Mein Sohn liebt Pink! Und das ist auch gut so.
Bastian mag Pink. Und Tutus. Und Glitzer. Sein Vater Reto mag zwar nicht alles, was sein Sohn mag, aber unterstützt ihn in seiner Wahl. Was er nicht verstehen kann: Warum andere Väter genau das nicht tun.
Alle Menschen sind gleich. Das Geschlecht spielt keine Rolle. Kinder sollen tragen, was sie wollen. Und spielen, womit sie wollen. Stimmt alles!
Ausser, wenn coole Jungs pinkes Glitzerzeug mögen.
Neben unserer Badewanne stehen zwei Duschmittel, die klischierter nicht sein könnten: eins für starke Jungs, eins für hübsche Mädchen. «Drachenkraft» und «Seeprinzessin». Es ist fast ein Wunder, hat der Ritter kein Schwert in der Hand und säbelt dem Ungeheuer den Kopf ab, während sich die Blondine auf der anderen Flasche vor dem Spiegel für ihren Versorger hübsch macht.
Die Frau ist hübsch, der Mann ist stark
Dass es diese Seifen – und andere, genauso klischierte Spielzeuge, T-Shirts oder sogar Lebensmittel – überhaupt GIBT, finde ich als Vater problematisch. Sie vermitteln den Kindern nicht nur ein antikes Rollenbild, sondern rufen aus den Regalen in der Migros und im Coop laut in die verstopften Gänge hinaus:
Mädchen können nicht gross und stark werden! Rosarot ist nichts für Buben! Und das direkt auf Augen- und Ohrenhöhe der Kinder.
Dass Kinder auf die bunten Verpackungen anspringen – klarer Fall. Diesen Vorwurf würde ich ihnen nie machen. Darauf legen es die MarketingexpertInnen ja an, wenn sie ihre Verpackungen designen lassen.
Grundsätzlich würde ich solche Produkte nicht kaufen – doch meine Zwillingsjungs wünschten sich die Seifen – nur leider nicht die gleiche. Der eine wollte unbedingt die «Drachenkraft» und der drei Minuten ältere Zwilling Bastian wünschte sich die «Seeprinzessin». Denn er findet generell alles super, was rosa, pink und glitzereinhornig daher kommt. Worte wie «das ist nur für Mädchen» würden nie über meine Lippen kommen. Und so landeten beide Duschgels im Einkaufswagen.
Gute Jungs!
Ehrlich: Mir persönlich gefällt wenig von dem, was er mag. Aber das muss es ja auch nicht. Ich finde, wenn sich ein Kind schon so klar äussert, was ihm gefällt, dann soll es in seiner Meinung bestärkt werden und dementsprechend selbstbewusst mit Röckli, Rüschen-T-Shirt und Haarreif in der Nachbarschaft herumrennen.
Für mich ist es selbstverständlich, mein Kind zu stärken und ihm nicht das Tragen einer bestimmten Farbe, das Benutzen einer rosa Seife oder farbige Fingernägel zu untersagen, mit der Begründung, das sei «Mädchensache«. Im Gegenteil: Wir haben es zu einem Vater-Sohn-Event gemacht, regelmässig seine Fingernägel bunt anzumalen.
Ist das schon genderneutrale oder -kreative Erziehung? Ich glaube nicht. Ich halte nicht viel davon, das biologische Geschlecht von Kindern zu verheimlichen und möchte nicht darauf verzichten, ihnen ab und zu zu sagen, dass sie «gute Jungs» sind. Meine Frau und ich wollen unseren Jungs jedoch vermitteln, dass das Geschlecht (ihres oder das anderer) bei dem was sie heute, morgen oder übermorgen tun, überhaupt keine Rolle spielt.
Reaktionen auf das rosa Tutu
Die Reaktionen auf den pinken Bastian sind widersprüchlich: Einerseits wird praktisch von allen Erwachsenen gesagt, wie hübsch er aussehe. «Jöh, hat dir dein Mami die Fingernägel angemalt? Ah der Papi. Ooooh!»
In Erinnerung bleibt mir auch die Aussage eines älteren Mannes an der Olma: «Farbige Fingernägel? Hm. Dann musst du immerhin den Dreck darunter nicht wegputzen.» Vordergründig ist also alles super. Bei anderen Kindern sowieso: Da interessiert sein Äusseres meist gar nicht.
Andererseits sagen vor allem Mütter zu mir:
Mein Mann hätte das nie erlaubt.
Haben Väter Angst, dass den Jungs der Pimmel abfällt? (Tut es nicht!) Oder sorgen sie sich gar, dass Junior deswegen schwul wird? Finden sie es einfach unmännlich oder sind sie eifersüchtig, weil sie selbst gern ein Tutu anziehen würden, sich aber nicht trauen?
Pink zu verbieten ist Diskriminierung
Mir fällt kein vernünftiger Grund ein, weshalb Mann – ja, offenbar Mann! – seinen Jungs etwas verbieten will. Den Mädchen nehmen ihre Väter ja kaum die Traktoren weg. Oder etwa doch? Das wäre wenigstens konsequent. Wann immer ich mit solchen Situationen konfrontiert werde, frage ich nach dem Warum. Hier geht es um die Diskriminierung eines Menschen aufgrund seines Geschlechts. Und dass das nicht geht, sehen hoffentlich auch Väter mit Pink-Allergie ein.
Bisher konnte mir noch niemand eine überzeugende Antwort liefern. Liebe Väter: Rosa tut nicht weh.
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Dieser Beitrag erschien erstmals am 3. Juli 2020 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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