Männer, wollt Ihr neue Väter sein?
Männer – Ihr wollt neue Väter sein. Aber wollt Ihr wirklich aus einem inneren Bedürfnis heraus, oder weil wir es von Euch erwarten?
Liebe Männer – ich schreibe bewusst nicht Väter, denn es wird auch Männer geben, die es noch nicht sind und sich trotzdem mit der Frage auseinandersetzen – liebe Männer, wollt Ihr?
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Wirklich?
Nein, ich möchte mit diesem Text niemanden angreifen. Auch niemanden provozieren, obwohl, doch – eine Diskussion wäre mir recht. Grundsätzlich möchte ich einfach mal fragen. Und ehrliche Antworten erhalten, auch wenn diese mir womöglich nicht gefallen werden.
Männer, wollt Ihr wirklich „neue“ Väter sein oder werden?
Oder habt Ihr das Gefühl, es wollen zu müssen? Uns zuliebe? Der Gesellschaft wegen?
Wollt Ihr mehr Zeit mit Euren Kindern verbringen, auch wenn das – realistisch gesehen – leider immer noch bedeutet, dass Ihr beruflich zurückstecken müsst?
Seid Ihr Euch bewusst, dass in diese Zeit auch (und vor allem) die unangenehmen Seiten des Elternseins gehören, die keinen Spass machen: Trotzanfälle aushalten, Nein sagen zum 715ten Mal, aufräumen wie Sysiphos?
Wollt Ihr Euch auf Eure Kinder ein- und den Job beiseite lassen? Das Handy weglegen? Auch wenn das manchmal langweilig ist?
Sind das Dinge, die Ihr wirklich wollt, aus einem inneren Bedürfnis – oder drängen wir Euch dazu?
Ich frage, denn ich bin verunsichert. Es gibt natürlich welche unter Euch, die all dies bereits tun (und finanziell können – das ist natürlich Voraussetzung) oder es vorhaben.
Ich weiss nur nicht, ob sie es alle auch gerne tun. Wie der Mann meiner Kollegin I., der nach drei Jahren mässig motiviert durchgeführten Daddy-Days zugab: „Keine Lust mehr. Das ist nichts für mich.“
Ein Frust für I. Aber immerhin ehrlich.
Wenn aber die Antwort ‚Ja‘ ist, wenn Ihr wirklich wollt, dann verstehe ich eines nicht: Warum kämpft Ihr nicht dafür? Warum setzt Ihr Euch nicht durch? Warum akzeptieren so viele von Euch, dass „es in diesem Job halt einfach nicht geht“? Warum habt Ihr Euch nicht stärker gegen einen lächerlichen Vaterschaftsurlaub von einem Tag gewehrt, bevor dieser auf zwei Wochen erhöht wurde?
Ja, mir ist durchaus bewusst, dass hier den Männern noch ein steiniger Weg bevorsteht. Auch wir Mütter und werdenden Mütter stehen (immer) noch am Anfang und kämpfen für Teilzeitstellen und bezahlbare Kinderbetreuung – immerhin werden wir nicht mehr belächelt, wenn wir sie einfordern, aber immer noch benachteiligt. Ich weiss, und es ist erwiesen, bei Euch ist das nicht anders, sondern schlimmer. Die Betreuungsarbeit, Care-Work, hat in der Männerwelt noch den kleineren Stellenwert, und zu sagen: „Ich bin für meine Kinder da“ erhält leider – für uns alle nicht – die Anerkennung, die es sollte.
Aber trotzdem: wenn Ihr es doch wollt?
Wie setzt Ihr Euch dafür ein?
Für die meisten Frauen ist klar, dass wir mit dem Mutterwerden einen neuen Job übernehmen wollen, einen, der uns fordern wird wie keiner zuvor, aber auch eine Herausforderung, vor der wir uns nicht scheuen. Wir setzen klare Prioritäten, oder versuchen es zumindest, für die ersten paar Jahre. Wir mussten leider schon feststellen: Man kann nicht alles haben. Aber wir wollen selber bestimmen, worauf wir verzichten. Wir reduzieren unser Pensum oder machen uns selbständig (in der nie sterbenden Hoffnung, dass auch die Wirtschaft irgendwann einsehen wird, dass auch Kaderfunktionen im Jobsharing zu bewältigen sind und 80 Prozent genau so gut wie 100 Prozent).
Als Beispiel meine Freundin P., die beruflich erfolgreichste Frau, die ich kenne. Spezialistin in einer Consulting Firma, wurde sie angefragt, Partnerin zu werden. Sie sagte mit Pokerface: „Ja, ich will – ABER“ und verlangte eine Teilzeitlösung, würde sie Mutter werden. Sie schuf damit einen Präzedenzfall – noch nie hatte jemand sich erlaubt, solche Konditionen zu diktieren. P. blieb hart: Sie wollte, ja, aber nur unter dieser Bedingung. Sonst würde sie kündigen.
Ein halbes Jahr später wurde sie Partnerin. Ein Jahr später Mutter.
Warum höre ich solche Geschichten oft von Frauen, aber kaum von Männern? Was hält Euch davon ab, Euer Recht nach engagierter, präsenter Vaterschaft einzufordern? Habt Ihr das Gefühl, dass man Euch nicht mehr ernst nehmen, oder sogar ersetzen würde? Ich traue Euch mehr Selbstbewusstsein zu. Hat Euch die Tante vom HR eingeredet, dass die Einbusse bei 80% sich nicht lohnt (finanziell hat sie recht, aber sonst)? Erreicht Ihr in fünf Tagen wirklich mehr als in vier konzentrierten?
Oder fragt Ihr vielleicht nicht danach, weil es konfliktfreier ist, uns zu sagen „es geht nicht“, als „ich möchte nicht“?
Ich sehe, es ist doch eine Provokation geworden. Ich weiss, dieser Text wird vielen sauer aufstossen – aber nochmals: Es ist eine ernst gemeinte Frage, auf die ich gerne Antworten hören würde. Und eine, die sich viele von Euch vielleicht noch gar nie so ehrlich gestellt haben:
Männer, wollt Ihr neue Väter sein? Oder ist es eigentlich ganz gut so, wie es ist?
Ich bin gespannt.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 11. August 2016 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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