Muttertag? Das Ablenkungsmanöver des Jahres.
Ich brauche kein Fotokissen mit dem Aufdruck «Bestes Mami der Welt». Für den Muttertag habe ich ganz andere Wünsche: an mich, an Euch, an uns. #JederTagistMuttertag
Ich liebe Schokolade, wirklich. Ich mag auch Blumen – am liebsten Pfingstrosen. Aber die gibt’s ja nicht zum Muttertag. Zum Muttertag, da gibt es ein Kärtchen, auf dem man «dem» Mami einmal Merci sagt. Oder eine lustige Tasse. Oder einen Staublumpen mit Aufdruck «Best Mom Ever». Weil Mamis ja solche Sachen mögen.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Ich finde, man sollte den Muttertag per se einmal abstauben.
Dieser Muttertag, er ist eine grauslige Cashcow für schlechte Sprüche in Pastellfarben auf unvorteilhaft geschnittenen T-Shirts («SO sieht eine glückliche Mama aus!»), unterbelichtete Familienfotos auf Tassen, Kissen und Brillenputztüchern (!), Fussmassagesets und selbstrührenden Bechern.
Ich möchte das alles nicht geschenkt. Der Muttertag, er fühlt sich an wie ein Ablenkungsmanöver. Ein Jahresendbonus, damit wir ja nicht nach einer Beförderung fragen. Die hätten wir aber längst verdient.
Ich wünsche mir zum Muttertag eine Schweiz, die Frauen mit Kindern endlich endlich als fähige, belastbare und talentierte Arbeitskräfte behandelt (ob zu Hause oder extern in einem Büro), und deren Kinder nicht als Hindernis wahrgenommen werden, sondern als Soft Skill und als lebender Beweis dafür, dass frau multitaskingfähig ist as hell.
Zum Muttertag wünsche ich mir eine Familienpolitik …
… eine Familienpolitik, die das Bild der «guten Mutter» aus dem zweiten Weltkrieg – das der selbstlosen, pflichtbewussten und sich aufopfernden Frau, die alle Bedürfnisse hinter jene ihrer Familie stellt – endlich überholt. Eine Politik, die die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau unterstützt und fördert, die den Sinn von Vereinbarkeit nicht anzweifelt, sondern als gegeben sieht – nicht nur für die einzelnen Familien, sondern langfristig auch für die Ökonomie der Schweiz.
Ich wünsche mir Kitas, die man sich leisten kann, deren KinderbetreuerInnen aber ebenfalls gut bezahlt und ausgebildet sind, weil Care Work (gopfertami!) anstrengend ist und wir als Gesellschaft das wahrnehmen und schätzen sollten.
Ich wünsche mir Kindergärten und Schulen, die nicht mehr von einem Familienbild von 1952 ausgehen, wo die Mamis am Dienstagmorgen Zeit haben zum Räbeliechtlischnitzen und den Yves am Montagnachmittag um 16 Uhr zu Hause mit geschnittenen Öpfelschnitzli (Ja keine Banane! Zu viel Zucker!) begrüssen, am Donnerstag dann aber schon um 14.25 Uhr, und im nächsten Semester ist dann alles wieder anders, weil, man muss doch die Stundenpläne anpassen?
Ich wünsche mir Mütter, die andere Frauen auf dem Weg zum Mutterwerden unterstützen, auch nach der Geburt, nämlich dann, wenn frau das mit der neuen Rolle und den eigenen Bedürfnissen irgendwie zusammenzubringen versucht. Ich wünsche mir weniger Urteile, weniger hohe Rösser, mehr Verständnis und mehr High-Fives.
Ich wünsche mir Mütter, die sich lösen können von irrsinnigen und patriarchalischen Vorstellungen einer Frau, die Kinder gebären soll, davon aber möglichst schnell nichts mehr zu sehen sein darf. Ich wünsche mir weniger Druck, von aussen, aber vor allem auch von innen. Mehr Liebe, für uns.
Ich wünsche mir Mütter, die anderen Müttern die Steigbügel halten, sie fördern, ihnen mehr zutrauen, als ihnen vielleicht selber zugetraut wurde. Mütter als Chefinnen, vor denen man die Kinder nicht verheimlichen muss, die Verständnis zeigen, wenn das Kind krank ist und die auch wissen, dass eine Mutter deshalb nicht weniger leistet, sondern wahrscheinlich gerade umso mehr an ihre Grenzen geht.
Das niedliche Neutrum: «Jöh, das Mami!»
Ich wünsche mir, dass dem Beruf der «Mutter» mehr Respekt gezollt wird. Das aus der Frau, die ein Kind zur Welt bringt, nicht im Moment der Befruchtung ein niedliches Neutrum wird, «das» Mami, so ein liebes, herziges, sich aufopferndes – sondern eine Frau, die neue Superkräfte entwickelt, die für ihre Aufgabe nötig sind.
Ich wünsche mir, schlussendlich, dass es den Muttertag nicht mehr braucht. Keine schlechten Geschenke einmal im Jahr vom «Göttergatten«, kein erzwungenes «Merci» von der 4-Jährigen, die von Dankbarkeit noch keine Ahnung haben kann, keine welken Blumen von der Tankstelle.
Ich brauche kein T-Shirt mit «Die beste Mama der Welt». Weil ich die ziemlich sicher nicht bin und vor allem auch nicht sein will – die Beste zu sein bedeutet, sich irgendwelchen externen Kriterien unterzuordnen anstatt selber seine Stärken zu kennen.
Ohne mich. I don’t do Mother’s Day.
Aber halt, werden einige rufen: Immerhin kriegen wir einmal im Jahr den Ehrentag, den wir verdient haben! Wir kriegen endlich Dank! Beachtung! Zeit für eine Pedi oder zumindest einmal Duschen mit Haarewaschen UND Conditioner!
Aber das ist der Punkt: Ich will jeden Tag Conditioner. Jeden Tag Wertschätzung – von mir, an mich selber, aber auch von der Gesellschaft, vom System. Der Dank kommt nicht in Form einer Pralinenschachtel, sondern als Veränderung des Status Quo.
Sie ist ein Geschenk, das wir uns selber machen können. Jeden Tag.
Falls Ihr diese Wünsche und den Beitrag teilt, gerne mit #JederTagistMuttertag – danke!
Was wünscht Ihr Euch? Zum Kommentieren auf dem Handy bitte ganz nach unten scrollen.
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Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 11. Mai 2018 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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