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#Tradwife – Soll frau sich da aufregen?

Frauen und Mütter setzen sich unter dem Hashtag #tradwife für ein traditionelles Rollenbild ein und unterwerfen sich ihren Männern. Muss man aufschreien?

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Frau im Stil einer Tradwife

Seit dieser Woche geistert der Hashtag #tradwife nun auch in den Schweizer Medien herum. Gerade hier, wo Sexismus und Ungleichheit oft unter dem Adjektiv «traditionell» abgetan werden, könnte er vielleicht sogar Erfolg haben. Hoffentlich nicht.

Aber Moment: Was ist eine #tradwife?

Der Bund und der Tagesanzeiger haben darüber berichtet, wie die Britin Alena Kate Pettitt den Begriff der «Traditional Housewife» geprägt hat und zu ihrem Verständnis der guten Mutter und unterwürfigen Ehefrau mittlerweile sogar Kurse gibt.

Artikel auch in der Berner Zeitung vom 17. Februar 2020. Bild: Eingesandt von Leserin Angela Stucki

«Traditional Housewives» sind Frauen, die ihre Lebensaufgabe in der Fürsorge für ihre Kinder und im Haushalt sehen und darin das Idealbild der Frau zu erkennen glauben. Insbesondere leben sie eine sehr klassische Rollenverteilung, in der sie sich ihrem Ehemann gewollt unterordnen und Fürsorglichkeit mit «echter» Weiblichkeit gleichgesetzt wird.

Am Beispiel von Alena Kate Pettitt bedeutet das auch, dass sie ihr Eheversprechen darin versteht, ihrem Mann zu gehorchen und sich von ihm finanziell abhängig zu machen. Schon immer wollte sie Hausfrau sein, sagt sie, heute sei sie stolz auf ihr Leben und freue sich über Fussmassagen und Geschenke von ihrem Partner.

Gleichzeitig betont sie aber auch, dass ihr Lebensentwurf nicht der einzig gültige sein müsse und sie keineswegs finde, dass Frauen generell zurück an den Herd gehörten. Diese Rhetorik gehöre der Alt-Right-Bewegung, stellt sie im englischen Frühstücksfernsehen klar.

Dort, rechts aussen, ist zum Beispiel Lillian Sediles zu finden, die sich als «postmodern Mom» bezeichnet und vom Hashtag #tradwife ebenfalls rege Gebrauch macht. Sie propagiert denn nicht nur ihr Bild der «guten» Mutter, sondern äussert sich auch gegen Abtreibung, LGBTQ-Rechte und Feminismus.

Soll frau sich jetzt über die Tradwives aufregen?

Kurz: Nein.

Das, was unter dem Begriff #tradwife zusammengefasst wird, ist ein sehr breites Feld mit ganz vielen Schattierungen.

Von der Frau, die Bilder von sich bei der Hausarbeit auf Insta postet, bis hin zu bedenklichen, neonazistischen Vorstellungen einer freiwillig devoten, sich aufopfernden Mutter.

Das Ganze als ernst zu nehmenden Trend oder gar als Bewegung zu verstehen, geht aber zu weit – viel mehr entsteht ein Medienhype, der sich mit provokativen und vermeintlich antifeministischen Aussagen Klickzahlen und Mommywars erhofft.

Oder anders gesagt: Die Erde wird nun auch nicht flacher, weil ein paar Flatearthers daran glauben – und genauso wenig gefährden Tradwives den Weg zur Gleichstellung.

Solange keine sich einen Masterplan ausdenkt, um die Gesellschaft zu «revolutionieren», so wie in Margaret Atwood’s «The Handmaid’s Tale» – können wir ruhig bleiben. Oder im besten Falle die immer noch hochaktuelle Diskussion darüber weiter führen, was denn eine «gute» Mutter sein soll.

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Über-Tradwife, die sich plötzlich unterwerfen muss: Serena Joy aus «The Handmaid’s Tale». Bild: TV Fanatic.

Im Falle von Sediles – einer sprühenden Quelle von Intoleranz und Hatespeech – ist es wahrscheinlich am effektivsten, sie komplett zu ignorieren und ihr keine Plattform zu geben. Auch auf der anderen Seite des Spektrums, bei den viel gemässigteren Lebensentwürfen dieser traditionellen Hausfrauen, mag es naheliegend erscheinen, sie des Verrats am Feminismus zu bezichtigen oder sie zumindest mit vehementem Kopfschütteln abzustrafen.

Das bringt aber nichts, im Gegenteil. Obwohl das Rollenverständnis, das den Mann zum Herrn des Hauses macht, natürlich Feminismus im Rückwärtsgang bedeutet, würde eine breite Diskussion darüber oder gar ein feministischer Aufschrei dem Patriarchat wohl genauso in die Hände spielen.

Damit schürten wir bloss das Feuer, das uns Frauen wieder gegeneinander ankämpfen lässt. Und auch wenn #tradwife ein Mütterbild verkörpert, das so komplementär zu unserem hier auf mal ehrlich steht, würde eine Kampfansage nur bedeuten, dass wir gleichzeitig einen anderen wichtigen Hashtag links liegen lassen, nämlich #Sisterhood.

Das Ausspielen der Hausfrau gegen die Working Mom

Vielleicht nehmen wir auch einfach zur Kenntnis, dass ein Aspekt des trendy Hashtags der Wunsch nach Anerkennung ist. Der berechtigte Stolz, für die eigene Familie zu sorgen, und der Wunsch, dass diese Arbeit auch gesehen wird. Eine Wertschätzung für Care Work und Mental Load, die heute noch nicht mehrheitsfähig ist und die durchaus bemerkenswert ist.

Aus den Reaktionen auf den Hashtag #tradwife und auf die Artikel darüber lässt sich auch herauslesen, dass das Schubladendenken «Hausfrau» versus «Working Mom» durchaus immer noch in den Köpfen verhaftet ist.

Viele Hausfrauen – Stay-at-Home-Moms oder SAHMs – berichten uns, dass sie sich regelmässig für ihre Entscheidung rechtfertigen müssen, auch wenn sie mit den Tradwives nichts gemeinsam haben und durchaus in einer modernen Partnerschaft leben.

Wer nicht erwerbstätig ist, kein Geld verdient, sich von seinem Partner abhängig macht, tut in einer Gesellschaft, die Geld mit Wert gleichsetzt, «nichts».

Kein Wunder, drückt das nicht selten auf den Selbstwert.

Gleichzeitig erfahren Mütter, die ihren Beruf auch nach der Geburt ihrer Kinder ausser Haus weiterverfolgen (ob sie das wollen oder aus finanziellen Gründen müssen), eine ähnliche Stigmatisierung. Dem traditionellen Bild der guten Mutter entsprechen sie nicht, in den Köpfen haben sie es meistens trotzdem. Und auch das verursacht nicht selten Schuldgefühle.

Recht machen kann man es sowieso nie allen.

Ändern wird sich das erst, wenn Betreuungsarbeit als Teil der Wirtschaft begriffen wird. Wenn wir unseren Mindset so ändern, dass es nicht mehr als «Aufgabe» oder «Rückschritt» verstanden wird, wenn jemand Care Work priorisiert, aber es auch nicht infrage stellen, wenn die eigene Berufung woanders liegt als in der Familie.

Im Wissen, dass unser heutiges Verständnis einer traditionellen Familie erst im 19. Jahrhundert während der Industrialisierung entstanden ist, und Familie vorher anders gelebt wurde, ist eine Veränderung nur eine Frage der Zeit.

#Tradwives – Ein Rückschritt?

Die Tradwives werden die Gleichstellung sicher nicht vorantreiben, aufhalten werden sie sie noch weniger. Nur dann, wenn wir ein anderes Rollenverständnis als Provokation verstehen und uns auf einen Kampf auf einem Nebenschauplatz einlassen. Dann gibt es wieder gut und böse, richtig und falsch, die guten und die schlechten Mütter. Dann bleiben wir stehen.

Den eigenen Mindset zu ändern, bedeutet auch, andere Ansichten wahr- und ernst zu nehmen, auch wenn sie den eigenen widersprechen.

Die #tradwives kann man also zur Kenntnis nehmen, die dahinter liegenden Bedürfnisse zu erkennen versuchen und vielleicht sogar noch den einen oder anderen Tipp mitnehmen (denn ja, auch Feministinnen gletten vielleicht mal ein Hemmli oder kochen ein Znacht).

Let’s agree to disagree, dear #tradwives, ohne, dass wir uns gegeneinander ausspielen lassen. You do you.

Und wir machen weiter an der Front, an der sich das Kämpfen lohnt. Den Hashtag dafür gibt es ja auch bereits: #equalparenting.

Autorin

Andrea Jansen hat 2016 Any Working Mom gegründet und lange als CEO geführt. Bei mal ehrlich ist sie für Strategie und Business Development verantwortlich. Sie reist gerne durch das Leben und um die Welt, versucht, weniger zu micromanagen und mehr zu schlafen. Sie ist Unternehmerin, Stiftungsrätin, Journalistin und Mutter von drei Kindern. Seit mindestens drei Jahren will sie ihre Website updaten und kommt nicht dazu – bis dahin findet man sie auf Insta als jansenontour.

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 19. Februar 2020 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Any Working Mom existierte von 2016 bis 2024. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.


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7 Antworten

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  1. Avatar von Kristina
    Kristina

    Ich verstehe nicht den Tumult darüber. Ist doch jedem selbst überlassen, wie die Familienkonstellation gehalten wird. Ich finde es auch ehrlich gesagt schade, wenn eine Frau sich für das “Traditionelle” 50er Jahre Zusammenspiel entscheidet, sich auf einen Shitstorm gefasst machen muss. Abgesehen davon denke ich, könnte das der Gleichstellung von Mann und Frau doch gut tun. Denn heutzutage Alleinverdiener zu sein, egal wer letztlich arbeitet, ist kaum mehr möglich. DAS ist das, was sich wirklich ändern sollte. Damit JEDER für SICH und SEINE Familie FREI entscheiden kann, wie es jeder haben möchte.

  2. Avatar von Daniel
    Daniel

    Endlich mal ein vernünftiger Artikel
    zum Thema. Jeder muss so glücklich werden, wie er oder sie das möchte, und wer das mit Hass auf Andersdenkende verknüpft entlarvt sich selbst. Ich halte die Behauptung, es gäbe ein “Patriarchat” für einen ebensolchen Unfug, unterstellt es doch, dass jeder Mann Frauen unterdrückt, wenn sie sich nicht wehren. Ich würde eine so unterwürfige Frau aber gar nicht wollen, weil es auch meinen Vorstellungen von einer Partnerschaft nicht entspricht.

    1. Avatar von Andrea Jansen
      Andrea Jansen

      Hi Daniel. Der Begriff “Patriarchat” unterstellt nicht, dass jeder Mann Frauen unterdrückt. Er steht für ein “System von sozialen Beziehungen, maßgebenden Werten, Normen und Verhaltensmustern, das von Vätern und Männern geprägt, kontrolliert und repräsentiert wird.” Man spricht also vom System, vom Überbau, nicht von den einzelnen Männern, die wir übrigens in den meisten Fällen sehr mögen. Trotzdem ist das Patriarchat real und etwas, wogegen wir uns hier bei Any Working Mom wehren, auch für alle Männer, die nämlich ebenso darunter leider wie die Frauen.

  3. Avatar von Anna
    Anna

    Diese #Tradwives, sind ja eher ein Social Media Marketing Tool um dann eben ein eigenes Business aufzubauen. Webseite mit Koch und Haushaltstipps, Evt eigens Buch veröffentlichen und besten falls nich eigene Produkte zum Verkauf an bieten. Das hat dann nicht mehr viel zu tun mit #tradwives.

  4. Avatar von Christina
    Christina

    Gönnen wir es doch Frau Pettitt. Die Mehrzahl der Frauen, welche zuhause bleibt, bekommt vom Mann keine Chanel Tasche, sondern Budgetdiskussionen. Und damit führen Sie die gleichen Diskussionen wie die Working Mom.

  5. Avatar von sybille
    sybille

    und kleiner Nachtrag: SAHM ist auch eine Klassenfrage.

  6. Avatar von Sybille
    Sybille

    Danke für diesen differenzierten Artikel.
    Und, da du ja grad in den Staaten weilst, ein Buchtipp zum Thema Feminism, Sisterhood, Motherhood: Fight like a girl by Clementine Ford.
    Liebe Grüsse Sybille