#Tradwife – Soll frau sich da aufregen?
Frauen und Mütter setzen sich unter dem Hashtag #tradwife für ein traditionelles Rollenbild ein und unterwerfen sich ihren Männern. Muss man aufschreien?


Seit dieser Woche geistert der Hashtag #tradwife nun auch in den Schweizer Medien herum. Gerade hier, wo Sexismus und Ungleichheit oft unter dem Adjektiv «traditionell» abgetan werden, könnte er vielleicht sogar Erfolg haben. Hoffentlich nicht.
Aber Moment: Was ist eine #tradwife?
Der Bund und der Tagesanzeiger haben darüber berichtet, wie die Britin Alena Kate Pettitt den Begriff der «Traditional Housewife» geprägt hat und zu ihrem Verständnis der guten Mutter und unterwürfigen Ehefrau mittlerweile sogar Kurse gibt.

«Traditional Housewives» sind Frauen, die ihre Lebensaufgabe in der Fürsorge für ihre Kinder und im Haushalt sehen und darin das Idealbild der Frau zu erkennen glauben. Insbesondere leben sie eine sehr klassische Rollenverteilung, in der sie sich ihrem Ehemann gewollt unterordnen und Fürsorglichkeit mit «echter» Weiblichkeit gleichgesetzt wird.
Am Beispiel von Alena Kate Pettitt bedeutet das auch, dass sie ihr Eheversprechen darin versteht, ihrem Mann zu gehorchen und sich von ihm finanziell abhängig zu machen. Schon immer wollte sie Hausfrau sein, sagt sie, heute sei sie stolz auf ihr Leben und freue sich über Fussmassagen und Geschenke von ihrem Partner.
Gleichzeitig betont sie aber auch, dass ihr Lebensentwurf nicht der einzig gültige sein müsse und sie keineswegs finde, dass Frauen generell zurück an den Herd gehörten. Diese Rhetorik gehöre der Alt-Right-Bewegung, stellt sie im englischen Frühstücksfernsehen klar.
Dort, rechts aussen, ist zum Beispiel Lillian Sediles zu finden, die sich als «postmodern Mom» bezeichnet und vom Hashtag #tradwife ebenfalls rege Gebrauch macht. Sie propagiert denn nicht nur ihr Bild der «guten» Mutter, sondern äussert sich auch gegen Abtreibung, LGBTQ-Rechte und Feminismus.
Soll frau sich jetzt über die Tradwives aufregen?
Kurz: Nein.
Das, was unter dem Begriff #tradwife zusammengefasst wird, ist ein sehr breites Feld mit ganz vielen Schattierungen.
Von der Frau, die Bilder von sich bei der Hausarbeit auf Insta postet, bis hin zu bedenklichen, neonazistischen Vorstellungen einer freiwillig devoten, sich aufopfernden Mutter.
Das Ganze als ernst zu nehmenden Trend oder gar als Bewegung zu verstehen, geht aber zu weit – viel mehr entsteht ein Medienhype, der sich mit provokativen und vermeintlich antifeministischen Aussagen Klickzahlen und Mommywars erhofft.
Oder anders gesagt: Die Erde wird nun auch nicht flacher, weil ein paar Flatearthers daran glauben – und genauso wenig gefährden Tradwives den Weg zur Gleichstellung.
Solange keine sich einen Masterplan ausdenkt, um die Gesellschaft zu «revolutionieren», so wie in Margaret Atwood’s «The Handmaid’s Tale» – können wir ruhig bleiben. Oder im besten Falle die immer noch hochaktuelle Diskussion darüber weiter führen, was denn eine «gute» Mutter sein soll.

Im Falle von Sediles – einer sprühenden Quelle von Intoleranz und Hatespeech – ist es wahrscheinlich am effektivsten, sie komplett zu ignorieren und ihr keine Plattform zu geben. Auch auf der anderen Seite des Spektrums, bei den viel gemässigteren Lebensentwürfen dieser traditionellen Hausfrauen, mag es naheliegend erscheinen, sie des Verrats am Feminismus zu bezichtigen oder sie zumindest mit vehementem Kopfschütteln abzustrafen.
Das bringt aber nichts, im Gegenteil. Obwohl das Rollenverständnis, das den Mann zum Herrn des Hauses macht, natürlich Feminismus im Rückwärtsgang bedeutet, würde eine breite Diskussion darüber oder gar ein feministischer Aufschrei dem Patriarchat wohl genauso in die Hände spielen.
Damit schürten wir bloss das Feuer, das uns Frauen wieder gegeneinander ankämpfen lässt. Und auch wenn #tradwife ein Mütterbild verkörpert, das so komplementär zu unserem hier auf mal ehrlich steht, würde eine Kampfansage nur bedeuten, dass wir gleichzeitig einen anderen wichtigen Hashtag links liegen lassen, nämlich #Sisterhood.
Das Ausspielen der Hausfrau gegen die Working Mom
Vielleicht nehmen wir auch einfach zur Kenntnis, dass ein Aspekt des trendy Hashtags der Wunsch nach Anerkennung ist. Der berechtigte Stolz, für die eigene Familie zu sorgen, und der Wunsch, dass diese Arbeit auch gesehen wird. Eine Wertschätzung für Care Work und Mental Load, die heute noch nicht mehrheitsfähig ist und die durchaus bemerkenswert ist.
Aus den Reaktionen auf den Hashtag #tradwife und auf die Artikel darüber lässt sich auch herauslesen, dass das Schubladendenken «Hausfrau» versus «Working Mom» durchaus immer noch in den Köpfen verhaftet ist.
Viele Hausfrauen – Stay-at-Home-Moms oder SAHMs – berichten uns, dass sie sich regelmässig für ihre Entscheidung rechtfertigen müssen, auch wenn sie mit den Tradwives nichts gemeinsam haben und durchaus in einer modernen Partnerschaft leben.
Wer nicht erwerbstätig ist, kein Geld verdient, sich von seinem Partner abhängig macht, tut in einer Gesellschaft, die Geld mit Wert gleichsetzt, «nichts».
Kein Wunder, drückt das nicht selten auf den Selbstwert.
Gleichzeitig erfahren Mütter, die ihren Beruf auch nach der Geburt ihrer Kinder ausser Haus weiterverfolgen (ob sie das wollen oder aus finanziellen Gründen müssen), eine ähnliche Stigmatisierung. Dem traditionellen Bild der guten Mutter entsprechen sie nicht, in den Köpfen haben sie es meistens trotzdem. Und auch das verursacht nicht selten Schuldgefühle.
Recht machen kann man es sowieso nie allen.
Ändern wird sich das erst, wenn Betreuungsarbeit als Teil der Wirtschaft begriffen wird. Wenn wir unseren Mindset so ändern, dass es nicht mehr als «Aufgabe» oder «Rückschritt» verstanden wird, wenn jemand Care Work priorisiert, aber es auch nicht infrage stellen, wenn die eigene Berufung woanders liegt als in der Familie.
Im Wissen, dass unser heutiges Verständnis einer traditionellen Familie erst im 19. Jahrhundert während der Industrialisierung entstanden ist, und Familie vorher anders gelebt wurde, ist eine Veränderung nur eine Frage der Zeit.
#Tradwives – Ein Rückschritt?
Die Tradwives werden die Gleichstellung sicher nicht vorantreiben, aufhalten werden sie sie noch weniger. Nur dann, wenn wir ein anderes Rollenverständnis als Provokation verstehen und uns auf einen Kampf auf einem Nebenschauplatz einlassen. Dann gibt es wieder gut und böse, richtig und falsch, die guten und die schlechten Mütter. Dann bleiben wir stehen.
Den eigenen Mindset zu ändern, bedeutet auch, andere Ansichten wahr- und ernst zu nehmen, auch wenn sie den eigenen widersprechen.
Die #tradwives kann man also zur Kenntnis nehmen, die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erkennen versuchen und vielleicht sogar noch den einen oder anderen Tipp mitnehmen (denn ja, auch Feministinnen gletten vielleicht mal ein Hemmli oder kochen ein Znacht).
Let’s agree to disagree, dear #tradwives, ohne, dass wir uns gegeneinander ausspielen lassen. You do you.
Und wir machen weiter an der Front, an der sich das Kämpfen lohnt. Den Hashtag dafür gibt es ja auch bereits: #equalparenting.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 19. Februar 2020 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
1x pro Woche persönlich und kompakt im mal ehrlich Mail.