So beantworte ich Fragen zu Vulva oder Doktorspielen
«Wie ist eigentlich mein kleiner Bruder in deinen Bauch gekommen?» Solche Fragen können Eltern ganz schön überrumpeln. Sexualpädagogin Lucia Dähler sagt, wie Mütter und Väter am besten reagieren und gibt konkrete Antworttipps.

Kinder sind sehr neugierige Wesen, fragen schamfrei und wollen Antworten, um die Welt verstehen zu lernen. Oft fühlt man sich bei sexuellen Themen als Eltern im ersten Moment überrumpelt und ringt dann um eine altersadäquate und doch korrekte Antwort.
Keine Sorge, wir müssen nicht in jeder Situation die perfekt formulierte Antwort auf der Zunge haben. Wir dürfen auch sagen, wenn wir etwas nicht wissen oder eine Frage gerade nicht hier (beispielsweise im Bus vor allen anderen Menschen) beantworten wollen.
Kinder stellen oft immer wieder die gleichen Fragen, um die Antworten ganz zu verstehen und, um eine Bestätigung für ihren aktuellen Wissensstand zu erhalten. Wenn sie einen grösseren Entwicklungsschritt hinter sich haben, können alte Fragen erneut aufkommen, weil die Antworten nicht mehr ausreichen.
Penis und Vulva statt Schnäbi und Weggli
Wichtig ist, dass die Kinder in altersgerechter Sprache alle Antworten bekommen, nach denen sie verlangen. Man kann ein Kind nicht mit zu viel Wissen überfordern. Wenn ein Kind noch nicht reif ist für gewisse Informationen, nimmt es sie gar nicht erst auf.
Manche Erwachsene haben Angst, ihr Kind könnte durch das Sprechen über Sexualität sexualisiert werden. Doch Kinder sind bereits von Geburt an sexuelle Wesen und haben ein Recht auf eine eigene Sexualität. Ihre Sexualität ist nicht die gleiche wie die der Erwachsenen. Im Wesentlichen unterscheidet sie sich darin, dass kindliche Sexualität spontan und nicht zielgerichtet ist.
#daschamebruuche aus unserem Concept Store
Eine sinnvolle Sexualerziehung beginnt bereits im Babyalter. Das Benennen der Genitalien beim Wickeln oder dann später beim Duschen oder Umziehen ist wichtig, damit das Kind Wörter dafür hat und somit Empfindungen und Erfahrungen zum Ausdruck bringen kann.
Penis und Vulva sind korrekt. Verzichtet lieber auf verniedlichende oder abschätzende Bezeichnungen wie Schnäggli, Weggli oder Pfiffli und Schnäbi.
Mit solchen Bezeichnungen haften bereits Scham und Unsicherheit auf diesen Körperteilen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt für eine gesunde Sexualität ist der Konsens. Menschen, die miteinander Sexualität leben, sollen das immer freiwillig tun. Bewusste Kommunikation, sensibilisierte Selbstwahrnehmung und Empathie sind wichtige Eigenschaften dafür und können bereits im Kindesalter geübt werden.
Beispielsweise beim Raufen oder Kitzeln sollen Kinder lernen, dass ihr «Stopp» akzeptiert wird. Genauso dürfen auch Erwachsene «Stopp» sagen, wenn ihnen etwas zu viel wird. So können wir Kindern vorleben, dass wir körperliche und kognitive Überlegenheit nicht machtvoll ausnutzen.
Was sage ich, wenn Kinder Doktorspiele machen?
Vielleicht bist du auch schon einmal ins Zimmer geplatzt, als dein Kind mit einem Gspänli nackt gespielt hat und sie sich gegenseitig an den Geschlechtsteilen berührt haben? Vielleicht warst du in diesem Moment überfordert und wusstest nicht wie reagieren?
Eine solche Situation bietet die ideale Gelegenheit, wichtige Verhaltensregeln zu erwähnen. Möglichst unaufgeregt und wertfrei könntest du dann sagen: «Denkt daran, nichts in eure Körperöffnungen zu stecken, dabei kann man sich verletzen und wehtun.» Oder auch:
«Wenn jemand von euch sich nicht mehr wohlfühlt beim Spielen, dürft ihr nach vorne kommen. Ich bin dort.»
Falls der Altersabstand erheblich gross (zirka drei Jahre und mehr) ist, darfst du sagen, dass sie das Spielen mit Körperteilen mit gleichaltrigen Kindern tun sollen.
Du kannst auch danach fragen: «Wie war’s heute für dich, mit Kim zu spielen?» Vielleicht ergibt es sich, über Konsens und Wahrnehmung des eigenen Körpers zu sprechen.
Tipps für kindergerechte Aufklärungsbücher
Falls du dich tiefer für das Thema interessierst, gibt es viele Aufklärungsbücher, die schön illustriert sind. Lies sie vor, wie andere Kinderbücher auch. Besonders bei Kindern, die nicht von sich aus Fragen stellen, ist dies eine Möglichkeit, diese Themen anzusprechen.
Auch wenn das Kind dann im stillen Räumchen heimlich die Bilderbücher durchschaut, ist dies ein Erfolg.
Jeder Mensch ist anders und geht seinen eigenen Lernweg. Tolle Kinderbücher sind beispielsweise:
- «Lina, die Entdeckerin» von Katharina Hotter/Lisa Sonnberger/Flo Staffelmayr und «Bruno will hoch hinaus» von Sabine Ziegelwanger/Flo Staffelmayr/Anna Horak. Bei beiden Büchern werden auf spielerische und kindgerechte Art die Genitalien erklärt. Sie eignen sich besonders auch für jüngere Kinder.
- «Erbsenklein, Melonengross» von Cornelia Lindner/Verena Tschermenjak erweitert das Wissen für Kinder rund um Schwangerschaft, Geburt und Familie.
- «Ist das okay?» von Agota Lavoyer, ein sehr wertvolles und lehrreiches Buch über Konsens.
Für ältere Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene eignet sich die Website www.lilli.ch. Hier findet ihr Antworten auf unzählige Fragen, Kontaktadressen und weitere hilfreiche Links.
#daschamebruuche aus unserem Concept Store
Viele Erwachsene möchten ihre Kinder vor Sexualität schützen. Vielleicht geprägt von eigenen schwierigen Erfahrungen, ist man ängstlich und möchte, dass die eigenen Kinder davor verschont bleiben. Es ist menschlich, befangene Themen vermeiden zu wollen, um sich und sein Kind davor zu schützen.
Doch korrektes und altersgemässes Wissen über den eigenen Körper und das Benennen können von Gefühlszuständen, ist die beste Prävention vor sexualisierter Gewalt.
Wenn Genitalien und Sexualität in der Familie tabuisiert werden, fühlen sich die Kinder und Jugendlichen viel unsicherer und würden auch weniger das Vertrauen haben, mit Bezugspersonen über allfällige Übergriffe zu sprechen.
Falls du merkst, dass dich das Sprechen über Sexualität überfordert, darfst du das dem Kind auch sagen und nach Alternativen suchen. Dies können andere Vertrauenspersonen sein, Bücher oder sexualpädagogische Workshops.
Wenn du stets ehrlich und aufgeschlossen kommunizierst, darfst du davon ausgehen, dass sich die Kinder bei Problemen und Unsicherheiten an dich wenden. Ab der Pubertät übernimmt dann die Peer-Group eine wesentliche und übergeordnete Rolle.
Es ist normal, wenn Teenager ihre Fragen und Sorgen mit Gleichaltrigen besprechen möchten und sich gegenüber den Eltern eher verschliessen. Doch wenn ihr offen und unvoreingenommen bleibt, darfst du darauf vertrauen, dass eure Kinder bei Bedarf Rat einholen kommen und du für sie da sein darfst.
Informationen zum Beitrag
Veröffentlicht am 28. Februrar 2025
1x pro Woche persönlich und kompakt im mal ehrlich Mail.