Was tun, wenn Kinder streiten? Notfalls hilft der Dampfabzug!
Geschwisterstreit ist für Eltern schwer auszuhalten. Die Expertin erklärt, warum dieser Zoff für die Kleinen wichtig ist und welche Strategien den Grossen helfen.
Was machst du, wenn deine Kinder streiten? Wenn sie einander auf den Deckel geben, plätschert dein innerer Wasserfall im Gleichstrom weiter? Du wirst nicht laut, tickst nicht aus, ergreifst niemals Partei?
Dann schade, wirklich schade, kennen wir uns nicht persönlich. Ich könnte viel von dir lernen. Denn mir ist das salonfähige Moderieren von Geschwisterstreit, wenn überhaupt, dann erst zufällig gelungen.
Statt relaxed und gewieft, reagiere ich beim Zetermordio meiner Kinder unzimperlich und ungehalten.
Ganz egal, was ich mir Minuten vorher vorgenommen habe.
Welche Strategien ich ausprobiert habe? Jüngst diese:
– weghören und Hilfe verweigern (zu gemein)
– alle Beteiligten an eine Friedenskonferenz zerr… äh bitten (zu konstruiert)
– mich im Bad verschanzen und so oft «Bin gleich da!» rufen, bis das Gröbste zerstoben ist (zu zeitverschwenderisch)
Richtig bemerkt, ich bin inzwischen bei den hochprozentig selbstgemixten Praktiken angelangt. Und auch die gehen mir langsam aus. Wie weiter?
Wie reagieren Profis auf streitende Kinder?
Ich bitte Maya Risch um Rat. Sie ist langjährige Familienberaterin und Kursleiterin, aktuell beispielsweise für den Workshop «Wut tut gut.»
Maya Risch, bis jetzt konnte ich selten gelassen einschreiten, wenn meine Kinder streiten. Was meinen Sie: Sollte ich die Hoffnung aufgeben? Werde ich nie eine smarte Streit-Coach werden?
Keineswegs. Ein guter Anfang könnte für Sie vielleicht sein, die eigenen Ansprüche zu senken.
Uns Eltern kommt oft die Tendenz in die Quere, den Kindern sofort helfen oder sie beschützen zu wollen. Wir schalten uns in ihren Streit ein, geraten in die Position von Schiedsrichter:innen – und haben verloren. Eine der Parteien wird unser Tun bestimmt unfair finden.
Gefragt ist darum bedachtes Handeln.
Wie gelingt mir das, wenn der Streit schon voll im Gange ist?
Sie können innehalten, zum Beispiel mit ein paar tiefen Atemzügen. Das ist im Trubel nicht ganz leicht, lohnt sich aber. Denn so können Sie sich vom Streit abgrenzen.
Was auch wichtig ist zu wissen:
Sie sind nicht für die Lösung des Geschwisterstreits zuständig. Ihr Job ist, für Ihre Kinder da zu sein – auch bei Streit.
Das gefällt mir. Wie kann ich für sie da sein, wenn die Kinder streiten?
Versuchen Sie, den Lärm auszuhalten und das Geschehen zu beobachten. Sorgen Sie zudem für Sicherheit. Räumen Sie all das weg, womit die Kinder einander verletzen könnten.
Bleiben Sie wachsam und in der Nähe, gerade wenn der Kräfte- oder Altersunterschied der Streitenden gross ist.
Unterstützung in Streitsituationen – mit Spielen von Ravensburger
Puzzle, Logikspiele und Bücher sind wertvolle Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder, um sich zu entspannen und herunterzufahren. Sie können beispielsweise dann helfen, wenn Kinder überstimuliert sind. Sei dies durch einen langen Tag in der Schule oder durch Streit mit Geschwistern.
Auch klassische Spiele fördern verschiedene psychologische Fähigkeiten, die Kindern in Streitsituationen helfen können. So lernen Kinder zum Beispiel, mit Gewinnen und Verlieren umzugehen, entwickeln dadurch eine höhere Frustrationstoleranz, verbessern ihr logisches Denken, werden flexibler und stärken ihre Problemlösungsfähigkeiten.
Ganz neu gibt es bei Ravensburger zudem das tiptoi Buch “Lenny Lamm und die Sache mit der Wut”. Im Fokus stehen dabei soziale Kompetenzen wie Selbstvertrauen, Konfliktbewältigung, Empathie und Toleranz. Und das Buch zeigt schön auf, dass sich Wut bei jedem anders äussern kann: heulen, toben, oder auch lautlos brodeln. Und dass das Gefühl Wut auch für etwas gut ist.
Streiten ist erlaubt – ist sogar wertvoll.
Ich schreite also nicht ein und beziehe nicht Position?
Das ist immer wieder eine schwierige Frage. Grundsätzlich bin ich dafür, die Kinder erst einmal streiten zu lassen.
Greifen Sie nur dann ein, wenn die Auseinandersetzung Ihrer Ansicht nach zu grob oder zu fies wird. Wann das ist, hängt von Ihren eigenen Grenzen, Ihrer aktuellen Verfassung und vom Alter Ihrer Kinder ab.
Wie sähe denn souveränes Einschreiten aus?
Wenn Sie eingreifen, dann klar und bestimmt. Oft brauchen die Kinder eher ein Begleiten als ein Einschreiten.
Dazu gehört meines Erachtens die Haltung «Streiten ist erlaubt». Zeigen Sie Ihren Kindern Präsenz, sagen Sie ihnen: «Ich sehe, ihr habt Streit. Ich bin da. Worum geht es?».
Hören Sie zu, fragen Sie nach, fassen Sie zusammen, stehen Sie bei.
Wovon raten Sie ab, wenn Kinder streiten?
Trennen Sie Ihre Kinder nicht voreilig. Das wäre eine Intervention in ihre Beziehung und würde zudem vermitteln, dass Streit nicht sein darf. Halten Sie auch keine Standpauken, und ergreifen Sie nicht Partei.
Das tönt einleuchtend, aber auch schwierig. Wie kann ich mich selber motivieren, damit ich nicht interveniere?
Denken Sie daran, dass Geschwisterstreit sehr wertvoll ist. Die Familie ist für die Kinder ein hervorragendes Feld, um den Umgang mit Konflikten zu trainieren.
Beim Streiten lernen Kinder teilen, sich durchsetzen, nachgeben, verhandeln, sich versöhnen.
Meist geht es übrigens auch gar nicht um das grösste Stück Kuchen oder das eine Legoteil.
Worum geht es wirklich bei Konflikten unter Kindern?
Manchmal geht es einfach ums Streiten. Meist aber zanken sich Geschwister, um Klarheit zu schaffen: Sie definieren Hierarchien, Grenzen, Nischen, Besitzansprüche und Bedürfnisse.
Geschwisterstreit ist für die Kinder also Konfliktschule und Beziehungspflege zugleich. Das zu wissen, ist befreiend.
Ruhigbleiben trotz Radau: so klappt’s!
Geschwisterstreit als Konfliktschule und Beziehungspflege. Die grossartige Wahrheit dieser Aussage von Maya Risch offenbarte sich mir nur wenige Tage nach dem Gespräch mit ihr.
Ein alltäglicher Abend, wir wollten gleich essen. Es herrschte dicke Luft, weil das eine Kind pausenlos fluchte, was das andere regelmässig zur Weissglut bringt. Kurz vor dem ersten Fetzenflug setzte mein Gegenüber zum Einschreiten an.
Und was habe ich getan?
Ich habe den Dampfabzug angemacht, um den Radau zu übertönen und mich besser abgrenzen zu können. Zur anderen Person habe ich gesagt: «Lass sie, sie pflegen gerade ihre Beziehung.»
Das rettete zwar nicht unseren Abend, fühlte sich aber verdammt befreiend an.
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Veröffentlicht am 28. Mai 2024.
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