PMS statt Paartherapie
Das prämenstruelle Syndrom hat einen schlechten Ruf. Anscheinend sind wir Frauen an diesen Tagen besonders kratzborstig. Aber Wut tut gut – und setzt Veränderung in Gang.
Ich sehe ihm an, dass er’s nicht checkt, und das macht mich nur noch wütender. Obwohl ich ihm vor ein paar Tagen angekündigt habe, dass es in die PMS-Schlusskurve geht, hat er’s schon wieder vergessen.
Er vergisst ja immer alles. Weil er weiss, dass ich für ihn mitdenke.
Und jetzt ist er verwirrt, dass sich dieser Tornado zusammenbraut.
Aber ich habe mich schon hineingesteigert und jetzt – jetzt werde ich laut: «Es kann doch nicht sein, dass ich immer die Terminkalender von vier Personen im Blick haben und dich an alles erinnern muss!»
Täglich grüsst die Mental Load
Ich stehe vor der Küchenablage, meine Hände zeichnen scharfe Gesten in die Luft. Mein Mann wusste auch, dass die Kleine morgen an ein Geburtstagsfest eingeladen ist, wofür noch ein Geschenk hermuss.
Und wieso checkt er nicht, dass die Kinder wieder mal duschen und Fingernägel schneiden sollten? Fällt ihm denn der Dreck unter den Nägeln nicht auf? Muss ich das jetzt wirklich wieder anordnen?
Seit die Stundenpläne fürs neue Schuljahr ins Haus geflattert sind, sollte ihm auch klar sein, dass wir uns mit den anderen Mittagstisch-Eltern neu absprechen müssen.
Aber natürlich war ich wieder mit den anderen Müttern in Kontakt. Obwohl wir einen Termin für eine Besprechung finden wollten, ist jetzt eigentlich alles schon aufgegleist. Die Väter kriegen die fertige Lösung präsentiert. Mal wieder und ganz selbstverständlich.
Wie kann es sein, dass ich immer alles auf dem Schirm haben muss?
«Immer kaufe ich auf dem Heimweg noch Brot – und du verlässt dich einfach drauf, dass dann welches da ist!»
Mein Mann bemerkt, dass ich ihm auch einfach eine Nachricht schreiben könne, er solle auf dem Heimweg Brot kaufen. Was mich nur noch wütender macht, weil dann muss ich ja trotzdem für ihn dran denken. Und er kann einfach nur abarbeiten.
Zugegeben, darin ist er gut. Er würde nie sagen, nein, das sei doch meine Aufgabe. Aber Delegieren und Drehscheibe sein kostet nun mal auch Energie. Und die hat frau an den PMS-Tagen nicht!
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PMS hat einen schlechten Ruf
Kurz bevor meine Monatsblutung einsetzt, habe ich im Grunde kaum körperliche Beschwerden. Aber was ich an PMS-Tagen definitiv verspüre, ist diese nicht zu bändigende Wut.
Allein wie mein Mann sein Müsli am Morgen kaut, bringt mich total auf die Palme! Und die Lautstärke meiner Kinder fühlt sich an diesen Tagen an, als würden sie mit den Nägeln über eine Wandtafel fahren.
Ich frage mich oft: Was ist denn real? Ist mir auch sonst alles bisschen zu viel? Aber ich reguliere es selbst, weil ich mehr Energie zur Verfügung habe?
Oder ist die Wut, die ich über die ungerechte Verteilung von Mental Load und Emotional Labor während der PMS empfinde, meine echte Meinung zu unserer Partnerschaft?
Jedenfalls folgen die PMS-Streitigkeiten in regelmässigen Abständen.
PMS hat einen schlechten Ruf. Vor allem, wenn Partnerinnen in die Luft gehen, ausrasten, Dramaqueens sind – und was es sonst noch alles für schöne Sprachbilder gibt.
Ich kann euch verraten: Keine Frau ist gerne so!
Nicht nur, weil wir so sozialisiert wurden, dass offene Aggressivität ein No-Go ist. Auch, weil wir gerne respektvoll und aus dem gesunden Erwachsenen kommunizieren. Ist uns schon klar, dass frau damit weiterkommt.
Andererseits muss ich leider sagen: Nach jeder heftigen PMS-induzierten Diskussion sah ich immer eine kleine Veränderung.
Meinem Mann war es natürlich nicht recht. Er wollte ein Teamplayer sein, er wollte Verantwortung übernehmen. Er wollte sicher nicht, dass ich mich im Stich gelassen fühle. Nach jedem Aufbrausen von mir nahm er etwas mit, das er für sich umsetzte.
Wie PMS meine Beziehung verbessert hat
Achtung: Ich plädiere hier nicht dafür, dass wir jetzt dem Partner zu Hause regelmässig die Leviten lesen sollen, damit Gleichberechtigung in Gang kommt. Ich finde natürlich auch, dass eine gewaltfreie und faire Kommunikation an so vielen Tagen des Monats wie möglich weitaus effektiver ist.
Nur Austeilen ist auch kein Lösungsansatz.
Ich persönlich sehe einen Unterschied zwischen Wut und Zorn – dem heiligen Zorn, von dem sogar die Bibel spricht!
Wut ist ein unkontrolliertes Explodieren, das im Grunde nicht zielführend ist. Zorn ist ein berechtigtes inneres Aufbäumen.
Wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen oder jemand über unsere Grenzen hinweg trampt, ist es wichtig und richtig, dass wir zornig werden und uns zur Wehr setzen.
Dieser starke Impuls schützt uns. Er bringt uns dazu, für uns selber (oder für andere) einzustehen.
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Wut tut gut
Ohne diese Emotion, ohne den Zorn, hätten die Generationen von Frauen vor uns politisch und sozial nie etwas bewegt. Gründet die feministische Bewegung nicht auch auf diesem Impuls, Ungleichheit nicht mehr hinzunehmen und für unsere Interessen laut zu werden?
Was ich mit der Anekdote der hormonellen Achterbahnfahrten erzählen will ist:
Lautwerden – solange es nicht zum Standard wird – bringt Entwicklung ins Rollen.
Weil gerade fällt mir auf, dass wir schon länger keine PMS-Auseinandersetzung mehr hatten. Ich kann mich gar nicht mehr so recht erinnern, wann die letzte war.
Über die Jahre hat mein Mann immer mehr übernommen: Die Hälfte der Woche geht er einkaufen. Aus dem Bringen und Holen von der Tanzstunde bin ich komplett raus. Und kürzlich setzte er ausschliessliche seine Handynummer als RSVP auf die Geburtstagseinladung unserer Tochter.
Wäre das passiert, wenn ich mein überschäumendes Temperament hinuntergeschluckt hätte, weil ich keine Dramaqueen sein wollte?
Drum, let’s get loud.
PS: Ich habe meinem Mann diesen Artikel vor der Publikation zu lesen gegeben. Er fand, ich hätte ihn schon ein wenig gedisst. Die Illustration am Anfang des Texts entstammt seiner Feder. Ich würde sagen, damit herrscht auch hier Gleichstand.
Information
Prämenstruelles Syndrom bezeichnet die physischen und psychischen Beschwerden, die Frauen in den Tagen vor der Regelblutung haben können. Darunter fallen Kopf- oder Unterleibsschmerzen, Spannung im Brustgewebe, Müdigkeit oder gestörter Schlaf, Heisshunger, Reizbarkeit und Reizempfindlichkeit, Stimmungsschwankungen oder depressive Verstimmungen. PMS-Symptome können im dümmsten Fall die ganze zweite Zyklushälfte lang auftreten.
In der zweiten Zyklushälfte sackt Östrogen zusammen und Progesteron steigt. Wenn Progesteron – unser Chill-Hormon – es nicht so recht nach oben schafft, können wir mit den üblichen Dellen auf der Fahrbahn nicht so gut umgehen.
Östrogen ist während der ersten Zyklushälfte dominant und sorgt für die Reifung der Eizelle und den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut. Weil es auch den Serotoninspiegel anhebt, wirkt Östrogen aufheiternd und vitalisierend.
Östrogen kann ausserdem im Verhältnis zu Progesteron zu dominant sein, was die klassischen PMS-Symptome wie Kopfschmerzen, Brustspannung und Reizbarkeit verstärkt.
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Veröffentlicht am 8. Juli 2024
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