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Hilfe nach dem Schock der Frühgeburt

Zwischen Hoffnung und Todesangst – Dina Hediger kennt das Wechselbad der Gefühle nach einer Frühgeburt. Ihre Zwillinge kamen in der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt. Heute unterstützt sie mit ihrer Plattform «Frühchen Schweiz» betroffene Eltern.

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Unterstützung nach dem Schock der Frühgeburt - www.mal-ehrlich.ch

Wir kennen sie alle – die Bilder der hübsch zurechtgemachten, im Weidenkörbchen drapierten Bébés, die erst vor wenigen Stunden das Licht der Welt erblickt haben. Gefolgt von Bildern des ersten Spaziergangs in Kinderwagen und Trage, der innigen Kuschelmomente mit Mama, der Bädeli-Zeit mit Papa und was halt sonst noch so schön ist mit Neugeborenen. Was wir nicht ganz so oft zu Gesicht bekommen, sind die Bilder zum Thema Frühgeburt.

Wir sehen selten die Bilder von winzig kleinen, intubierten, mit Schläuchen versorgten, im Inkubationskasten gebetteten frühgeborenen oder gar kranken Babys. Die Bilder von Eltern, deren einziger Frischluftmoment der Gang von Neonatologie zu Parkhaus ist. Die Bilder der «Känguru-Zeiten», bei denen nur unter strenger Überwachung, zwischen unzähligen Monitoren und unter Beihilfe des Pflegepersonals gekuschelt wird.

Unerwartete Frühgeburt bei 25+4

Genau in dieser Realität fand sich Dina Hediger im Jahr 2018 wieder, als ihre Zwillingssöhne völlig unerwartet bereits in Schwangerschaftswoche 25+4 zur Welt kamen.

Die heutige Geschäftsführerin von «Frühchen Schweiz» erzählt, wie sie sich von einem Moment auf den anderen mit medizinischem Fachjargon der Neonatologie anstatt mit der Wahl der richtigen Milchpumpe beschäftigen musste. Wie sie mehrmals die Reanimation ihrer Söhne miterleben musste, anstatt einfach nur deren erste Windel wechseln zu können. Und wie die Mithilfe beim Wechseln der zahlreichen Schläuche und Kabel an ihren Babys zu einem ihrer ersten Rituale wurde.

«Mein Mann und ich hatten beide zuvor null Berührungspunkte mit einem Spital – wir sind also einfach in diese Welt der Neonatologie reingerutscht. Natürlich wusste ich es nicht besser und fing an, im Internet nach Antworten zu suchen. Überleben meine Kinder? Werden sie eine Behinderung haben? Werden sie jemals selbstständig atmen können?»

Ich habe so viele Schock-Stories gelesen und hätte mir doch eigentlich nur gewünscht, dass jemand Mut macht und mir sagt, dass es auch gut ausgehen kann.

Noch während ihre eigenen Babys auf der Neo-Intensivstation zu Kräften kommen, tauscht sich Dina dort mit Eltern von anderen frühgeborenen und kranken Neugeborenen aus. Denn sie kennt es da bereits bestens: das Wechselbad der Gefühle, das ewige Auf und Ab zwischen Hoffnung und Todesangst. Und bemüht sich deshalb schon damals, anderen Hoffnung zu geben, während sie selbst immer noch auf die erlösende Nachricht wartet, dass sie mit ihren gesunden Babys nach Hause gehen darf.

«Es gab Momente, in denen ich anderen Eltern Mut machen konnte, indem ich ihnen unsere Babys zeigte, die vier Wochen älter waren als ihr Kind. Damit sie sich die Fortschritte, das Wachstum und die Veränderung buchstäblich vor Augen führen konnten. So haben sich echte Freundschaften während dieser Zeit entwickelt», sagt sie.

Fast jede Stunde kommt in der Schweiz ein Baby zu früh zur Welt

Nachdem sie und ihr Mann nach 107 Tagen endlich mit ihren gesunden Zwillingen nach Hause gehen können, bleibt für sie der Umgang mit Frühgeburten und Frühchen-Eltern ein Herzensanliegen. «Schliesslich ist jede siebte bis zehnte Schwangerschaft in der Schweiz von einer Frühgeburt betroffen. Fast jede Stunde kommt in der Schweiz ein Baby zu früh zur Welt – das ist eine Tatsache, die leider noch immer allzu oft total unterschätzt wird», so Dina Hediger.

In den Jahren darauf gründet Dina deshalb die Organisation «Frühchen Schweiz» – eine Plattform, die sich an vielen verschiedenen Fronten zum Thema Frühgeburt stark macht. Und so zum Beispiel gemeinsam mit ehrenamtlichen, ehemaligen Frühchen-Eltern Betroffene unterstützt. «Seit Februar bin ich jede zweite Woche mit solchen ehrenamtlichen Helfern im Inselspital Bern vor Ort und gemeinsam sind wir für die betroffenen Eltern auf der Neonatologie da – egal ob sie uns ihre Geschichte erzählen, ihr Baby zeigen oder ihre Fragen stellen wollen», erzählt Dina Hediger.

Piepsende Monitore und ein Gewirr von Schläuchen

Dass die Tage von Frühchen-Eltern unendlich lang sein können, weiss sie nur allzu gut. Und manchmal auch fast unendlich hoffnungslos. Sie weiss auch, dass Angehörige, Freunde und Familie zwar mithoffen und mitbangen – aber dass das eigene Umfeld meist kaum eine echte Vorstellung davon hat, wie der Alltag mit extremen Frühchen aussieht.

«Das Bild vom Baby unter der Wärmelampe, das dort einfach noch einige Tage oder Wochen liegen muss, ist weit weg von der Realität. Stattdessen ist der Alltag geprägt von unzähligen Nadelstichen und einem Gewirr von Schläuchen, von ständigen Untersuchungen und von piepsenden Monitoren. Man hofft, dass nicht das eigene Kind betroffen ist, wenn auf einmal Ärzte und Pflegepersonal für einen Notfall herbeieilen. Auf dem Programm stehen einzig: Milch abpumpen, ‹Kängurule› – also vorsichtiges Kuscheln auf der nackten Haut – und ab und zu etwas Schlafen oder Essen. Und ja, auch extreme Massnahmen wie Reanimationen gehören dazu auf Neo-Intensivstationen», erzählt Dina.

Während sich das Umfeld von Frühchen-Eltern fragt, ob diese nicht vielleicht mal wieder einen Tapetenwechsel brauchen könnten und auf andere Gedanken kommen wollen, ist deren Energie meist nur auf den Krankenhausalltag ausgerichtet.

«Meine Schuhe standen wirklich immer direkt neben meinem Bett bereit – sodass ich jederzeit ins Krankenhaus eilen konnte, falls ein Notfall während meiner Abwesenheit geschehen wäre. Als ich mich dann zum ersten Mal wieder mit meiner Schwester verabredete und an genau diesem Tag mein Sohn reanimiert werden musste, rückten alle Gedanken ans Ausgehen sofort wieder in weite Ferne», sagt Dina.

«Es gibt so viel zu tun, um Frühgeburten in unserer Gesellschaft präsenter zu machen.»

Gerade weil Dina sich der Schwere und den Herausforderungen eines Frühchen-Schicksals bewusst ist – mit all seinen möglichen Ausgängen -, setzt sie sich mit so viel Herzblut für die Sensibilisierung rund um das Thema ein: «Es gibt so viel zu tun, um Frühgeburten in unserer Gesellschaft präsenter zu machen. Egal ob es um die Unterstützung von Forschungsprojekten geht, um Aufklärungs- und Informationsmaterial für Gynäkologie-Praxen oder um praktische Hilfe auf pränatalen Stationen – wir setzen uns überall dort ein, wo Menschen mit Frühgeburten in Kontakt kommen können.»

Dinas Devise ist ganz klar: Mehr Realität und Präsenz auf allen möglichen Kanälen sollen helfen, damit sich betroffene Eltern nicht mehr ganz so alleine fühlen in der «Frühchen-Bubble».

Dass sie selbst die Zeit nach der Neonatologie einfach geniessen konnte, schätzt Dina heute sehr.

«Als wir mit unseren Babys nach Hause durften, war ich einfach nur glücklich. Ich habe mich zwar trotzdem später mit einer Psychologin getroffen, um das Erlebte zu verarbeiten. Aber eigentlich wusste ich bereits im Voraus, dass es mir wirklich einfach gut geht.»

Einen konkreten Grund dafür, dass sie mit einer so grossen Dankbarkeit und ohne emotionalen Stress weitermachen konnte, nennt sie nicht.

Ich hätte gut in eine Depression fallen können.

«Dass es mir so gut ging, lag nicht daran, dass ich etwas anders gemacht habe als andere. Ich hatte wohl einfach Glück und habe das bekannte Glas ‹halb voll› gesehen.» Weil es auch anders kommen kann, ist die postpartale Depression – die gerade bei Frühchen-Eltern oft auch erst später aufkommen kann – ebenfalls Teil ihrer Projektarbeit.

«Man sieht, es gibt so viele Themen, denen wir uns schon jetzt widmen. Aber noch viel mehr, für die wir noch gar keine Kapazität haben, die aber eigentlich unglaublich wichtig wären für unsere Gesellschaft.»

Autorin

Nadine König ist im Bereich Marketing & Kommunikation tätig und jongliert täglich mit den verschiedenen Hüten einer arbeitenden Mutter zweier Söhne. Die ehemalige Radiojournalistin befasst sich heute als freischaffende Redaktorin mit Themen, die ihr ein echtes Herzensanliegen sind: Gleichberechtigung, Mutterschaft im 21. Jahrhundert, Work-Life-Balance und vieles mehr. Nadine lebt mit ihrer Familie im Aargau und liebt es, am Ende des Tages noch fünf Minuten Abendsonne zu tanken.

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 13. Oktober 2023 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Any Working Mom existierte von 2016 bis 2024. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.


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