Ade Mütter-Bashing, olé Sisterhood!
Wieso machen sich Mütter gegenseitig runter, statt sich zu stützen? Und wie verhalten sich die Männer? Mara Ittig über unnötige Kommentare und aufreibende Kämpfe.
Dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, gilt wohl nur für die Rabenvögel. Unter Frauen aber wird gerne beurteilt und verurteilt – ganz besonders unter Müttern. Wer macht es besser, wer macht es richtig, wer macht es falsch? Typisches Mütter-Bashing.
Dabei könnten wir mehr Solidarität und Sisterhood ganz gut brauchen.
Als anlässlich des Frauenstreiks im vergangenen Juni tausende Frauen auf die Strasse gingen, wischte ich mir inmitten dieser wunderbar bunten Schar verstohlen ein paar Tränen aus den Augen. Die Welle der Solidarität berührte mich tief. Was für ein grossartiges Gefühl, zu sehen, dass so viele Frauen gemeinsam für eine Sache unterwegs sind: laut, leise, kreativ, lustig, frech, verkleidet, mit Kindern oder ohne.
Heulen könnte ich manchmal auch wegen der Antipodin der weiblichen Solidarität. Aber nicht vor Freude.
Stutenbissigkeit geht mir total auf den Sack.
So richtig fällt mir das Phänomen des weiblichen «sich nichts schenken wollen“ erst auf, seit ich Mutter bin. Die ungefragten Kommentare, wenn man mit einem schreienden Baby oder mit herumturnenden Kindern im öffentlichen Verkehr unterwegs ist, kommen meiner Erfahrung nach in nahezu allen Fällen von anderen Frauen.
Auch die Kommentare in Mütterrunden können bisweilen ganz schön perfid sein: «Stillt sie immer noch? Das Kind hat doch schon Zähne, oder?» – «Ah, sie arbeitet schon wieder? 80 Prozent? Tja, das muss ja jede selber wissen…“
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Und nun ein Klassiker des Mütter-Bashings:
„Schau, diese Kinder machen gerade etwas sehr Verbotenes: Sie gehen zu zweit aufs Trampolin.“
Meine Lieblingsform mütterlicher Kritik. Man adressiert sie nicht direkt, sondern spricht einfach in ausreichender Lautstärke mit den eigenen Kindern und stellt so sicher, dass es die andere Mutter garantiert mitbekommt.
Man könnte statt zu kritisieren auch reflektieren. Und sagen: «Cool, dass sie einen Job hat, der ihr so viel Spass macht, dass sie weiterhin trotz Spagat voll dabei bleibt.» Oder: «Wie schön, dass sie nach zwei Jahren immer noch stillen mag.»
Die vielen Kommentare, die als frische und auch als gestandene Mutter auf einen einprasseln: Wieso kommen sie meistens von Frauen? Wieso dieses Mütter-Bashing? Und wieso sind es oft Frauen, die selber auch Mutter sind, aber einfach schon aus dem Gröbsten raus?
Gerade sie müssten es doch besser wissen.
Haben sie wirklich vergessen, dass es ohnehin schon ein Spiessrutenlauf ist, mit einem brüllenden Kleinkind um die Migrosregale herumzukurven — auch ohne Kommentare oder Tipps wie „Laufen Sie ihm einfach davon – dann hört er schon auf zu täubelen“?
Noch nie hat mir ein Mann erklärt, was ich mit meinem Kind falsch mache.
Oder dass ich imfall wirklich nicht meinen müsse, ich könne nach dem Mutterschaftsurlaub einfach ankommen und nur noch Teilzeit arbeiten.
Ich habe lange überlegt, ob mir nicht wenigstens ein Beispiel einfällt, in dem sich ein Mann in dieser Art geäussert hat. Aber tatsächlich: Nichts!
Wie kommt’s? Sonst erklären mir Männer doch auch ganz gerne ungefragt die Welt: Im Fitnessstudio, bei der Arbeit, beim Warten auf den Lift (als Frau kann man offenbar sogar den Liftknopf falsch drücken).
Aber: Männer sind zurückhaltend mit Wortmeldungen, wenn es um meine Rolle als Mutter geht. Fühlen sie sich zu wenig kompetent, um einer Frau Tipps zu Kindern und Erziehung zu geben? Handelt es sich dabei um ein Gebiet, in dem sie sich gar nicht hervortun wollen? Interessiert es sie schlicht nicht, was andere Eltern so machen, solange es bei ihnen selber rund läuft?
Was mich jedoch mehr beschäftigt als das (Nicht-)Verhalten der Männer: Wieso urteilen Frauen über Geschlechtsgenossinnen so erbarmungslos?
Weshalb immer dieses Mütter-Bashing?
Nur weil es eine andere Mutter anders macht, heisst das ja nicht, dass sie es falsch macht — oder ich. Wir machen es einfach anders.
Frauen definieren sich häufig immer noch viel stärker über ihre Mutterrolle als Männer das als Väter tun. Und fühlen sich in ihrer Identität deswegen wohl auch eher angegriffen, wenn jemand etwas im Umgang mit den Kindern anders macht. Weil damit offenbar implizit die eigene Herangehensweise hinterfragt wird.
Beim Elternsein gibt es nun mal kein Richtig oder Falsch.
Darum orientieren wir uns immer auch an dem, was andere tun. Es gibt uns Sicherheit, wenn wir sehen, dass andere Mütter und Väter gewisse Dinge gleich handhaben wie wir.
Und es verunsichert, wenn jemand etwas nicht so macht, wie wir es für richtig halten. Weil das ja auch heissen könnte, dass wir es falsch machen. Aber das heisst es nicht.
Weil Erziehung keine Ampel ist, bei der alles falsch ist, ausser bei Grün zu gehen.
Denn ist es nicht auch so, dass ich gar nicht anders erziehen kann, als ich als Mensch halt bin? Sprich: Eine Perfektionistin wird ihre Kinder naturgemäss anders erziehen als eine Chaotin. Und eine temperamentvolle Frau anders als eine stille und zurückhaltende Mutter.
Wie oft habe ich mir schon gewünscht, ich könnte meine Kinder mit viel Struktur und eingespielten Abläufen durch den Tag begleiten? Würde das nicht vieles vereinfachen? Irgendwann musste ich einsehen, dass das einfach nicht meine Art ist. Ich bin eine spontane Person, die auch für sich selber wenig Strukturen und Abläufe hat, sondern die Dinge nimmt, wie sie gerade kommen.
Es war ein aufreibender Kampf, mich selbst zu einer strukturierten Mutter mit klaren Regeln erziehen zu wollen – und eine echte Befreiung, dieses Ziel irgendwann loszulassen. Weil ich einfach nicht so bin.
Dass wir so unterschiedlich sind und es kaum eindeutige Regeln gibt, macht das Elternsein zwar anspruchsvoll, aber doch auch spannend.
Wie langweilig wäre es, wenn wir alle unsere Kinder gleich erziehen würden?
Und wie unrealistisch.
Wäre es nicht an der Zeit, aufzuhören, über andere Mütter zu richten, wenn sie sich nicht an unsere eigenen Erziehungsregeln halten und einen anderen Stil im Umgang mit ihren Kindern pflegen?
Seien wir doch etwas netter zueinander und gestehen uns gegenseitig zu, dass jede Person ihren eigenen Weg hat, ihre Kinder zu erziehen. Sie tut es ganz bestimmt nach bestem Wissen und Gewissen. Wir haben es ja gezeigt am 14. Juni: Wir können das mit der Solidarität und Sisterhood eigentlich wirklich gut.
Was habt Ihr für Erfahrungen zum Thema «Mütter-Bashing» und «Sisterhood Solidarität»? Zum Kommentieren bitte ganz nach unten scrollen.
Autorin
Weitere Texte von Mara: In «Dino oder Rüschen – und nix dazwischen» schreibt sie über Geschlechterbilder und in «Weniger Streit, mehr Verständnis? Tauscht die Rollen!» verrät sie uns ihr Fazit nach einem temporären Rollentausch mit ihrem Mann.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 22. September 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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