freude, und man vergisst, dass der Gynäkologe in jenem Moment die eigene Bauchdecke zutackert, die er zuvor tief und durch alle Schichten aufgeschnitten hat.
Spätestens ein paar Stunden später aber erinnert ein stechender Schmerz daran. Zusätzlich zu den Nachwehen meldet sich auch die frische Narbe, und lässt sich nur mit scharfem Geschütz besänftigen. Husten, Lachen, Pinkeln stehen ausser Frage. Frau hängt an Infusion und Katheter.
Die Kaiserschnitt-Geburt ist vielleicht schmerzfrei, aber auch sie hinterlässt Narben.
Während die Mütter, die vaginal geboren haben, mit ihren Babys ins Wickelzimmer spazieren, humpelt man selber am zweiten (und auch noch am vierten) Tag gekrümmt wie ein Gipfeli durch den Gang. Das Baby selber zu tragen, steht nicht zur Diskussion. Und auch den Erstgeborenen richtig zu umarmen, musste ich beispielsweise nach der Geburt meiner Tochter meinem Partner überlassen.
Der Damm bleibt vielleicht unversehrt, aber auch der Kaiserschnitt hinterlässt mehr als eine Narbe.
Ein Kind zur Welt zu bringen ist eine blutige und anstrengende Leistung, in jedem Fall.
Eine Frau, die einen Kaiserschnitt wählt oder sich für ihn entscheiden muss, macht die Geburt nicht lächerlich, wie eine Psychologin einst im Mamablog behauptete. Sie ist nicht feige. Nicht bequem. Nicht minderwertig. Sie muss sich nicht rechtfertigen.
Sie ist eine Mutter und hat eine Geburt geschafft. Und sollte darauf stolz sein dürfen.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 20. März 2017 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
Eine ähnliche Version dieses Textes erschien im Oktober 2016 im Mamablog des Tages-Anzeigers.
1x pro Woche persönlich und kompakt im mal ehrlich Mail.