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This Familieznacht could have been an Email!

Kindergeburtstage, Zahnarztbesuche, Elternabende. Wer koordiniert und kommuniziert das alles? Satiriker Gabriel Vetter hätte da eine Idee.

Von Gabriel Vetter

Kindergeburtstage, Zahnarztbesuche, Elternabende. Wer koordiniert und kommuniziert das alles? Satiriker Gabriel Vetter hätte da eine Idee.

So viel vorweg: Das System, das wir in unserer Familie punkto Kommunikation nach aussen haben, ist relativ simpel. Es gibt keins.

Das ist gut, aber auch nicht. 

Meine Partnerin und ich teilen uns die Lohn- wie auch die Haushaltsarbeit. Auch bei der Kinderbetreuung sind wir über die Jahre gerechnet alles in allem etwa gleichauf; wir organisieren und koordinieren also beide, was organisiert werden muss: Kindergeburtstage, Zahnarztbesuche, Handballturniere, Elternabende.

Das hat zur Folge, dass wir beide auch nach aussen Ansprechpersonen sind. Heisst: Wir sind also auch beide in allen Elternchats, Whatsapp-Gruppen, E-Mail-Verteilern und Telefonlisten.

Beide Eltern sind Ansprechpersonen für alle und alles.

Und das ist der Punkt, wo es unübersichtlich wird. 

Ein kurzer Blick aufs Telefon zeigt das Ausmass des Wahns.

Ich kommuniziere, was die Familie angeht, auf Whatsapp, Threema, Signal, Telegram, Slack, Klapp, Doodle, Google-Docs; ich schreibe und beantworte, um das seelische, soziale und physische Wohl meiner Kinder zu wahren, täglich Mails und Facebook-Messages und Kurznachrichten; ich organisiere via Instagram, SMS oder Telefon – und um allen Eventualitäten zuvorzukommen, bin ich kurz davor, mir ein Faxgerät, zwei Brieftauben und ein Minitel anzuschaffen.

Darauf, dass wir daheim auch noch drei verschiedene analoge Wandkalender, einen Wochenplan, eine Tageswandtafel und Dutzende von Zetteln kuratieren, geh ich jetzt mal gar nicht ein. 

Gut: Ich bin aber auch selber schuld.

Mit einem wirklich gut befreundeten Vater schreibe ich seit acht Jahren ausschliesslich auf Facebook Messenger. Warum? Keine Ahnung. Wir haben uns irgendwie so kennengelernt, und es wäre einfach seltsam, sich auf Whatsapp oder via SMS nochmal neu kennenzulernen. Zudem habe ich seine Telefonnummer nicht mal. Egal!

Gibt es einen Ausweg aus dem Kommunikations-Chaos?

Ginge es nach mir, könnten wir gern einen regelrechten Plattformen-Monotheismus einführen und uns auf ein einziges Tool beschränken, aber ist halt nicht so einfach.

Ich habe zum Beispiel Telegram nur deswegen auf meinem Telefon installiert, weil eine gut informierte Informatikerin aus der Nachbarschafts-Kompostierungs-Gruppe partout nicht will, dass die CIA mitkriegt, wie viel Kartoffelschalen sie pro Monat so in den Grünabfall schmeisst.

Und das ist ja auch okay. Bin schliesslich auf dem Land aufgewachsen, da ist man tolerant mit den Mitmenschen. Meistens.

Eben: Wir machen es wie die meisten Familien und teilen uns die einzelnen Kommunikations-Channels einfach auf.

Sie die Hälfte, ich die Hälfte. Mehr oder weniger. Irgendwie.

Konkret: Bei allem, was zum Beispiel die Turnstunde der Tochter angeht, ist meine Partnerin zuständig. Bei allem, was den Sportverein des Sohnes angeht, bin ich zuständig. Ich bin Zahnarzt-Minister, sie ist Coiffeur-Chefin. Ich mach’ die Ferien, sie die Grosseltern.

Family-Föderalismus also! 

Passiv sind wir beide also eigentlich ständig informiert, aktiv kommunizieren tut aber nur eine:r von uns. Meistens. Manchmal auch gar nicht.

Was natürlich wieder zu mehr Kommunikation zwischen meiner Partnerin und mir führt. Und der Schule. Den Kindern. Den anderen Eltern. Der Flötenlehrerin und den Cousinen. 

Meine Partnerin und ich waren schon mehrfach kurz davor, einen eigenen Gruppenchat nur für uns beide zu installieren, in dem wir einfach all unsere Gruppenchats koordinieren könnten.

Das würde doch alles vereinfachen!

Ist das die Lösung? Moment mal…

Zum Glück haben wir bis jetzt jedes Mal rechtzeitig noch bemerkt, dass wir einen Gruppenchat zu zweit auch einfach in den DMs regeln können, oder in einem normalen Gespräch unter vier Augen, aber egal.

Wer will schon reden, wenn man auch eine Sprachnachricht schicken kann? Ganz nach dem Motto:

This Familieznacht could have been an Email!

Egal.

Wo waren wir? Ach ja, die Kommunikation!

Unser System, das keines ist, birgt natürlich Potenzial für Chaos. Messages landen regelmässig in den falschen Kanälen. Zeigitage werden vergessen, Geburtstagsgeschenke doppelt gekauft.

Ich weiss noch, als ich mal in meiner Funktion als Elternrat statt eines wirklich wichtigen Protokolls zu einem ernsten Thema eine absolut irre satirische Kolumne über das Wandern verschickt habe – an sämtliche Eltern der Klasse meines Sohnes. Seitdem bin ich wenigstens nicht mehr im Elternchat zum Wandertag dabei. Auch gut!

Unser anarchisches System ist einerseits nice, weil die Chance relativ gross ist, dass alle irgendwie ein bisschen über alles informiert sind. Andererseits ist es natürlich verwirrend für Aussenstehende, weil nie klar ist, wer wann jetzt für was verantwortlich ist.

Wobei wir unser Umfeld diesbezüglich beruhigen können: Das ist uns selber auch nicht klar.

Wir sind verantwortungsfluide und kommunikations-opportun.

Mittlerweile hat es sich etwas eingependelt: Unser Umfeld weiss, dass bei uns ab und an der Schlendrian hockt und wir nicht alles immer sofort beantworten. Oder manchmal auch gar nicht. Und wenn etwas wirklich dringlich ist, hilft immer der gute alte Griff zum Telefonapparat.

Ein Anruf ist wie Wellness für die geschundene Multiplattform-Seele.

Kopieren von den Kommunikations-Profis

Vielleicht sollte man es als Familie ja einfach machen wie ein grosses Unternehmen, wie ein Fussballclub oder wie der Bundesrat – und einfach einmal pro Tag eine grosse, öffentliche Medienkonferenz einberufen, bei der die ganze Familie, die Nachbarschaft, die Schule und das ganze Land informiert wird.

Ein knackiges, zweiminütiges Press Briefing, bei dem alles, was ansteht für den Tag, für alle kurz geklärt wird:

Guten Tag, schön, Danke für das rege Interesse, heute steht Folgendes an: Zeigitag im Kindergarten, Zahnarzt für die Kleine, in der Klasse der Tochter hat jemand Kopfläuse, das Nachbarskind hat am Sonntag Geburtstag und freut sich über etwas Kleines von Lego; der Grosse braucht grad etwas mehr Geduld als sonst und die Kleine will viel wissen über Schildkröten.

Papa kocht am Abend Reis, Mama muss noch das Altpapier bündeln, es hat noch ein Tupperware fertige Pasta im Kühlschrank; Unihockey fällt aus, und der Papagei des Nachbarn wird morgen bestattet, wir schicken Blumen.

Fragen nehmen wir die nächsten zwei Minuten entgegen, Details entnehmen Sie bitte dem heutigen Flyer, das wär alles, thank you for flying with us, und bis morgen!

Denke, so könnte es klappen. 

Gabriel Vetter, Autor, mal ehrlich

Autor

Gabriel Vetter ist 1983 geboren, Vater von zwei Kindern, arbeitet als Autor und Satiriker und lebt mit seiner Familie in Basel.

Informationen zum Beitrag

Veröffentlicht am 18. März 2024.


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