Mami und Papi sind kein Liebespaar mehr – Chronologie einer Trennung
20 gemeinsame Jahre, zwei Kinder und jetzt die Trennung. Wie sich das anfühlt.
Es gab eine Zeit, da haben sich Mami und Papi kennengelernt und waren sehr verliebt. Wir haben sehr gerne Zeit miteinander verbracht und dann geheiratet. Und dann seid ihr gekommen und wir haben uns über jeden von euch so fest gefreut.
Nun ist es so, dass wir uns nicht mehr so fest gerne haben. Wir sind kein Liebespaar mehr.
Jedoch sind wir immer noch Mami und Papi für euch. Für euch ändert sich nichts, ausser, dass ihr mit uns einzeln Zeit verbringen werdet. Ab und zu werden wir auch als Familie etwas unternehmen. Wenn ihr Fragen dazu habt, dürft ihr immer zu uns kommen. Wenn sich für euch etwas ändert, werden wir es euch immer sagen.
Wir bleiben eure Eltern.
Das war ein grosser Brocken. Als wir es unseren zwei Kindern gesagt haben, sassen wir gemeinsam am Familientisch, bei Pizza. Wir hatten extra die Herbstferien abgewartet, damit wir die Reaktionen auffangen könnten.
Ich habe damals den Anfang gemacht mit Erklären, mein Mann hat ergänzt. Neutral und natürlich wollten wir sein, das hatte unsere Paartherapeutin empfohlen. Wenn die Eltern kein Drama machen, empfinden es die Kinder auch nicht als solches, sagte sie.
Sie hatte recht. Es kamen kaum Fragen. Wenn, dann banale, alltägliche. Niemand hat geweint. Die Kinder gingen nach dem Essen in ihre Zimmer und grosse Reaktionen blieben aus.
DAS hatten wir nicht erwartet.
Wie alles begann
Als wir uns kennenlernten, redeten wir die ganze Nacht. Tanzten. Tranken. Es war an einer WG-Party, in der engen Küche bin ich ihm auf den Fuss gestanden. Ich war 20, er sieben Jahre älter und ziemlich rasch danach mein erster richtiger Freund.
Wir zogen bald zusammen. Im Kopf sah ich damals immer schon die eigene Zukunft, ich hatte diesen Traum, nein, fast schon einen konkreten Plan, wie mein Leben aussehen sollte. Ich wollte unbedingt einmal länger im Ausland leben. Und ich träumte von einer Familie, wollte jung Mutter werden.
Mit 24 war es dann soweit, unser Sohn kam auf die Welt.
Von Matthias, mittlerweile mein Mann, erhielt ich sehr viel Aufmerksamkeit. Ich war ihm wichtig, er stellte mich in den Mittelpunkt. Als eines von vier Kindern war mir dieses «Herausstechen» wichtig und ich fühlte mich geliebt und wahrgenommen. Er unterstützte all meine vielen Ideen, meinen Enthusiasmus für Neues. Für ihn war ich etwas Besonderes und er liess mich das spüren.
Die ersten 15 Jahre waren wir glücklich miteinander.
Im Grossen und Ganzen.
Die ersten Gedanken an Trennung
Ich erinnere mich an einen Abend, da waren wir erst zusammengezogen, ich war Anfang zwanzig. Es gab einen grossen Streit, es wurde laut, an den konkreten Grund kann ich mich nicht mehr erinnern. Aber ich ging damals spazieren, alleine, im Dunkeln. Ich setzte mich auf eine Bank und dachte:
«So geht das nicht.»
Ich hatte immer diese Leitlinie «Nicht sofort aufgeben!» im Kopf. Wenn ich ganz, ganz ehrlich bin, kamen die ersten Gedanken an eine Trennung schon sehr früh auf, vor den Kindern. Aber eben: Ich hatte eine sehr romantische Vorstellung einer Paarbeziehung, und diesen immensen Kinderwunsch. Man muss halt an einer Beziehung arbeiten!
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Ich glaube, da war auch immer diese Angst, alleine zu sein. Eine Trennung, was würde die für Konsequenzen haben? Wenn der Gedanke einmal ansatzweise aufkam, war er für mich immer zu bedrohlich, um ihn überhaupt fertig zu denken.
Später, bereits als Familie, zogen wir in eine neue Wohnung. Unsere neue Nachbarin war eine geschiedene Mutter. Sie teilte sich das Sorgerecht mit ihrem Mann, fifty-fifty. «Eigentlich auch noch schön», schoss es mir damals durch den Kopf. «Das könnte mich auch mal treffen, vielleicht.»
Die eigenen Bedürfnisse blieben auf der Strecke
Doch, ich bin sehr dankbar für diese 20 Jahre. Ich habe so viel erlebt, so viel gelernt! Und ich bin auch dankbar für die Liebe, die ich für den Vater meiner Kinder immer in einer Art und Weise empfinden werde. Denn meine Kinder sind ein Teil von ihm.
Ich bereue nichts.
Rückblickend wünschte ich mir, dass ich stärker auf mich selber gehört hätte, meine Bedürfnisse mehr wahrgenommen. Ich habe mich selber irgendwann gar nicht mehr so genau angesehen, es war schwierig zu spüren, was ich wirklich «will».
Ich lebte mehr im Aussen als im Innen, definierte mich via meinen Freundeskreis. Dort holte ich auch meine Energie und meine Inspiration, mehr als in der Beziehung selber. Aber das habe ich erst jetzt realisiert. Erst jetzt, als ich Dir meine Geschichte erzähle, eigentlich.
Die erste grosse Krise erlebten wir, als unsere Kinder noch jünger waren. Matthias und ich wuchsen sehr verschieden auf, erlebten unsere Kindheit, die Liebe der Eltern auf andere Art und Weise. Entsprechend waren wir uns oft nicht einig, wie wir unsere Kinder erziehen oder behandeln sollten. Sprach ich es an oder wollte darüber diskutieren, nahm er das als Kritik an seiner Person wahr und es kam zum Streit.
Gemeinsam holten wir uns dann professionelle Hilfe. Das half uns, neutralen Boden und auch wieder zueinanderzufinden. Wir hatten dann einen roten Faden, an den wir uns gemeinsam halten konnten.
Trotzdem blieben wir rastlos, immer im Wandel, irgendwie. Wir zogen oft um, und die Karriere von Matthias gab den Takt vor. Fast zeitgleich mit den Geburten unserer Kinder trat er jeweils eine neue Stelle an, und das rüttelte unser Familiengefüge wieder kräftig durcheinander. Für mich war das sehr energiezehrend, auch, weil er seine beruflichen Entscheidungen nicht vorher mit mir abgesprochen hatte. Aber trotzdem war das für mich halt ein Teil des «nicht Aufgebens».
Dass wir im Grunde genommen andere Träume hatten, ich vom Leben im Ausland, einer gleichberechtigten Partnerschaft – er von einer Karriere und einem steten Leben mit Lebensmittelpunkt Schweiz, das schob ich damals komplett beiseite. Ich «vergass» es aktiv.
Ich dachte, das kommt dann schon alles noch, habe immer ein wenig in der Zukunft gelebt. Ich feilte oft an Teilen meines Lebens, die noch in weiter Zukunft lagen. Ich war immerzu auf der Suche nach der inneren Ruhe, diesem Ort, wo alles stimmig ist.
Wie trennt man sich?
Dann eskalierte es. Aus einem kleinen Streit wurde ein riesengrosser. Er knallte mir den Ehering auf den Tisch. Fertig. Schluss.
Und beide waren wir anschliessend überfordert mit der Aufgabe, uns zu trennen. Wie weiter? Ausziehen? Den Kindern sagen? Anwälte? Wie trennt man sich?
Inmitten dieser planlosen Schwebe und dem Alltag, der ja trotz allem weiter ging, bereute Matthias seinen Ausbruch. Er wolle es noch einmal versuchen, Paarberatung, diese Beziehung und diese Familie retten. Ich ging mit, war aber resigniert. Eine gemeinsame Zukunft, wie sollte die jetzt aussehen?
Und doch.
Es ist verlockend, sich einzureden, dass alles wieder gut ist. Den ursprünglichen und gemeinsamen Traum, zusammen die Kinder grosszuziehen, nicht einfach loszulassen. Und ich hatte Angst. Angst davor, missverstanden zu werden, zu versagen. Ich sträubte mich dagegen, ein wandelndes Klischee zu sein – eine Frau mit Midlife Crisis um die 40, die ihr ganzes Leben umkrempelt.
Wir versuchten es also noch einmal. Gingen zur Therapie. Stürzten uns in Arbeit, in gemeinsame Projekte. Und natürlich in den Alltag. Dann beschlossen wir, wegzufahren, alleine, ohne Kinder.
Paartherapie, Portugal und die Gewissheit
Ja, es gab tatsächlich diesen «einen Moment». Plötzlich wusste ich, was ich tun musste. Es schoss wie ein Blitz durch meinen Körper: Eine gemeinsame Zukunft konnte ich mir nicht mehr vorstellen. Punkt.
Die Erkenntnis traf mich eines Nachmittags, alleine, am Strand von Portugals Westküste. Ich sass da, blickte aufs Meer, und boom. Es sprach mein Bauch, mein Herz.
In der gleichen Nacht träumte ich, Matthias wäre fremdgegangen. Als ich aufwachte, wollte ich nur noch in den Traum zurück. Er hätte mir einen Grund gegeben, einen «echten». Ich hätte die Trennung rechtfertigen können – mir gegenüber, anderen gegenüber.
Dabei hätte es so anders kommen sollen. Die Woche hätte unsere Beziehung heilen sollen, wir gingen picknicken, nahmen Yogakurse zusammen. Er empfand diese Ferien als sehr schön.
Von meiner Erkenntnis wusste er noch nichts. Ich konnte es nicht ansprechen. Mir fehlten die Worte, noch wehrte ich mich. Nicht aufgeben.
Kurz darauf gingen wir zu unserer Paartherapeutin und ich sprach meine Gefühle an. Dass ich nicht mehr weiter wisse, dass ich einen Grund suchte, der eine Trennung rechtfertigen würde. Sie riet mir dann, eine Woche lang aufzuschreiben, wie mein Leben sich anfühlen würde, wenn wir tatsächlich getrennt wären.
Bereits nach einem halben Tag kam Klarheit und Einsicht. Abends, als die Kinder schliefen, standen wir im Wohnzimmer, Matthias und ich. Es sprudelte nur so aus mir heraus, ich dachte gar nicht mehr nach. Zum ersten Mal handelte ich wieder aus dem Herzen, und nicht aus dem Kopf. Es war ein Schock für ihn.
Wie er genau reagiert hat, weiss ich nicht mehr. Auch die Tage danach sind wie wegradiert.
Die Trennung
Nachdem wir es den Kindern gesagt hatten, gab es kein Zurück. Ich wollte kein Zurück. Und Matthias versuchte auch nicht, mich umzustimmen. Er war sehr unglücklich, der Schmerz gross. Ich war aber schon weiter im Prozess, die Klarheit tat mir gut.
Ich erinnere mich an bedrückte Stimmung, wir versuchten, uns im Haus aus dem Weg zu gehen. Zeitweise konnte ich ihn nicht mehr riechen, ertrug seinen Duft nicht mehr – vielleicht ging es ihm ähnlich. Ein paar Wochen lang wohnten wir noch zusammen, dann fand er eine Wohnung.
Diese erste Zeit verlief «wellenartig». Manchmal ging es wie am Schnürchen, manchmal fielen wir in alte Muster. Wegen der Kinder und der Schule bleibe ich vorerst im Haus, das uns weiterhin gemeinsam gehören wird. Mittlerweile haben wir auch endlich unsere Finanzen getrennt, er hatte sich immer darum gekümmert.
Mit dem Anwalt, den wir gemeinsam beigezogen haben, war es ein Geben und Nehmen: Jemand hatte mir einmal gesagt, wir sollen die Dinge so miteinander aushandeln, dass die negativen Punkte gleichmässig verteilt sind. Das hat funktioniert, und für uns beide war klar, dass das Wohl der Kinder an oberster Stelle steht und wir uns auf keinen Fall bekriegen möchten.
Im Sommer werden wir geschieden.
Fallout
Meine Angst, meiner Familie und meinen Freunden die Trennung zu kommunizieren, war unbegründet. Für mich war es ein «Scheitern», ich hatte grosse Schuldgefühle. Der Glaubenssatz «Du kannst dich in einer Ehe nicht trennen» war so tief in mir drin. Trotzdem haben uns alle unterstützt. Da war viel Verständnis und einfach ein neutrales «zur Kenntnis nehmen». Wir wurden dann eher beobachtet, wie wir das Ganze lösen, erhielten sogar praktische Tipps.
Obwohl mein Vater anbot, unser Haus so umzubauen, dass wir beide weiterhin getrennt darin hätten wohnen können, haben wir uns für separate Wohnungen entschieden.
Unser Sohn freut sich, dass er mehr Zeit mit jedem Elternteil alleine verbringen kann. Er hat sich viel mehr geöffnet, verzieht sich weniger ins Zimmer. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir Eltern präsenter sein können, so richtig «da» – ich muss nicht mehr all meine Energie dafür einsetzen, dieses Gebilde aufrechtzuerhalten, sondern kann meinen Kindern wieder Aufmerksamkeit schenken. Die Kinder erzählen uns auch, was sie mit Mami oder Papi unternommen haben, und wir Eltern schicken uns gegenseitig Fotos – es ist ein freundschaftliches Verhältnis, oder zumindest so etwas ähnliches.
Ich bin ruhiger, klarer geworden. Aber natürlich fehlt es mir, alltägliche Dinge besprechen zu können. Es ist hart, Entscheidungen alleine treffen zu müssen. Manchmal frage ich mich, ob ich zu lange mit dieser Entscheidung gewartet habe, habe Schuldgefühle meinen Kindern gegenüber. Es gibt diese Tage, da fehlen mir Umarmungen, Berührungen, Nähe, Bestätigung.
Ich habe jetzt zwei verschiedene Leben. Das mit den Kindern, und das alleine an den Wochenenden.
Könnte ich meinem 20 Jahre jüngeren Ich einen Rat geben, so wäre das: Triff auch mal egoistische Entscheidungen, die alleine DIR guttun. Empathie und Rücksichtnahme sind wichtig, aber wenn du dich dabei selber verleugnest, bringt das niemandem etwas. Höre darauf, ob du mit deinem Partner lachen kannst, Humor ist ein essentieller Punkt in der Beziehung. Du kannst deinen Kindern nur eine authentische, liebende Mutter sein, wenn du auf dich selber schaust und dich selber auch ernst nimmst.
Meine Tochter hat vor Kurzem vor dem ins Bett gehen zu mir gesagt: «Mami, du bist anders, es fühlt sich gut an.»
Das finde ich auch.
Dieser Beitrag wurde von Andrea Jansen im Austausch mit der Erzählerin aufgezeichnet und verdichtet. Die erzählende Person, nennen wir sie Carla, heisst nicht wirklich so, und Matthias auch nicht. Die Kinder sind zwischen 8 und 14 Jahre alt.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 13. Februar 2021 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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