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Blasenschwäche: So kannst du vorbeugen oder behandeln

Scham, Unwissen, Resignation. Es gibt viele Gründe, warum Frauen mit Blasenproblemen keine Hilfe suchen. Dabei ist Inkontinenz gut behandelbar. Tipps von der Expertin.

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toitoi Toilette an einem Strand - Blasenschwäche ist für viele Menschen ein Problem, und ein Tabuthema

Die Schweizerische Gesellschaft für Blasenschwäche geht davon aus, dass in der Schweiz mehr als eine halbe Million Menschen vom Thema Blasenschwäche betroffen sind. Viele der Betroffenen sind Frauen, genauer gesagt Mütter.

Daniela Silberstein ist selbst Mutter von Zwillingen und weiss, was es bedeutet, wenn der Körper nach der Geburt plötzlich anders ist. Ihr wurde eine 17 Zentimeter breite Rektusdiastase diagnostiziert und zur Operation geraten.

Doch Daniela ging einen anderen Weg. Als Sportlerin arbeitete sie sich tief ins Thema ein, liess sich zum Postpartum Athleticism Coach ausbilden und hat es sich heute zur Aufgabe gemacht, Frauen dabei zu helfen, sich nach Schwangerschaften wieder wohl in ihren Körpern zu fühlen.

Daniela, du hast selbst erlebt, wie viel Fehlinformation über Blasenschwäche und Inkontinenz im Umlauf ist? Was findest du dabei am gefährlichsten?

Inkontinenz und Blasenschwäche werden oft mit Beckenbodenschwäche gleichgesetzt. Oft liegt diese aber gar nicht vor. Häufiger handelt es sich um eine Hypertonie des Beckenbodens, also dass man die Fähigkeit verloren hat, den Beckenboden richtig zu entspannen.

Wenn konstante Spannung im Beckenboden herrscht und dann zusätzliche Belastung dazukommt – wie zum Beispiel beim Husten, Niesen oder auch Laufen, dann kann der Beckenboden keine zusätzliche Spannung mehr aufbauen, um dieser akuten Belastung zu begegnen. 

Stell dir dazu einmal vor, du würdest deinen Bizeps anspannen und angespannt halten. Und dann gebe ich dir ein Gewicht, dass du mit dem Bizeps anheben sollst. Das geht ja nicht. Es geht also nicht immer darum, den Beckenboden zu stärken, sondern darum, dass unser ganzes Rumpfsystem ganzheitlich zusammenspielt.

Kannst du das genauer erklären?

Der Beckenboden ist die muskuläre Basis des Rumpfes – die oft vergessene Rumpfmuskulatur. Er ist der Boden des Rumpfes und kontrolliert die Kontinenz der Harnröhre, das Perineum und die vaginale Öffnung und bietet eine strukturelle Unterstützung für die Beckenorgane. Er ist der letzte Verschluss des Körpers, ohne ihn würden unsere Organe herausfallen.

Unter dem Rippenbogen liegt das Zwerchfell und rundherum liegt die Rumpfmuskulatur, welche die inneren Organe zusammenhält. Normalerweise bewegt sich dieses System mit der Einatmung nach unten und mit der Ausatmung nach oben. Diese Koordination ist manchmal aber auch gestört. 

Inkontinenz ist das Feedback des Körpers, dass im Rumpfsystem etwas nicht so funktioniert, wie wir es eigentlich bräuchten.

Eine Schwangerschaft oder auch Geburtsverletzungen können diese Symptome verstärken, aber es gibt auch ganz andere Faktoren, wie beispielsweise chronische Verstopfung, ungünstige Atemmuster oder einfach eine falsche Körperhaltung. Meistens sind das aber eben nur die Auslöser – nicht die Ursachen. Es ist dann nur der letzte Tropfen, der das Fass, ein bereits gestresstes System, zum Überlaufen bringt. 

Was rätst du Frauen, die während der Schwangerschaft das erste Mal mit Inkontinenz konfrontiert sind?

Eine Schwangerschaft zeigt uns unsere anatomischen Schwachstellen im Rumpfsystem auf. So kann es sein, dass Probleme wie Inkontinenz das erste Mal in der Schwangerschaft auftreten, weil wir eben noch zusätzlichen Druck in ein bereits gestresstes System geben. 

Leider gibt es aber keinen Quick-Fix, von dieser Idee müssen wir uns verabschieden. Wir sollten stattdessen individuell anschauen, wie die Atmung die Leistung des Beckenbodens und des Rumpfsystems beeinflusst und ob die Atemmuster beispielsweise den Druck direkt in die Rektusscheide leiten oder eben in den Beckenboden. 

Kooperation

Hilfe bei Blasenschwäche

Frau in Unterhosen, mit Baby im Arm, fasst sich an den Bauch - Blasenschwäche ist für viele Frauen ein Problem

Eine schwache Blase mit unfreiwilligem Urinverlust kann jede treffen, auch junge Frauen und Mütter.
Rund 40% aller Betroffenen mit einer Harninkontinenz suchen keine medizinische Hilfe. Grund dafür ist vor allem Scham.
Was viele nicht wissen: Blasenschwäche ist gut behandelbar. Die Schweizerische Gesellschaft für Blasenschwäche leistet wertvolle Arbeit in der Aufklärung und Begleitung von Betroffenen. Auch finden regelmässig Informationsveranstaltungen zum Thema statt.

Kann man präventiv in der Schwangerschaft etwas machen, damit es nicht zu Inkontinenz kommt?

Auf jeden Fall. Ich rate allen Schwangeren, ganz bewusst Stress zu reduzieren, dass eben nicht noch mehr Stress in ein bereits gestresstes System gebracht wird. Es lohnt sich immer, bereits in der Schwangerschaft das Bewusstsein für die Atmung zu stärken und wie sie den Druck nach unten beeinflusst.

Zudem würde ich auf alle High-Impact-Sportarten und Bewegungen verzichten. Also beispielsweise nicht mehr Joggen. Ich weiss, dass viele Frauen, die gerne Sport treiben, das nicht gerne hören. 

Und ich weiss auch, dass es einige Frauen gibt, die weiterhin normal Sport treiben und keine Probleme haben. Ich stelle mir dann aber die Frage:

Will ich während der Schwangerschaft joggen oder will ich für den Rest meines Lebens joggen?

Und dann ist es vielleicht sinnvoller, es während dieser Ausnahmephase der Schwangerschaft etwas ruhiger anzugehen. 

Wir sind während der Schwangerschaft nicht zerbrechlich, aber eben auch nicht unbesiegbar. 

Ich stelle es mir schwierig vor, wenn Joggen meine Leidenschaft ist und ich dann darauf verzichten muss.

Total. Aber genau darum geht es ja: Wenn das Joggen dann nach dem Wochenbett wegfällt, dann fehlt ein Ventil.

Ich rate deshalb Schwangeren bereits darüber nachzudenken, wie man dieses Ventil ersetzen könnte, also wie sie zum Beispiel das Gefühl von Ausgeglichenheit oder Naturverbundenheit, dass sie sonst beim Joggen haben, während der Schwangerschaft durch eine andere Aktivität erlangen können. 

Ich sehe schon: Es braucht wirklich auch hier individuellen Support.

Im besten Fall ja. Was auch toll ist, ist sich von einer Beckenbodenphysiotherapeutin begleiten zu lassen. Leider gibt es noch nicht so viele auf den Beckenboden spezialisierte Physiotherapeutinnen.

Aber wenn man die Chance und das Glück hat, dann lohnt es sich, bereits in der Schwangerschaft während einer individuellen Betreuung die eigenen Muster kennenzulernen und zum Beispiel zu erfahren, wie man den Beckenboden gezielt entspannt. Das ist dann sehr hilfreich, um Verletzungen während der Geburt vorzubeugen. 

Was ich jeder Person ganz arg ans Herz lege, ist die Rückbildung!

Dabei spielt es keine Rolle, ob man einen klassischen Rückbildungs-Kurs besucht, individuell mit einer Beckenbodenphysiotherapeutin oder einem Postpartum Athleticism Coach arbeitet. 

Muss ich in der Schwangerschaft Beckenboden-Training machen in Vorbereitung auf die Geburt?

Während der Geburt muss der Beckenboden loslassen. Der Beckenboden ist nicht verantwortlich für die Wehen, sondern es ist der Uterus, der kontrahiert. Der Beckenboden muss einfach aus dem Weg. Zu viel Spannung im Beckenboden kann eher zu langen Pressphasen und zu mehr Geburtsverletzungen führen.

Ich finde gut, während der Schwangerschaft zu trainieren, mit seinem Beckenboden in Kontakt zu kommen. Das ist für viele Frauen gar nicht so einfach, weil der Beckenboden ein Muskel ist, der nicht so viele neuronale Verbindungen zum Gehirn hat. Das heisst, wir spüren ihn nicht so gut, weil die Hirn-Muskel-Verbindung nicht so stark ist. Dabei geht es dann vor allem darum, den Beckenboden loslassen zu können. 

Spüre ich selber, ob ich einen hypertonischen Beckenboden habe oder ob ich ihn gut loslassen kann? Kann ich das irgendwie testen?

Ja, man kann zum Beispiel einen Finger vaginal einführen und schauen, ob man ihn mit der Muskulatur umarmen kann. Dasselbe könnte man mit einem Tampon machen. Wenn ich merke, ich kann da nicht wirklich viel mehr umschliessen, dann könnte der Beckenboden zu stark angespannt sein.

Weitere Anzeichen eines hypertonischen Beckenbodens können sein, dass die Frau Schwierigkeiten hat, die Blase komplett zu lehren, unter Verstopfungen oder Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder bei der Untersuchung beim Frauenarzt/der Frauenärztin leidet. 

Sag mal, sind Kaiserschnitte schonender für den Beckenboden?

Bei einer Geburt per Sectio war der Druck auf den Beckenboden während der Schwangerschaft ja auch vorhanden, ebenso alle hormonellen Veränderungen und zudem können weitere Verletzungen vom Rumpfsystem während der Sectio passieren. Die tieferliegende Bauchmuskulatur wird bei einem Kaiserschnitt verletzt, was wiederum einen Effekt aufs Rumpfsystem und den Beckenboden hat. 

Kann man neben Rückbildung noch etwas tun nach der Geburt?

Es ist wichtig zu wissen, dass man nicht alleine ist. Es geht vielen Frauen so. Zudem sollte die Scham überwunden und mit einer Fachperson darüber gesprochen werden. Denn wenn wir nicht wissen, dass die Probleme existieren, können wir nicht helfen. Die Probleme werden nicht von alleine besser. Dennoch sollte man auch nicht zu viel zu früh machen. 

Als ich sechs Wochen nach der Geburt meiner Zwillinge bei der Gynäkologin war, meinte sie, ich dürfe jetzt wieder joggen gehen. Zum Glück hatte ich das Fachwissen und wusste, dass das keine gute Idee ist – viele Frauen haben das aber nicht und starten sechs Wochen nach der Geburt wieder mit ihrem normalen Workout.

Das ist bei solchen Symptomen gravierend. Wichtig wäre eine langsame, progressive Belastung und Aufbau.

Und vermutlich sind viele Frauen froh, nach 6 Wochen das ärztliche Okay für Sport zu bekommen. Ich habe ohnehin das Gefühl, es geht oft darum, möglichst schnell den Zustand von vor der Schwangerschaft herstellen zu wollen…

Genau, dabei geht das nicht. Wir müssen verstehen, dass man immer einmal schwanger gewesen sein wird.

Die Schwangerschaft dauert neun Monate, die Postpartum-Zeit für immer.

Wir können nicht zurück. Und deshalb müssen wir nach der Geburt noch einmal einen neuen Nullzustand herstellen, von dem aus dann ausgegangen werden muss. Wenn man das akzeptiert, dann kann man vielleicht auch eher akzeptieren, jetzt eben nicht gleich joggen zu gehen.  

Macht es Sinn, mit der Rückbildung abzuwarten, bis die Familienplanung abgeschlossen ist oder sollte nach jeder Schwangerschaft Rückbildung gemacht werden?

Es macht absolut Sinn, sich nach jeder Schwangerschaft Zeit für die Rückbildung zu nehmen. Zudem lernt der Körper schnell, so auch über die Rehabilitation. Meistens wird es also nicht mit jeder Schwangerschaft schlimmer, sondern wir lernen mehr dazu.

Die Generation unserer Eltern hatte keine Vorbilder von Frauen, die nach den Geburten wieder zurück in eine körperliche Leistungsfähigkeit kamen. Heute gibt es diese Mütter, wie beispielsweise die amerikanische Tennisspielerin Serena Williams. Wir beginnen, uns an solchen Frauen ein Beispiel zu nehmen. 

Autorin

Nadja ist Autorin, Journalistin, Full Spectrum Doula und Yogalehrerin. Seit 2023 bildet sie zusammen mit ihren Kolleginnen mit Wombexpansion neue Doulas aus. Vor der Geburt ihres Sohnes 2017 war Nadja für verschiedene Magazine als Reporterin tätig. Nadja lebt mit ihrem Sohn, ihrem Mann und zwei Katern in Zürich.
Bild von Daniela Silberstein

Experte

Daniela Silberstein ist Pregnancy & Postpartum Athleticism Coach und Expertin für Training während und nach der Schwangerschaft. Sie arbeitet als Dozentin und bietet unter anderem Workshops an für Fitness- und Personal Trainer, die ihre Kundinnen während und nach der Schwangerschaft besser betreuen möchten. Daniela hat sich darauf spezialisiert, Frauen mit sportlichen Zielen durch die Schwangerschaft und die Zeit danach zu begleiten. thestrongbase.ch

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 13. Februar 2024 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Any Working Mom existierte von 2016 bis 2024. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.


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Eine Antwort

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  1. Avatar von Pudding
    Pudding

    Danke für den Beitrag! So wichtig und doch noch so unbekannt. Bin super dankbar für mein Umfeld aus Fachpersonen und Familie, das mich gebremst und zur Erholung “gezwungen” hat. Artikel wie diese liefern dann die Bestätigung und helfen, wenn alle anderen rundherum schon wieder Geschwindigkeisrekorde aufstellen und man sich wie nicht-hart-genug vorkommt. Weiter so <3