Lifehack für Liebesglück: Stärken stärken in der Beziehung
Wo harzt es in der Beziehung? Was hat mein(e) Liebste(r) für Schwächen? Stopp! Amel Rizvanovic zeigt, weshalb wir mal die Perspektive wechseln sollten.
«Letzte Nacht hat er das Baby schon wieder nicht schreien gehört.»
«Immer vergisst sie, beim parkierten Auto das Licht auszuschalten.»
Oft sind es die Schwächen unseres Partners, unserer Partnerin, ja gar unserer Beziehung, auf denen wir gerne herumhacken, die uns besonders stark auffallen.
Nicht jedoch, dass sie dafür an das Hemd aus der Reinigung, den Geburtstag der Schwiegermutter, ans Räbeliechtlischnitzen und den Krallenschneidturnus des Wellensittichs denkt. Und jedes Mal eigenhändig die Autobatterie überbrückt.
Nicht jedoch, dass er am Wochenende um 5 mit dem Baby aufsteht oder dass er dem Baby immer nochmals einen Schoppen gibt, bevor er um Mitternacht selbst ins Bett sinkt.
Der Negativity Bias und wie er sich auf unsere Beziehung auswirkt
Vereinfacht gesprochen ist unser Gehirn so verdrahtet, dass das Negative leicht wie eine Klette an uns klebt, während das Positive – wie an einer Teflonschicht – viel weniger gut haften bleibt. Dieses psychologische Phänomen wird Negativity Bias genannt und bedeutet, dass sich negative Gedanken, Gefühle oder Erlebnisse stärker auswirken. Es handelt sich dabei um eine weitverbreitete menschliche Neigung, sich von negativen Ereignissen und Emotionen stärker beeinflussen zu lassen als von positiven.
Wir kennen die Auswirkungen dieser Negativverzerrung natürlich auch in Paarbeziehungen, wo sie uns verführen kann, Schwächen und Defizite unserer Gegenüber und unserer Beziehung in neongrün-farbener Leuchtreklameschrift zu sehen. Und per Megafon zu beklagen. Mit anderen Worten: Nicht geschimpft, ist Lob genug! Eine lästige und unangenehme Nebenwirkung unseres Negativity Bias ist also, dass er – ohne Balance – eine Art Anleitung zum Unglücklichsein sein kann.
Weil das Negative so viel (Über-)Gewicht hat, müssen wir deshalb für eine gesunde Balance das Gute, das Positive, überbetonen! Das gezielte Kultivieren von Stärken in Paarbeziehungen zielt genau darauf ab.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Stärkenorientierung – wozu?
Lange Zeit herrschte in der Wissenschaft der Glaube vor, dass unsere Persönlichkeit in Stein gemeisselt ist und sich nicht verändern lässt. Inzwischen wissen wir, dass unsere biologischen und sozialen Prägungen zwar natürlich eine grosse Rolle spielen, aber nicht in Form eines unveränderlichen, monolithischen Blocks, den wir so in dieser Form einfach hinnehmen müssen – wie eine Naturgewalt.
Vielmehr wissen wir heute, dass wir unsere Charakterstärken trainieren und weiterentwickeln können! Das Charmante dabei: Unsere Stärken einzusetzen, fühlt sich gut an und fällt uns (vergleichsweise) leicht. Studien zeigen, dass Charakterstärken ein Schlüsselelement sind, wenn es darum geht, positive Emotionen zu erleben, in den Flow zu kommen, gelingende Beziehungen zu pflegen, Sinnerleben zu kultivieren und wichtige Ziele zu erreichen. Charakterstärken sind also ein absoluter Lifehack für unser Wohlbefinden, unsere Zufriedenheit, unser Glück. Auch in der Paarbeziehung.
Wie orientieren wir uns an unseren Stärken?
Stärkenorientierung klingt gut – aber wie mache ich das? Kernidee ist es, mehr Bewusstheit für die eigenen Stärken zu schaffen bzw. für die der anderen Person und der Paarbeziehung, ein gemeinsames Vokabular für diese Stärken zu entwickeln und sie gezielt zu kultivieren. Hier nun ein paar konkrete, relativ einfach umsetzbare Ansatzpunkte und Übungen, um Stärkenorientierung als Paar auszuprobieren:
Der Persönlichkeitsstärken-Fragebogen
Der Persönlichkeitsstärken-Fragebogen der Uni Zürich ist ein sehr guter Ausgangspunkt, um ins Thema einzutauchen und mehr über die eigenen Stärken zu erfahren. Im Anschluss kann es spannend sein, die Ergebnisse gemeinsam mit dem Partner oder der Partnerin zu reflektieren und sich auszutauschen.
Der Stärkenbrief
Eine weitere schöne Einstiegsübung ist der Stärkenbrief: Dabei schreibt man auf, was die TOP 5 Stärken des Gegenübers sind, wie sich diese genau äussern bzw. woran sich das beobachten lässt (idealerweise anhand konkreter Beispiele) und liest sich die Briefe dann gegenseitig vor.
Strengths Spotting
Beim sogenannten Strengths Spotting beobachtet man eine Woche lang gegenseitig die Stärken der PartnerIn, schreibt diese auf und liest sie sich am Ende der Woche gegenseitig vor.
Soundtrack der Beziehung
In Memoriam an das gute alte Mixtape kann man einen (Stärken-)Soundtrack der Beziehung zusammenstellen mit Songs, die eine besondere Bedeutung in der Geschichte der Beziehung haben.
Dankbarkeitsbrief
Darüber hinaus ist auch der Dankbarkeitsbrief eine schöne Stärkenübung: Hier geht es darum, der PartnerIn (zum Geburtstag, zu Weihnachten oder gerne auch einfach mal so) zu schreiben, wofür man an ihr/ihm dankbar ist – mit speziellem Fokus auf die Stärken. Es geht hier darum, Danke zu sagen für vermeintlich Selbstverständliches oder für Dinge, die wir mitunter insgeheim denken, aber selten aussprechen.
Stärkenorientierung für Kinder
Nebenbei bemerkt, kann in der Familie das Thema Stärkenorientierung natürlich auch für Kinder wertvoll sein. Das Malen eines Familien(stärken)stammbaums, in dem die Kids die TOP-Stärken der Familienmitglieder darstellen, kann eine spannende Übung sein. Ab dem Schulalter können Kinder ein Dankbarkeitstagebuch führen. Auch lassen sich viele der bereits oben beschriebenen Ideen abwandeln und für oder mit Kindern durchführen. Wichtig ist dabei, spielerisch vorzugehen, die Kinder zu ermuntern, aber nicht zu drängen.
No Toxic Positivity!
Beim Thema Stärkenorientierung geht es nicht darum, Probleme oder Defizite – schlicht Negatives im Allgemeinen – zu ignorieren oder zu leugnen. Schon gar nicht geht es um Toxic Positivity, also realitätsfremd auf Teufel komm raus (in jeder Situation) ein künstliches Smiley-Face aufzusetzen und krampfhaft Stärken oder Positivität überzustülpen.
Negatives soll durchaus weiterhin seine Berechtigung und seinen Raum bekommen. Das ist sogar sehr wichtig, weil man sonst im Extremfall Gefahr läuft, bestimmte schwierige oder heikle Themen generell zu vermeiden. Was natürlich auch überhaupt nicht hilfreich wäre. Es geht vielmehr darum, eine gesündere Balance zu finden.
Buchtipp: Charakterstärken von Ryan M. Niemiec.
Mehr zum Thema Charakterstärken und Positive Psychologie bei Any Working Mom:
Meine Stärken erkennen und nutzen – wie geht das? Podcast mit Amel Rizvanovic
Worin bin ich wirklich gut? Podcast mit Karrierecoach Pascal Geissbühler
Beziehung pflegen oder retten? Tipps aus der Positiven Psychologie
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 14. Dezember 2021 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
1x pro Woche persönlich und kompakt im mal ehrlich Mail.