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Wenn Mama ganz viel weint: Wie man Trauer in der Familie integriert

Vor den Kindern weinen, wenn Grosspapi gestorben ist? Oder die eigene Trauer verstecken? Warum Trauern heute so schwierig ist.

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Kindern helfen zu trauern | Tipps auf mal ehrlich

«Können Mamas vor Traurigkeit sterben?» Als mein Sohn mir diese Frage stellte, zerriss es mir das Herz. Mein Vater war wenige Wochen zuvor gestorben, ich konnte und wollte meine Trauer und meine Tränen nicht dauernd zurückhalten. Aber ich wollte genauso wenig, dass sich mein Sohn Fragen wie diese stellen musste.

Also begann ich, meine Traurigkeit wie einen Wasserball unter die Wasseroberfläche zu drücken, auf dass sie nicht zu oft hochkam, um meine Kinder zu belasten. Doch diese Verdrängungstaktik tat mir nicht gut. Und plötzlich erkannte ich, dass ich mich genau gleich verhielt, wie jene Menschen, deren Reaktionen mich so irritierten. Damals, vor rund 20 Jahren

Den Tod trifft man nicht mehr zu Hause an

Damals verunglückte mein Bruder tödlich und ich spürte, wie hilflos meine Umgebung mit meiner Trauer umging. Es kam mir vor, als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Menschen, die mir vertraut waren, schienen den Kontakt zu mir und die Frage «Wie geht es dir?» zu meiden.

Ein paar Monate nach dem Unfall fragte mich praktisch niemand mehr nach meinem Befinden, obwohl mein Schmerz zu diesem Zeitpunkt grösser war als direkt nach dem Unfall.

Woher kommt dieses Unbehagen im Umgang mit Leid und Tod? Liegt es daran, dass bei uns öffentliche Trauerrituale, wie es sie in anderen Kulturen noch gibt, verschwunden sind? Wir leben nicht mehr in Grossfamilien, den Tod trifft man kaum mehr zu Hause in der Stube an, sondern nur in Krankenhäusern und Altersheimen. Die Erfahrung mit der Trauer wird ausquartiert.

Sich trauen zu trauern

Nach dem Tod meines Vaters war die Trauer also plötzlich wieder da, mitten in unserer Familie. Ich wollte den Kindern zeigen, dass Wut und Trauer zu unserem Leben gehören und man sie nicht ignorieren, sondern in den Alltag integrieren sollte.

Gleichzeitig war ich so mit meinem Schmerz beschäftigt, dass ich kaum mehr merkte, was die Kinder in dieser Phase brauchten. Was tun, wenn die Bewältigung der eigenen Trauer so viel Kraft braucht, dass man keine mehr übrig hat, um den Familienalltag zu bewältigen, geschweige denn, die Kinder zu begleiten?

Der Tod meines Vaters ist jetzt drei Jahre her. Ich habe in dieser Zeit Wege, Rituale und Ideen gesammelt, die uns geholfen haben, diesen Verlust als Familie tragen, teilen und bewältigen zu können. Menschen trauern sehr individuell, aber vielleicht sind Impulse dabei, die auch andern helfen.

Kindern helfen zu trauern | Tipps auf www.anyworkingmom.com
Trauerrituale: Lieblingsstein und Wunsch für die Verstorbenen.
Sterne für Grosspapi…

Der Trost spendende Teddy

Ich erinnere mich an eine Freundin, die zwei Tage nach dem Tod meines Bruders vor unserer Haustüre stand und weinend sagte: «Ich habe keine Ahnung, was ich dir sagen soll in dieser Situation. Ich weiss nicht, was du im Moment brauchst. Das einzige, was mir in den Sinn kam, war, dir den Teddybär aus meiner Kindheit zu schenken. Er half mir immer bei Kummer. Aber das ist jetzt vielleicht total lächerlich.»

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Ein geschenkter Teddybär – mit der Kraft, zu trösten.

Diese Geste rührt mich noch bis heute, sie war alles andere als lächerlich. Es war ein authentischer Akt der Empathie. Den besagten Teddy bewahrte ich auf. Er tröstet seit zweieinhalb Jahren meinen mittleren Sohn, wenn er «Längiziiti» nach seinem Grossvater hat. Und der Teddy hält ein Foto meines Vaters in seinen kurzen Stoffarmen, das jeden Abend einen feuchten Gutenachtkuss kriegt.

Hört zum Thema auch unseren Podcast: Tabuthema Tod: Wir müssen reden

Dieser Text ist eine neu aufbereitete Version eines Mamablog-Beitrages.

Autorin

Nadine Fesseler schlägt sich im Familienalltag als unfreiwillige Spezialistin für Basteldesaster genauso wie als Tigerhaimom. Und sähe sich gerne als Influencerin für Gelassenheit, scheitert darin aber regelmässig. Zum Schreiben kam sie mit 8 Jahren und einem geschenkten Tagebuch, dessen weisse Seiten verpflichteten. Nach 28 Tagebüchern schrieb sie für ein paar Jahre für eine Lokalzeitung. Ihr Beruf ist Sekundarlehrerin, aber hobbymässig jonglierte sie immer wieder mit dem geschriebenen Wort. Sie schreibt seit 2017 für den Mamablog des Tagesanzeigers Geschichten aus dem Mikrokosmos des Mutteralltags.

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 15. April 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Any Working Mom existierte von 2016 bis 2024. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.


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3 Antworten

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  1. Avatar von Chris
    Chris

    Liebi Nadine,
    ich durfte dir via Yoga/Martine zwei- dreimal persönlich begegnen, zwar immer nur kurz, aber es hat gereicht, dass ich mich dir gegenüber rasch geöffnet und von Nina erzählt habe, meiner verstorbenen Tochter.
    Nach dem Lesen von deinem berührenden, feinfühligen Text weiss ich jetzt auch, warum: ich habe wahrscheinlich instinktiv gespürt, dass du verstehst, was Trauern in der Familie/ Gesellschaft bedeutet, wieviel Kraft und Energie es oft kostet, weiter zu machen.
    Danke für die wertvollen Zeilen.

    Ich wünsche dir und deiner Familie von Herzen alles Gute.

  2. Avatar von Nicole
    Nicole

    Vielen Dank für diesen wertvollen Blogpost. Meine Tochter hat letztes Jahr mit nicht mal 3 Jahren ihren Vater verloren und auch wenn er und ich nicht mehr verheiratet waren, traf mich diese Nachricht wie ein Schlag. Auch heute, mehr als ein Jahr später gibt es Momente, in denen mich die Gefühle übermannen oder auch meine Tochter aus dem Nichts weint oder traurig ist und sagt, sie vermisse ihren Papi jetzt ganz schrecklich. In dieser schweren Zeit haben wir ein sehr gutes, starkes Umfeld um uns gehabt, welches uns getragen hat. Zusätzlich hilft meiner Tochter auch die (Ma)PaPu (echt Gold wert), welche immer in ihrem Bett wacht und ein Foto von ihrem Papi beinhaltet…. Die Trauer hat so viele verschiedene Gesichter und ich bin froh, hier jetzt einige gute Tipps erhalten zu haben, wenn es uns das nächste Mal einholt…..

    1. Avatar von Nadine Fesseler
      Nadine Fesseler

      Liebe Nicole
      Danke für dein Feedback zu meinem Beitrag, deine Zeilen haben mich sehr gefreut. So schön, wie du die Trauer deiner Tochter würdigst und Raum für Tränen und Worte gibst. Ich wünsche euch beiden ganz viel Sonnenschein im Herzen. Deine Tochter wird mit so toller Unterstützung ein starkes udn glückliches Mädel werden.
      Nadine