Schwanger? Gratuliere! Und willkommen in der Welt der Versager!
Sind wir schwanger, haben wir ständig das Gefühl, etwas falsch zu machen. Von überallher prasseln ungefragt Ratschläge auf uns ein. Eine Liste potenzieller Fails, Augenzwinkern inklusive.
In deinem Bauch wächst etwas heran. Wundervoll! Leider wächst nun aber auch anderes.
Klar, die Brüste, die bei vielen Schwangeren quasi gleich nach der Befruchtung durchdrehen und überproduzieren… Manche Frauen machen deswegen ja Luftsprünge. Ich nicht, weil das nämlich weh tut bei der momentanen monströsen Grösse. (Wisst ihr, wie viele schöne Bikinis es in in F-Cup – ja, fuck, F! – gibt? Vielleicht fünf, weltweit.)
Sorry für den kleinen Jammer-Einschub, ums Wachstum der Brüste geht’s hier eigentlich gar nicht, auch nicht um die übrigen Veränderungen eines Mombods.
Was wächst, ist unser schlechtes Gewissen. Sauschnell. Weil es irgendwie scheint, als ob wir plötzlich viel mehr falsch machen könnten. Weil wir ständig das Gefühl haben, uns rechtfertigen zu müssen.
Eigentlich machen wir fast alles falsch.
Ständig hören wir nun Sätze wie: «Du musst es ja selber wissen, aber…» Und erfahren dann, was man besser machen sollte. Weil nämlich jeder, der einmal ein Kind ausgetragen (Häschtäg Mommywars) oder eins rumgetragen hat oder selber mal eines gewesen ist, gerne Ratschläge gibt. Am liebsten ungefragt.
Damit ihr euch gleich drauf einstellen könnt, hier eine Liste möglicher Fails – zusammengestellt mit Unterstützung von Andrea und Beth. Und ich bin sicher, wir haben wieder was falsch gemacht und ganz viele Punkte vergessen:
Schwangerschaft
- Die Regeln ganz genau befolgen. («Sei doch bisschen lockerer. Früher gab es all diese Verbote bezüglich Käse, Fleisch etc. nicht und trotzdem kamen gesunde Babys zur Welt.»)
- Die Regeln nicht ganz genau befolgen. («Ein Glas Prosecco, wirklich? Woher weisst du so genau, dass das nicht direkt ins Babyhirn geht?»)
- Zig Vorbereitungsbücher lesen. («Verlass dich doch auf deinen Instinkt.»)
- Keine Vorbereitungsbücher lesen. («Verlässt du dich einfach auf deinen Instinkt?»)
- Das Geschlecht nicht wissen wollen. («Das verschafft dir doch mehr Stress bei der Namenssuche, Einrichtung und so.»)
- Das Geschlecht wissen wollen. («Damit nimmst du dir eine der grössten Überraschungen, die das Leben bereithält.»)
- Viel zunehmen. («Du musst imfall nicht für zwei essen.»)
- Wenig zunehmen. («Wird dein Baby genügend versorgt?»)
- Einen blöden Namen aussuchen. (Blöd meint: zu lang, zu kurz, zu normal, zu ausgefallen, zu einfach, zu kompliziert, zu schweizerisch, zu international… Bezüglich Namenswahl kann man eigentlich nichts richtig machen, exgüsi.)
- Sich eine komplette Babyausstattung zulegen. («Die Hälfte davon brauchst du sowieso nicht!»)
- Sich nur fünf Bodys kaufen und den Rest dann nach Bedarf. («Waaas? Nach der Geburt hast du doch keine Zeit und Nesting ist doch sooooo schööööön! Und man kann so viel Inspiration finden auf Instagram!»)
- Sport treiben. («Und plötzlich fällt das Baby unten raus – davon hab ich schon gehört, irgendwo…»)
- Keinen Sport treiben. («Und wie willst du eine Geburt durchstehen, wenn du schon beim Treppensteigen keuchst?»)
- In den Elternvorbereitungskurs gehen. («Pfff…also ich habe keine Walgesänge gebraucht und weiss, wie man atmet!»)
- Auf den Elternvorbereitungskurs pfeifen. («Wie um Gottes willen soll deine Gebärmutter dann wissen, was sie zu tun hat?!»)
- Bei starken Beschwerden und Unsicherheiten auch mal auf die Notfallstation gehen. («Bist du eine dieser hysterischen Schwangeren?»)
- Bei starken Beschwerden und Unsicherheiten erst mal abwarten. («Bist du eine dieser risikoliebenden Schwangeren?»)
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Geburt
- Möglichst gut vorausplanen, Spitäler und Geburtshäuser anschauen. («Bleib flexibel! Es kommt eh immer anders. Vertrau auf deine Urkräfte.»)
- Nichts vorausplanen. («Verlässt du dich ganz aufs Fachpersonal? Die sind imfall nicht jede Minute bei dir.»)
- Einen Kaiserschnitt wollen. («Du wählst die Easy-Variante, häh?»)
- Eine Spontangeburt wollen. («Willst du eine Vagina wie eine Turnhalle? Da macht Sex sicher nicht mehr so viel Spass nachher.»)
- Der Vater ist im Gebärsaal dabei. («Muss er das wirklich mitansehen? Hat er dann je wieder Lust auf Sex?»)
- Der Vater ist im Gebärsaal nicht dabei. («Ist er ein Weichei?»)
- Bereits im Voraus auf eine PDA und den «Happy-Knopf» bestehen. («Also, ICH habe das auch ohne Medis geschafft!»)
- Die Geburt ohne jegliche Medikamente erleben wollen. («Du willst die Toughe spielen, he?»)
- Sich mental auf etwas extrem Anstrengendes einstellen. («Klar, mit der Einstellung wird es auch schlimm! Sag dir: Das schaffe ich locker! Tschakka!»)
- Sich mental auf etwas grundsätzlich Schönes einstellen. («Erde an Mama: Babys flutschen nicht einfach so raus. Eine Geburt ist DER HORROR!«)
Baby
- Stillen in der Öffentlichkeit. («Kannst du nicht ein Tuch nehmen? Manche Leute fühlen sich gestört.»)
- Nicht in der Öffentlichkeit stillen. («Lässt du dich etwa von Spiessern einschüchtern? Das ist das Natürlichste der Welt!»)
- Nicht stillen. («Hast du es wenigstens versucht?»)
- Früh abstillen. («So egoistisch. Das Kind braucht das noch.»)
- Langzeit-Stillen. («So egoistisch. Nur noch du brauchst das.»)
- Früh wieder in den Beruf einsteigen. («Warum hast du denn überhaupt Kinder gekriegt?»)
- Spät wieder in den Beruf einsteigen. («Wolltest mal ein bisschen daheim die Beine hochlegen, häh?»)
- Nicht wieder in den Beruf einsteigen. («Deine Ausbildung, einfach für die Katz.»)
- Das Kind fremdbetreuen lassen, ob 1 oder 5 Tage, ganz egal. («Kinder brauchen in den ersten Jahren ihre Mutter.»)
- Das Kind nicht fremdbetreuen lassen. («Das ist so wichtig für den sozialen Umgang.»)
- Pampers verwenden. («Schon ein rechter Abfallberg, nicht?»)
- Stoffwindeln verwenden. («Bist du jetzt so eine Öko-Mutti?»)
- Windelfrei probieren. («Bist du in einer Sekte?»)
- Im Tragetuch tragen. («Hast du nicht Rückenweh?»)
- Nicht im Tragetuch tragen. («Nähe ist so wichtig für die Bindung!»)
- Schlaferziehung versuchen. («Wie grausam!»)
- Keine Schlaferziehung machen. («Wie lasch!»)
- Kind weinen lassen. («Das ist Gewalt!»)
- Kind nicht weinen lassen. («Du bist eine Glucke!»)
- Brei füttern. («Du nimmst dem Kind die Selbstbestimmung!»)
- Keinen Brei füttern. («Das Kind verhungert!»)
- Für Brei-Herstellung nur Bio-Produkte verwenden. («Da hat aber jemand Geld…»)
- Für Brei-Herstellung nicht nur Bio-Produkte verwenden. («Also ich gebe lieber mehr Geld aus, zugunsten der Gesundheit meines Kindes.»)
- Keine eigenen Babybreis herstellen. («Das ist doch echt kein Aufwand! Ein paar Stunden pro Woche hast du doch sicher noch frei dafür.»)
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Kleinkind
- Im Elternbett schlafen lassen. («Wie wollt ihr denn noch Sex haben?»)
- Nicht im Elternbett schlafen lassen. («Aber ICH liebe Käsefüsse im Gesicht!»)
- An Tablet und Co. lassen. («Das ist wie Ecstasy für die Kinder!»)
- Von Tablet und Co. fernhalten. («Das ist rückständig!»)
- Reisen mit Kleinkindern. («Die Kinder erinnern sich ja nicht mal!»)
- Nicht reisen mit Kleinkindern. («Die Kinder lernen keine fremden Kulturen kennen!»)
- Streit vor dem Kind. («Das Kind ist traumatisiert!»)
- Nicht streiten vor dem Kind. («Das Kind lernt kein soziales Verhalten!»)
- Ganz viele Kinderlieder vorsingen. («Passt du deinen Musikgeschmack echt dem Kind an?»)
- Keine Kinderlieder vorsingen. («So wird es nie einen guten Wortschatz lernen!»)
- Helikoptern. («Jetzt lass das Kind doch einfach mal machen!»)
- Nicht jede Sekunde genau aufpassen. («Die lässt ihr Kind einfach machen!»)
- Fördern. («Voll die Tigermom, he?»)
- Nicht fördern. («Dann kommt der Beni aber nicht ins Gymi!»)
- Neue Kleider kaufen. («Die gehen ja eh gleich kaputt!»)
- Nur Occasionskleider brauchen. («Gönnst nur du dir was Neues? Find ich recht egoistisch.»)
- Bei Streit mit Spielkameraden im Sandkasten eingreifen. («Wie soll das Kind selbständig werden?»)
- Probleme selber lösen lassen. («Wie soll das Kind wissen, dass es auf dich zählen kann?»)
- Schmutziges oder nasses Kind nicht immer gleich frisch anziehen. («Zack, schon hat es eine Lungenentzündung.»)
- Schmutziges oder nasses Kind rasch frisch anziehen. («So kann sich der Körper nie gegen Krankheiten, Keime und Co. abhärten.»)
- Fluchen. («Huere sagt man nicht!! Auch wenn es in jedem zweiten berndeutschen Satz vorkommt!»)
- Nicht fluchen. («WTF? Ihr flucht nie?»)
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Kind
- Ein Handy schenken, egal ab welchem Alter. («Das Kind wird süchtig!»)
- Kein Handy schenken. («Das Kind wird ausgeschlossen!»)
- Bei Ufzgi helfen. («Das bringt dem Kind nichts!»)
- Nicht bei Ufzgi helfen. («Das bringt dem Kind nichts!»)
- Nachfragen und überwachen. («Das schwächt die Eigenverantwortung.»)
- Nicht nachfragen und überwachen. («Das schwächt die Disziplin.»)
- Immer Selbstgekochtes auftischen. («Hast du nicht auch noch andere Ambitionen, mit deiner tollen Ausbildung?»)
- Oft irgendwas Rasches auftischen oder die Nummer des Pizza-Lieferanten auswendig kennen. («Ich finde schon, Blätterteig aus dem Laden geht gar nicht – dafür muss man doch Zeit finden, es geht schliesslich um die Gesundheit!»)
- Über Geld reden. («Das leidige Thema kommt noch früh genug.»)
- Das Thema Geld noch vermeiden. («Einen vernünftigen Umgang kann man nicht früh genug lernen.»)
- Das Kind ganz viel ausprobieren lassen, Klavier, Schlagzeug, Judo, Turnen… («Da ist es ja komplett verplant, das gibt ein Burn-out!»)
- Dem Kind Wünsche nach Klavierstunden, Judokurs etc. abschlagen. («Lass es ausprobieren, es wird sonst ein lustloser Rumhänger!»)
- Mit dem Kind über Politik, Gesellschaft, Sexualität, Rassismus, Genderthemen etc. sprechen. («Lass es doch einfach Kind sein!»)
- Mit dem Kind nicht über Politik, Gesellschaft, Sexualität, Rassismus, Genderthemen etc. sprechen. («Lass es doch an der Welt teilhaben!»)
Mutter
- Den Sinn der eigenen Existenz auch neben den Kindern sehen und arbeiten. («Wieso wolltest du überhaupt Kinder?»)
- Sich komplett mit der Mutterrolle identifizieren und in der Familienarbeit aufgehen. («Du solltest ein Vorbild sein!»)
- Regelmässig Auszeiten nehmen. («Und der Vater muss dann alles ganz allein machen? Wow, der Held.»)
- Am liebsten zu Hause sein. («Du Hausmütterchen!»)
Undsoweiterundsofort.
Auch wenn wir rational wissen, dass wir es eigentlich nur uns selber rechtmachen müssen: Solche Kritik beschäftigt uns trotzdem, macht auch den Supertoughsten gelegentlich ein schlechtes Gewissen. Mühsam. Aber ich lerne langsam dazu. Und mein Geheimrezept nach ganz vielen «Du musst es ja wissen, aber…»-Ratschlägen ist ein Zitat aus «Vom Winde verweht»:
«Frankly my dear, I don’t give a damn.»
Und was macht ihr so alles falsch? Wir freuen uns über eine Erweiterung unserer Liste!
You are not alone! <3
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 30. Mai 2018 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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