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Von Rüebli, Bananen und der perfekten Mutter

Wir orientieren uns am Bild der sich aufopfernden Mutter. Und merken nicht, dass es uns genau diese gedanklichen Fesseln unmöglich machen, Gleichberechtigung zu erreichen. Wir müssen etwas ändern: in uns.

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Andrea Jansen beim TedX-Talk: Um Gleichberechtigung zu erreichen, müssen wir wegkommen vom Bild der sich aufopfernden, fürsorglichen Mutter.

Dies ist ein erweitertes Transkript und eine Übersetzung meines TedX-Talks vom 16. November 2018. Die Frage, was eine «gute Mutter» ist, hat für mich mehr Aktualität denn je. Die Überzeugung, dass wir uns von ihrem Bild lösen müssen, ist für mich der Schlüssel zu einer gleichberechtigten Zukunft.

Vor ungefähr zehn Jahren traf ich meine Eltern zum Mittagessen im Kornhaus in Bern. Wir waren zu dritt, meine Eltern und ich – ich bin Einzelkind. Meine Mutter ist Hausfrau, mein Vater Unternehmer. Während meine Mutter das Familienleben und den Haushalt gemanagt hat, verdiente er das Geld – kurz: Die beiden leben ein traditionelles Familienmodell.

Natürlich, und davon war ich damals überzeugt, würde ICH es ganz anders machen als sie. Mit 28 wusste ich, wie der Karren läuft und habe das dann netterweise meinen Eltern mal erklärt:

ICH würde alles unter einen Hut bringen.

ICH würde meine Karriere fortsetzen. Zwei, vielleicht drei Kinder kriegen, einen Partner haben, der mir auf Augenhöhe begegnet, ich würde Reisen, Sport treiben, Freunde treffen und vielleicht – mal so zwischendurch – noch ein Buch schreiben. ICH? I got this.

Meine Mutter nahm einen Schluck von ihrem Tee und studierte länger die Tasse. Mein Vater hob eine Augenbraue. Aber nur eine.

Das ist doch alles nur eine Frage der Organisation!

… rief ich der Augenbraue entgegen. Und fühlte mich still bevormundet. Ich würde es ihnen schon zeigen.

Schwangere Streberin

Fünf Jahre später war ich schwanger. 

Mit dem wachsenden Bauch korreliert ja bekannterweise auch die Abnahme der Privatsphäre. Schwangeren Frauen darf man ungeniert und vor allem ungefragt den Bauch streicheln, sich nach Wasser in den Beinen oder dem gesteigerten Sex-Drive erkundigen und bös gucken, wenn eine dann doch einen Schluck Wein trinkt. Die Schwangere ist Allgemeingut, sie pflanzt sich fort im Namen der Menschheit, da darf man ja mal noch was sagen dürfen!

Dazu kommt, dass angehende Mütter nicht mehr so richtig zurechnungsfähig sind – wahrscheinlich wegen der vielen Hormone. Daher ist es unumgänglich, ihnen permanent vorzuhalten, was richtig – und viel wichtiger! – was falsch ist.

Aber selbstverständlich war ICH vorbereitet. Einmal Streberin, immer Streberin.

Ich kaufte haufenweise Bücher. Kannte alle Apps. Ich wusste auf den Tag genau, wann mein Fötus so gross sein würde wie eine Traube oder wie eine Avocado – und ob ich die eine oder die andere essen dürfte. 

Ich ging ins Schwangerschaftspilates. Ins Schwangerschaftsyoga und ins Schwangerschaftsschwimmen, wo ich und mein ungeborenes Kind unter Wasser sanftem Walgesang lauschten, während wir durch die Bauchdecke bondeten. Ich schleppte meinen Partner in einen dieser Schwangerschafts-Vorbereitungskurse, obwohl uns rückblickend und vorausschauend ein Konfliktbewältigungsseminar weit mehr gebracht hätte.

Andrea Jansen TedX-Talk: Die perfekte Mutter - sie muss weg. Denn mit ihr können wir nie Gleichstellung erreichen.

Wir besichtigten zudem drei Spitäler, besuchten zwei Info-Abende mit Häppchen, ich schnaufte, hechelte, röhrte wie eine Hirschkuh, während ich auf einer Geburtsschaukel test-hockte und stellte mir auf Empfehlung der Hebamme sogar eine Playlist auf meinem iPod zusammen, als musikalische Untermalung für die bevorstehende Geburt.

Gehört habe ich die dann natürlich nie.

Obwohl ich durchaus 32 Stunden Zeit dafür gehabt hätte. 

Mein Sohn kam auf die Welt, und ich als Mutter auch.

Nach 32 Stunden war es da, mein erstes Kind. Und meine Karriere als Mutter startete auch gleich mit einem Ereignis, das einige bestimmt als meinen ersten «Fail» bezeichnen würden: Ich hatte einen Kaiserschnitt.

Und trotzdem, und das sage ich gerne, war ich so glücklich wie noch nie im Leben. Und auch überfordert: Mit meinen Gefühlen einerseits, aber vor allem auch mit den Erwartungen, die ich an mich selber hatte

Denn als ich meinen Sohn stillte, hatte ich aus mir unerklärlichen Gründen kein seeliges Lächeln auf den Lippen. Meine Haare fielen nicht in einem schönen Bauernzopf über meine Schulter – so wie ich das von Instagram kannte. Nein. Schweissverklebte Strähnen fielen mir ins Gesicht, während ich mir die Lippen blutig biss, um nicht laut zu schreien. Denn mal ehrlich:

Die ersten Stillversuche können sich anfühlen, wie ein herzhafter Abrieb der Nippel mit der Rüebliraffel. 

Ich wollte wissen, ob das normal ist. Ob ICH normal bin, mit meinen Gefühlen: dieser Mischung aus Glück, Schmerz und tiefer Verunsicherung. 

Ich hab’s gegoogelt.

Dank extensivem Googeln (ein Task, der sich wunderbar einhändig erledigen lässt) fand ich heraus, dass unsere Definition einer modernen Mutter, und die Erwartungen an sie von vorgestern sind. Also, von vorvorgestern.

Aus dem 18. Jahrhundert.

Das Bild der «guten Mutter» kam damals auf, geprägt vom französischen Philosophen Jean Jacques Rousseau. Er «erfand» sie, die Idee der sich aufopfernden, selbstlosen Mutter, die alles richtig machen muss.

Sein Erziehungsratgeber «Émile» wurde zum Bestseller – immerhin war Rousseau selbst fünffacher Vater. (Alle fünf Kinder wuchsen jedoch im Waisenhaus auf, da sich Rousseau auf seine Arbeit konzentrieren wollte. Ich hebe an dieser Stelle auch eine Augenbraue.)

Nichtsdestotrotz: Dieses Bild, wie eine Mutter zu sein hat, ist bis heute in all unseren Köpfen. Ob wir es wollen oder nicht, ob wir es merken oder nicht. Oft kommen die eigenen Erwartungen an sich selber oder die Partnerin erst dann zum Vorschein, wenn wir Eltern werden – auch wenn wir uns für noch so liberal und modern halten.

Mir zumindest ging es so. 

Keine Bananen ins Znüniböxli!

Es hat sich viel geändert seit Rousseaus’ Zeit – immerhin würde kaum noch jemand sein Zitat «Die Frau hat mehr Geist, der Mann mehr Genie. Die Frau beobachtet, der Mann schliesst.» unterschreiben.

Aber auch die modernen Mütter kriegen Anweisungen. Heute kommen sie nicht nur mehr von Männern – sondern von auch von Frauen, den Medien und insbesondere aus den sozialen Medien.

Trage dein Kind! Still dein Kind! Benutze nur Nuggis aus Naturkautschuk. Nein! Gar.keine.Nuggis!

Koch drei warme, nährstoffreiche Mahlzeiten pro Tag! Geh ins Frühchinesisch – oder noch besser: Kauf Dir einen vaginalen Lautsprecher und erledige das gleich schon in der Schwangerschaft! Beschütze deine Kinder, aber sei kein Helikopter! Und um Gottes Willen: Keine Bananen ins Znüniböxli! Isch verbotte im Chindsgi!

Vaginaler Lautsprecher - unsinnige Dinge
Babypod. Lautsprecher für die Vagina. Kein Witz. (Bild: Hersteller)

Ich übertreibe. Natürlich. Aber das Problem ist tatsächlich:

Was nicht «perfekt» ist, ist ungenügend.

Ich kenne KEINE einzige Mutter – und ich wette, es ist keine unter euch, die das liest – die noch nie ein schlechtes Gewissen hatte, vielleicht, weil sie ihrem Kind nur Dinge aus der beigen Nahrungsmittelgruppe füttert, weil sie ihr Kind angeschrien hat, oder, weil sie mal weg musste. Zum Beispiel, um arbeiten zu gehen

Der Wunsch ist da, alles unter einen Hut zu bringen. Aber: neben der Mutterrolle soll frau auch noch liebevolle Partnerin, erfolgreiche Geschäftsfrau, engagierte Freundin und Tochter sein. Und dabei, fast am wichtigsten: sollten wir noch aussehen wie eine MILF. Danke, Stifler’s Mom.

Aber, Moment mal: Wo sind eigentlich die Väter?

In den meisten Fällen: am Arbeitsplatz. Mit dem bisherigen Vaterschaftsurlaub von 1 Tag auch kein Wunder. (Anm. d. Red.: Inzwischen sind’s zwar zwei Wochen Vaterschaftsurlaub, aber … ihr wisst schon.)

Auch wenn man die Reise als Eltern auf dem gleichen Wissenstand antritt – weder mein Partner noch ich hatten nach Ankunft des Babys viel Ahnung davon, was man mit einem kleinen Menschen so anstellt – hatte ich als Frau sehr schnell die steilere Lernkurve, was das Baby betrifft.

Ich glaube nicht, dass ich als Mutter instinktiv besser Bescheid wusste, sondern es lag am unumstösslichen Fakt, dass ich in den folgenden Wochen DA war und er nicht. 

60 Prozent Erwerbstätigkeit ist gerade noch so ok

Als ich wieder arbeiten ging – die in der Deutschschweiz gesellschaftlich gerade noch so akzeptierten 60 Prozent – hatte ich zusätzlich noch einen 100-Prozent-Job in der Familie gefasst. Und obwohl ich einen Partner habe, der sehr wohl und freiwillig seinen Teil tut, war ich plötzlich «Chief of Baby» in der Familie, wurde zum sogenannten «Default Parent». Nicht, weil wir das als Paar gesucht, geschweige denn geplant hatten, sondern weil unser System die Weichen so für uns stellt.

Mit Erwerbsarbeit, Betreuungsarbeit und der sogenannten Mental Load – der alltäglichen, unsichtbaren Denkarbeit – machte ich plötzlich eine ganz neue Erfahrung:

Ich reichte plötzlich nirgends mehr.

Ständig musste ich mich gegen aussen rechtfertigen, aber vor allem und am vehementesten gegenüber mir selber: Weit entfernt war ich von den professionellen Ansprüchen an mich selbst, und nicht weniger weit entfernt davon, die perfekte Mutter zu sein. Ich fühlte mich ungenügend.

Andrea Jansen: "Es war, als würde man Xena das Schwert wegnehmen und ihr ein Rasseli in die Hand drücken."

Ich hatte eine kleine Identitätskrise.

Wer war ich überhaupt noch? Ich fand: Nicht mal mehr Frau, so richtig. Im Schweizerdeutschen tauscht man ja den weiblichen Artikel 1:1 ein für ein Kind – ab Geburt ist man für alle Aussenstehenden (insbesondere für die Werbung, für ältere Mitarbeiter oder genervte Tramchauffeure) nur noch «DAS Mami». Jöööh, so herzig: Es Ääääs.

Es war, als würde man Xena das Schwert wegnehmen und ihr ein Rasseli in die Hand drücken.

Ich hatte mich also über Nacht von einer Frau mit Persönlichkeit in ein Neutrum mit Stillbrüsten und Schlafmanko verwandelt.

Zurück zu «Es ist alles nur eine Frage der Organisation» – remember?

Ich muss heute noch lachen. Auch nach der Geburt des zweiten Kindes staunte ich immer noch ungläubig über meine eigene Naivität, wie einfach ich mir das alles vorgestellt hatte. Fairerweise habe ich meine Mutter angerufen und sie durfte dann sagen:

Ich hab’s dir ja gesagt.

Und dann habe ich 2016 «Any Working Mo ins Leben gerufen. Ich wollte ehrlich sein. Ich wollte diesen Druck wegnehmen, ich wollte und will den Perfektionismus entlarven, an dem wir uns bewusst oder unbewusst messen. Das ist heute noch die Kernbotschaft dieser Plattform, auch unter dem neuen Namen «mal ehrlich»

Die perfekte Mutter – sie hält uns dieses unerreichbare Rüebli vom «Alles Haben» vor die Nase und wir rennen ihm unermüdlich nach.

Nach fast sieben Jahren Erfahrung als Mutter, nach drei Kindern und drei Jahren Any Working Mom kann ich aber mit Sicherheit sagen:

Die perfekte Mutter gibt es NICHT.

Sie ist ein Frankenstein, konstruiert aus Instagrambildli, aus Bildern der Werbung und aus schlechten Spielfilmen. Aus Erzählungen von anderen Müttern, die sich nicht trauen, ihre eigenen «Fails» und Herausforderungen zu teilen. 

Die Folge? Viele Frauen ziehen die Reissleine, und entscheiden sich dafür, ihre Zeit und Energie voll und ganz in ihre Familie zu stecken. Was wunderbar ist. Auch ich verbringe am liebsten Zeit mit meinen Kindern und ich kämpfe dafür, dass der Betreuungsarbeit die Wichtigkeit und Wertigkeit zugestanden wird, die sie verdient.

Und gleichzeitig hält uns der Wunsch, eine «gute» Mutter zu sein, zurück.

Anstatt dass wir «mit am Tisch sitzen» und Entscheidungen fällen, schleppt uns die perfekte Mutter zurück an den Herd, wo wir Punkt halbi Zwöfli ein Riz Casimir zaubern, das wir dann mit Bananen und Ananas zu einem lustigen Smiley-Teller dekorieren und instagrammen mit dem Hashtag #enGuete! – um zu zeigen, wie easy das doch alles ist.

CBO vs. CEO – und wie wir das ändern

Und im Grunde genommen passiert dann genau dasselbe wie im Wochenbett. So, wie die Mütter in der Regel zum «Chief of Baby» werden, werden Männer automatisch «CEOs». Nicht, weil sie zwingend die besseren Chefs sind, sondern, weil sie am Arbeitsplatz präsent, weil sie DA sind. 

Wenn wir in der Schweiz wirklich etwas verändern wollen, wenn wir wirklich Gleichberechtigung wollen, dann braucht es beide Geschlechter für einen Diskurs. Um die Balance zu erreichen, braucht es mehr Frauen im öffentlichen Raum, die mitreden und stattfinden. Frauen, die am Tisch sitzen, «leaning in».

Aber: Viele von diesen Frauen sind Mütter, die mit den äusseren Erwartungen an sie und ihren eigenen Erwartungen an sich selber schon alle Hände voll zu tun haben! Wo bleibt die Zeit?

Veränderung im Kopf: der neue Mindset

Im System findet langsam eine Veränderung statt, man spricht über Vaterschaftsurlaub und träumt von Elternzeit, die Subvention von Krippenplätzen ist auf dem Tisch, Tagesschulen werden eingeführt.

Und trotzdem: Ich bin überzeugt, dass wir alle bei uns selber anfangen müssen, wenn wir umdenken wollen.

Das wir dieses Umdenken aktiv angehen müssen, in dem wir in einem ersten Schritt überhaupt realisieren, dass wir unrealistische Erwartungen an uns selber haben. 

Lösen wir uns gemeinsam vom Bild der fürsorglichen, verantwortlichen, sich aufopfernden Mutter.  Kehren wir uns von der sinnbildlichen perfekten Mutter ab: Dieses Demeter-Bio-Max Havelaar-Rüebli, das sie uns stets unerreichbar vor die Nase hält – an dem soll sie selber nagen.

Und wir erobern uns unsere Zeit und die Energie zurück, für alles, was vielleicht nicht perfekt, aber dafür wirklich wichtig ist.

Hier könnt ihr euch meinen TedX-Talk als Video (Englisch) anschauen:

Autorin

Andrea Jansen hat 2016 Any Working Mom gegründet und lange als CEO geführt. Bei mal ehrlich ist sie für Strategie und Business Development verantwortlich. Sie reist gerne durch das Leben und um die Welt, versucht, weniger zu micromanagen und mehr zu schlafen. Sie ist Unternehmerin, Stiftungsrätin, Journalistin und Mutter von drei Kindern. Seit mindestens drei Jahren will sie ihre Website updaten und kommt nicht dazu – bis dahin findet man sie auf Insta als jansenontour.

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 17. November 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Any Working Mom existierte von 2016 bis 2024. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.


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13 Antworten

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  1. Avatar von Daniela
    Daniela

    – DANKE – 🙂 lieber ächt, aus perfekt 🙂

  2. Avatar von Sara
    Sara

    Wow! I like!!

  3. Avatar von Sandra
    Sandra

    Auch ich wünsche mir mehr gleich Berechtigung. Das ich nich nicht immer und alles organisieren und im griff haben muss. Auch ich würde gern meine Koffer packen und sagen mal schauen wo hin es geht. Aber sind wir mal ehrlich für viele ist das finanzielle gar nicht möglich. Mein Mann könnte nur Teilzeit arbeiten. Aber da ich viel weniger verdiene, könnten wir unser leben so nicht leben und müssten sehr kleine Brötchen backen. Auch eine Auszeit verschlingt sehr viel Geld. Und nicht jeder hat die Möglichkeit vom Ausland weiter zu arbeiten. Ich weiss viele sagen jetzt Geld ist nicht wichtig. Ich finde es ist sehr wichtig denn ohne Geld geht heute gar nichts mehr. Ich finde eure Texte toll und beneide Euch was ich macht und könnt. Ich glaube aber das es für viele normal Bürger nich umzusetzen ist.

    1. Avatar von Andrea Jansen
      Andrea Jansen

      Liebe Sandra, Dein Kommentar bezieht sich – wenn ich das richtig verstehe – nicht auf diesen Beitrag, sondern auf unsere ganze Plattform. Du hast recht, nicht alle haben die gleichen Möglichkeiten. Das ist zeitweise auch unfair, und sollte anders sein. Wir setzen uns hier speziell an einer Front ein: Der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Das kostet nichts – für Dich.

      Für uns kostet es Zeit, Energie und sehr viel Herzblut. Ich werde hier nicht bestreiten, dass es Any Working Mom nicht gäbe, wenn ich selber finanziell nicht in einer Situation wäre, die es mir anfänglich ermöglicht hat, meine Zeit und auch viel Geld in diese Plattform zu investieren. Gleichzeitig versuchen wir hier aber auch Menschen eine Stimme zu geben, oder stellvertretend für sie zu sprechen, die dieses Privileg eben nicht haben. Wir möchten niemandem sagen, wie er oder sie ihr Leben zu Leben haben – im Gegenteil. Sondern ermutigen, das eigene Leben so zu Leben, wie es für einen selber passt.

  4. Avatar von Romy
    Romy

    Danke für diese treffsicheren, ehrlichen Worte. Ich unterschreibe alles. Ich wünsche mir jedoch noch ein paar Männerstimmen mehr. Denn ich finde, dies ist nicht nur ein Kampf von Frauen und Müttern. Genauso, wie es zum Kinder kriegen zwei Parteien braucht, benötigt es auch zwei Parteien, Kinder zu haben. Es sollte normal werden, dass sich nicht nur die Frau Gedanken macht, wie sich ihr Leben durch eine Geburt verändern wird. Sondern beide. Ich nehme nicht an, dass je ein Anyworkingmom-Partner zu seiner Mutter gesagt hat, “Mami, ich kriege das dann im Fall alles unter einen Hut!” Aber ich hoffe ganz fest, dass unsere Anyworkingmom-Söhne ein realistisches Zukunftsbild von sich als praktizierende Väter haben!
    Zum ersten Mal aufgefallen ist mir das bei den Mal-ehrlich-Videos. Björn Hering erzählt, wie froh er ist, eine Haushalthilfe zu haben, damit er kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn er arbeitet. Seine Frau ist dann nicht mit allem alleine (sinngemässes Zitat). Meiner Meinung nach ist genau das der Punkt. Auch die Männer müssen sich verantwortlich fühlen. Nicht nur wir. Es muss selbstverständlich werden, dass der Wocheneinkauf, die Menüliste, das Kochen, die Wäsche… Winterkleider aussortieren… sämtliche täglichen To-Do’s (plus noch die Kids und die Arbeit und…), die Herausforderungen von beiden sind. Ich verstehe jedoch bestens, wenn es einem Mann ablöscht, mit Portraits von Hausmänner konfrontiert zu werden, die wickeln, den Kochlöffel schwingen und zu Musik staubsaugen. Genau dieses Image wollen wir Frauen ja auch nicht. Aber deshalb braucht es Männer, die auch Gleichberechtigung anstreben. Alleine geht es nicht. Wir sind darauf angewiesen, dass wir von unseren Männern unterstützt werden!
    Ich würde zum Beispiel echt gerne ein Video von Steffi Buchlis Mann sehen. Ich würde gerne hören, wie er sagt: Hey Leute, Steffi ist meine absolute Traumfrau. In ihrem Job ist sie voll und ganz in ihrem Element. Dann ist sie glücklich. Und mir ist enorm wichtig, dass sie das weiterhin sein kann. Damit sie das ist, mache ich hier und hier Abstriche, so wie Steffi dort und dort reduziert/pausiert/stagniert… whatever.
    Solche Statements würde ich mir wünschen. Weil das ist eine respektvolle Haltung und eine Diskussion auf Augenhöhe. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass ein solches Männerbild etwas Anbiederndes hat.

    1. Avatar von Andi
      Andi

      @Romy: Dazu noch einmal meine Sicht als Vater: Nach meiner Erfahrung möchten viele Mütter erst mal Zeit mit den Kindern verbringen und ihr Arbeitspensum massiv zurückfahren. Sie erwarten gleichzeitig, dass die finanzielle Versorgung durch den Mann sichergestellt wird. Ich kenne wenige Frauen, die bereit wären, die finanzielle Hauptverantwortung für die Familie zu übernehmen. Nicht einmal, wenn sie deutlich besser verdienen als ihr Partner. Und das Ideal, dass beide teilzeit arbeiten, wird zwar in solchen Blogs immer wieder beschworen, findet in der Realität aber kaum statt.
      Meiner Meinung nach ist die Arbeitsteilung eines Paares, auch wenn es einem “traditionellen” Modell entspricht, in der Regel beidseitig so gewollt und auf Augenhöhe ausgehandelt. Und zu dieser Arbeitsteilung gehört auch, dass die Mutter zu Hause mehr übernimmt, an Arbeit und an Mental Load. Und das ist doch nicht eine Frage von ein paar Wochen Vaterschaftsurlaub, sondern durchaus bewusst so gewählt.
      Entsprechend wundere ich mich, dass so viel über die faulen Väter gesprochen wird, die zu Hause so wenig leisten, und so wenig über die Mütter, die sich grösstenteils aus der finanziellen Verantwortung für die Familienversorgung verabschieden (dass viele dann Jobs annehmen, die viel Arbeit aber wenig Geld bedeuten, aber halt “sinnstiftend” sind, kommt noch dazu). Sind ja letztlich zwei Seiten der gleichen Medaille.
      Zuletzt zeigen alle Statistiken, dass die Männer immer mehr Stunden zu Hause aufwenden, zusätzlich zu ihrem vollen Arbeitspensum. Dass aber auch die Mütter immer mehr Stunden für Betreuung einsetzen. Seltsam. Vielleicht wären da Abstriche doch möglich?

  5. Avatar von Julia Lüscher
    Julia Lüscher

    Word, Love & Thank you, sister! Für mehr reicht die Zeit & Energie grad nicht, weil ich (SSW 39) auf das 2. Baby wartend einen Teller Fertigravioli vor mir stehen hab, einen vollen Waschkorb und ein Kind bei den Grosseltern, das eventuell jederzeit einen Vermissungsanfall haben könnte und ich doch nicht den ganzen Nachmittag Schlaf nach- und vorholen kann.

    1. Avatar von Andrea Jansen
      Andrea Jansen

      Mhmmmmm…Fertigravioli!

  6. Avatar von Tabita
    Tabita

    Danke für diesen wunderbaren Text. Du schreibst einfach sooo gut, es ist unterhaltsam und lustig, aber vor allem werden meine Gefühle mal verbalisiert, denn es geht mir einfach genau so. Danke für deine Arbeit.

  7. Avatar von Lea
    Lea

    Genau so. Aber es braucht so viel Mut. Das veraltete Bild der perfekten Mutter, das schon mit der frühen Sozialisierung all inclusive und frei haus geliefert wird, sitzt tief. Aber es ist möglich!

    1. Avatar von Andrea Jansen
      Andrea Jansen

      Schön, dass Du das auch glaubst. Wir bleiben dran. Danke für’s Mitbleiben.

  8. Avatar von Andi
    Andi

    “Ich bin überzeugt, dass wir alle bei uns selber anfangen müssen, wenn wir umdenken wollen. Das wir dieses Umdenken aktiv angehen müssen, in dem wir in einem ersten Schritt überhaupt realisieren, dass wir unrealistische Erwartungen an uns selber haben.”
    Sehr gut. Ich frage mich nur, warum denn die Argumentation so stark auf das Umfeld und die Rahmenbedingungen abzielt. Niemand hindert eine Frau, eine Mutter daran, genau so zu leben und zu handeln. Und wo nötig auch mit dem Partner entsprechende Absprachen zu treffen.
    “Aber, Moment mal: Wo sind eigentlich die Väter?” Vielleicht schon lange im angestrebten Zustand, auch mit weniger als perfekt gut leben zu können?
    Ach ja, das mit dem automatisch “Chief of Baby” hat vermutlich wenig mit fehlendem Wissen und Vaterschaftsurlaub zu tun – den Umgang mit dem Baby lernt der Vater ja schnell, wenn er will. Aber anschliessend nehmen halt beide Eltern gerne wieder ihre traditionellen Rollen ein, was ja auch für die meisten Paare offensichtlich so stimmt. Auch wenn es für Väter und Mütter heute angesagt ist, etwas anderes zu behaupten.

  9. Avatar von Petra
    Petra

    Eine super Rede, danke für die Worte und Ehrlichkeit! Solch ehrlichen Worte hört man eigentlich nie, sodass man eher denkt bin eigentlich nur ich am Anschlag, wie schaffen es alle andern alles unter einen Hut zu bringen. Ich schaffe es immer mehr mir einzugestehen, dass das gar nicht geht. Alles unter einen Hut zu bringen geschweige denn alles perfekt unter einen Hut zu bringen.
    Ich arbeite 70%, mein Mann 90%, 1 Wochentag Krippe (ich bringe/hole, da er Job-Mässig um 5 anfängt und um 7 erst fertig ist, wenn die Krippe noch bzw. schon wieder zu ist), 2 Papitage, 3 Mamitage und 1 gemeinsamer Tag. Die Kopfarbeit zu Hause liegt praktisch nur an mir, ob ich will oder nicht. Häufig sind schon Worte gefallen wie “ich helfe dir schon”, “ich unterstütze dich”, “sag mir was ich machen soll” und dann aber “gib mir nicht immer Aufträge”.
    Es braucht von beiden viel, dass eine Gleichberechtigung von Mann und Frau gelebt werden kann. Das klassische Rollenverhältnis ist meist noch sehr fest verankert.
    Von der perfekten Mutter und auch dem perfekten Vater haben wir uns verabschiedet, spätestens seit dem 2. Kind 😉 Wir versuchens auf unsere Art so gut wie möglich zu machen und dass es für uns als Familie stimmt.