Bin ich erfolgreich?
Wann hat frau Erfolg? Wenn sie als erfolgreich bezeichnet wird? Wenn das Bankkonto voll ist? Wenn sie Vereinbarkeit schafft? Eine persönliche Antwort.
Als ich vor ein paar Wochen vom jungen Berner Verein Ellepreneur angefragt wurde, ein Inspirationsreferat im Impact Hub Bern zu halten zum Thema „Erfolg“, war meine Reaktion typisch weiblich: „Aber ich bin doch eigentlich gar keine erfolgreiche Unternehmerin“ war meine Antwort. Furchtbar. Ich könnte mich ohrfeigen (tröste mich aber damit, dass sogar Über-Frau Sheryl Sandberg solche Imposter-Gefühle hegt).
Obwohl der Erfolg als erstrebenswert gilt, obwohl wir ihn eigentlich alle wollen, insgeheim, haftet ihm doch sofort etwas Negatives an. Er stinkt ein bisschen. Wer zugibt, erfolgreich zu sein, ist ein Aufschneider. Wer sein Licht unter den Scheffel stellt, normalerweise ein Schweizer. Erfolg können wir nur akzeptieren, wenn er uns von anderen attestiert wird. Oder wir so viel Geld verdienen, dass wir ihn nicht verleugnen können.
Ich hielt das Referat. Ich erzählte den ungefähr 20 interessierten Zuhörerinnen nicht, worauf mein Erfolg beruht, sondern wie ich selber gelernt habe, ihn für mich zu definieren.
Ist frau erfolgreich? Oder einfach nur geltungssüchtig?
Ich begann mit meinem ersten Praktikum beim Berner Schlittschuhclub SCB, wo ich als 22jährige Blondine in der Funktion der Medienverantwortlichen in die Garderobe geschickt wurde, um dort zwischen nackten Füdlibacken und viel Schweiss die richtigen Spieler für Medienanfragen herauszupicken. Mein Misserfolg: Die Ziegler-Zwillinge sahen blutt noch gleicher aus. Mein Erfolg: Nach sechs Wochen auf schwarzem Glatteis begannen auch sie, mich ernst zu nehmen. Eine Erfahrung, von der ich noch heute profitiere.
Ich erzählte vom Anfang meiner Fernsehkarriere, wie ich das Casting für „Joya rennt“ gewann, und danach alles ganz schnell ging, „Music Star“ und „Bauer, ledig, sucht“ und „einfachLuxuriös“, wie ich Moderatorin geworden war, eine erfolgreiche, bekannte, aber dass sich auch das hierzulande nicht unbedingt auf dem Bankkonto widerspiegelt. Ist frau dann erfolgreich? Oder einfach nur geltungssüchtig?
Ich durfte mein grösstes Hobby zum Beruf machen, reiste für „SF Unterwegs“ um die ganze Welt – 10 Tage, 15 Stunden Arbeit jeden Tag, manchmal schlief ich nach meiner Rückkehr dann ebenfalls 15 am Stück. Ich verpasste Geburtstage, Geburten, Hochzeiten. Irgendwann meine eigene. Ich sass im Zug und mein Gegenüber las den Blick, mein Gesicht gross auf der Titelseite. Erfolg fühlt sich definitiv anders an.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Abschied nehmen heisst nicht aufgeben
Ich bin seit 11 Jahren selbständig, vor sieben Jahren gründete ich meine eigene GmbH, die mir bis heute als Dach für all meine Projekte dient. In einige habe ich aktiv investiert und mich eingebracht, ins REPORTAGEN – Magazin beispielsweise. Ein paar Jahre später in die People-Agentur Andreas & Conrad, an der ich heute noch beteiligt bin. Startups, in die ich auch viel Zeit gesteckt habe und irgendwann nicht mehr, weil ich die Verpflichtungen und meine Familie für mich nicht mehr befriedigend vereinbaren konnte.
Das nur einige Beispiele. Der Erfolg dabei? Für mich der Mut, Abschied zu nehmen: von der Investition, aber auch vom Projekt und der engen Zusammenarbeit mit interessanten Menschen. Und natürlich das gute Gefühl, etwas geschaffen zu haben, das auch ohne mich weiterlebt.
Seit Mai 2016 stecke ich viel Herzblut in mein neuestes Projekt, den Elternblog Any Working Mom, von Anfang nicht als Hobby konzipiert. Er läuft sehr gut, finanziell wirft er noch wenig ab.
Trotzdem: Ich erhalte Feedback. Vor kurzem hat mich eine Frau angesprochen und gemeint, ich schriebe ihr aus dem Herzen. Sie fühle sich endlich verstanden. Und ich fühlte mich daraufhin wunderbar.
Ich habe noch kein Projekt so erfolgreich umgesetzt, dass ich daraus hunderttausende oder sogar Millionen von Franken Profit geschlagen hätte – dieses Bild, das man oft mit erfolgreichen Unternehmern verbindet, das aber natürlich auch in Silicon Valley die Ausnahme ist.
Vielleicht wird das noch, realistischerweise nicht. Nicht jeder kann das Post-it erfinden – oft liegt der wahre Erfolg in der Befriedigung, genau das zu tun, was man will, und das mit Überzeugung.
So definiert, bin ich wohl seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Danke für die Einladung, die mich gezwungen hat, darüber nachzudenken.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 15. Dezember 2016 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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