Der Sohn sieht grün
Der Spielverderber unter den Toppings oder eine Anleitung für Gastronomen, wie man die kleinen Gäste so richtig hässig macht.
Gut, dass wir reserviert hatten. Die Bergbeiz füllte sich schnell und wir brachten ungeduldige, hungrige Gäste mit: Drei Kinder unter fünf.
Schnell war da ein Kindermenü zum Ausmalen. Kollektives Ausatmen bei den Eltern. Phew, alles gut. Ich freue mich grundsätzlich ja immer, wenn’s im Restaurant ein Kindermenü gibt. Wenn da drauf noch etwas anderes als Fischstäbli und TK-Chicken Nuggets zu finden sind, noch besser.
Es gibt mir das Gefühl, dass wir hier mit Kindern willkommen sind, dass vom Hochstuhl nicht erst eine drei-Zentimeter-dicke Staubschicht weggewischt werden muss, dass ich davon ausgehen kann, dass man hier Kinder gewohnt ist.
Nicht, dass ich dann auch tatsächlich das Mini-Kalbsschnitzeli mit der gedämpften Gemüsebeilage bestellen würde. Ich bin ja gegen Food Waste, und genau dieses Schicksal würde das Schnitzel und die sorgfältig gerüsteten Bluemechölichöpfli ereilen – je nach Tagesform des Nachwuchses, man weiss es ja nie so genau.
Aber auf Diskussionen und dreiste Bestechungsversuche, die Leitwolf Jesper Juul laut aufheulen lassen würden oder irgendwelche „Gemüse-versteck“-Aktionen lasse ich mich im öffentlichen Raum partout nicht ein.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Deshalb bestellten wir auch diesmal – Pragmatismus olé – die Leibspeise der zwei zugegebenermassen unvorbildlich und unausgewogen ernährten Foodbanausen: Pasta ohni Nüt.
Teigwaren (wenn’s geht Penne, weil mit Spaghetti wird die Sauerei noch grösser – das nur zur Info, liebe Restaurantbesitzer) mit Butter, gerne etwas Reibkäse separat. Farblos, relativ geschmacklos, und vor allem: keine Steilvorlage zum Trotzanfall.
Und so sassen wir da, eines wunderschönen Wintertages im Januar, der sich anfühlte wie einer im April, draussen in dieser Bergbeiz und warteten. Und warteten. Und händigten den Kindern die iPhones aus, um nach 45 Minuten und mit nicht abwendbarem Sonnenbrand im Elternnacken wenigstens noch weitere zehn die Ruhe zu wahren.
Und dann, endlich, die Kellnerin, die sich mit grossen Tabletts und Entschuldigungen murmelnd durch die Menge schob, an unserem Tisch: „Eimal de Chindertäller!“ verkündete sie und hob die Servierglocke. Die Mundwinkel vom Sohn fingen an zu zittern.
Schnittlauch. Klein geschnittener, gestreuter Schnittlauch. Pasta nicht ohni Nüt sondern mit grünen Masern. Oder aus der Sicht des Sohnes: Schnittlauch – der Spielverderber unter den Toppings.
Was zum Chrütli habt ihr euch dabei gedacht!?
Ein kleiner Gruss von mir in die Küche, in alle Küchen: Auf einen Kinderteller müssen keine Kräuter. Und wenn ihr es nicht lassen könnt, dann bitte in Deko-Form, an einem Stück, gabeltauglich. Damit die Pasta nicht unberührt im Kübel landen würde, fischte ich an besagtem Tag zwanzig Minuten lang mit spitzen Fingern 3mm-breite Schnittlauchringli aus der Butterpasta.
Weil der Sohn grün sah. Und ich rot.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 1. September 2017 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
Dieser Text ist ebenfalls als Kolumne im digitalen Food Magazin für Eltern «Kids am Tisch» erschienen
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