Gibt es eigentlich noch Abenteuer?
Abenteuer war immer das, was nicht geklappt hat. Wird es die in einer Welt, wo die Lösung nur einen “Tap” weit weg ist, überhaupt noch geben? Gibt es noch etwas zu entdecken, das noch keinen #Hashtag kennt?
Er hat’s getan. Ist mit zwanzig losgezogen, mit 200 Franken in der Tasche, und mit einem Frachter nach Asien gefahren. Damals, als man die Reise auf dem Containerschiff noch nicht per Klick buchen konnte, sondern an einem Hafen mit Matrosen anbandelte.
Er konnte fast kein Englisch, aber egal, das konnte damals in Laos auch noch keiner. Peter, er war einer der ersten, er hat sich getraut. Die Bibel der Abenteurer, den “Lonely Planet”, gab es erst vier Jahre später – er entdeckte seine Welt auf eigene Faust. Sah vieles nicht, weil er nicht davon erfuhr, sah anderes, weil er die Zeit dafür hatte.
Alle paar Monate eine Postkarte an die Eltern, wie es ihm dazwischen erging – sie konnten es nur ahnen.
Caipirinha in den Adern und Milch auf der Haut
Mit zwanzig zog auch ich los. Brasilien, mit dem Rucksack, dem “Rough Guide” und Durchfalltabletten im Gepäck. Wir hangelten uns von Backpackerhostel zum nächsten, tauschten die ewig gleichen Floskeln aus “where are you from?” und übertrumpften uns mit Monaten: “How long are you traveling for?”.
Die Jagd nach der billigsten Unterkunft, der besten Moqueca de Camarao, dem stärksten Caipirinha – der unterschwellige Wettkampf der Backpacker aus aller Welt, die alle so unglaublich individualistisch und abenteuerlustig sein wollten, um sich dann des Gemeinschaftsgefühl wegens in einem Hinterhof tätowieren zu lassen.
Auf meinem linken Knöchel prangt heute noch ein chinesisches Schriftzeichen, frei übersetzt: “Ich trinke gerne Milch”. Aber das wusste ich selbstverständlich erst Jahre später.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Generation «Lonely Planet»
Die einsamen Orte, sie waren schon damals selten. Ein Schlüsselerlebnis: Ein Trek durch einen dichten Wald, an seinem Ende der damals für mich schönste Strand der Welt: Prainha, Itacaré – ich traue mich nicht, ihn heute zu googeln.
Versteckte Buchten, Unterkünfte abseits der Wege, sie waren das Gold und der Stolz der Lonely-Planet-Jünger. In Internetcafés schrieben wir kurze E-Mails nach Hause, brannten wir unsere Fotos auf CD Roms, die wir dann mit einem Stossgebet auf den Weg nach Hause schickten. Wir sind die letzte Generation, die so gereist ist.
Und heute?
Beinahe zwanzig Jahre später, ich reise noch immer. Langsamer, sicherer. Mit Familie steigt man nicht mehr in Busse, die mit 60 km/h in Nadelöhrkurven rasen.
Mit den Angehörigen kann man den Standort dank Google Maps jederzeit teilen. Apps übersetzen Schriftzeichen, bestellen Essen, Taxis, lassen mich wissen, wo sich der nächste Spielplatz befindet. Dass man um vier Uhr morgens in einer chinesischen Geisterstadt vor einer zugemauerten Spelunke steht, wo früher ein gepriesenes Guesthouse stand – heute unwahrscheinlich. Dass man danach in einem Stundenhotel landet, weil man die Schrift nicht entziffern kann, auch. Ist mir aber vor nicht mal 10 Jahren alles passiert.
Aber Abenteuer war immer das, was nicht geklappt hat. Wenn es schwierig wurde.
Wird es die in einer Welt, wo die Lösung nur einen “Tap” weit weg ist, überhaupt noch geben?
Gibt es noch etwas zu entdecken, das noch keinen #Hashtag kennt?
Der “Lonely» Planet – ist er Geschichte?
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Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 10. Februar 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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