Die wahren Rabenmütter
Wir nörgeln ständig an uns herum, kämpfen gegen das schlechte Gewissen, fühlen uns als Versagerinnen. Dabei gibt es ganz andere Mütter…
Keine Ersatzkleider dabei? Das Kleinkind kurz am Tablet spielen lassen? Nicht um 12 den Zmittag parat haben? Es gibt zigtausend Vorstellungen, wie Mütter zu sein haben. Und, zugegeben, wir fühlen uns selber viel zu schnell als Rabenmutter, wenn wir mal nicht die Kindesbedürfnisse zuoberst priorisieren, wenn wir mal egoistisch sind…
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Da ist es wieder!
Dieses saudoofe an uns Rumnörgeln.
Ständig motzen wir über unseren Körper, kämpfen gegen das schlechte Gewissen, fühlen uns in manchen Alltagssituationen als Totalversager und sind Worriers statt Warriors.
Dabei gibt es ganz andere Mütter.
Die wahren Rabenmütter. . .
. . . stecken ihre persönlichen Bedürfnisse komplett zurück. Irgendwo tief in ihr Inneres, wo sie dann vor sich hin gären. Vielleicht schiessen sie irgenwann an die Oberfläche und ergiessen sich in einem Schwall von Vorwürfen über das Kind. Vielleicht auch nicht. Dann spürt das Kind einfach die latente Unbefriedigtheit und sieht das als normal an. Oder, ganz famos: Es glaubt, selber der Grund für die mütterliche Unzufriedenheit zu sein.
. . . machen nie Fehler. Fallen nie grandios auf die Schnauze. Und können so auch nicht vermitteln, dass man trotzdem noch ein liebenswerter Mensch ist. Dass man manchmal Sorry sagen muss. Und sich wieder aufrappeln kann.
. . . lieben das Wort «fördern». Und benutzen es pausenlos, wirklich. (Ich hab kürzlich in einem 10minütigen Gespräch 5mal dieses Wort gehört – und hätte am liebsten Bingo gerufen.) Badeplausch, Lieder singen, Zoobesuch? Das machen viele Eltern gern. Diese Mütter aber sehen nie das Vergnügen als Primärziel, haben bei jeder Aktivität nur das Förderpotenzial im Fokus. In der Schwangerschaft hören sie klassische Musik, obwohl sie selbst die gar nicht mögen – und natürlich benutzen sie auch Vaginal-Lautsprecher. Das Babyschwimmen betrachten sie als erste Bewährungsprobe, möchten dort schon klar definierte Lernziele. Später mischen sie sich in der Schule und im Sportverein andauernd ein, wenn ihr Liebling ihrer Meinung nach nicht bestmöglich weitergebracht wird.
. . . brettern mit ihrem Familienschlitten durchs Quartier. Mit Tempo 60 durch die 30er-Zone, mit dem Handy am Ohr um die Kurve. Kein Problem. Die Kindernamen sind sorgfältig auf der Rückseite des Autos aufgeklebt – aber die eigenen Lieblinge spielen ja grad nicht draussen. Klar, Sophie-Annabelle soll direkt nach Schulschluss ins Frühchinesisch und Lionel-Justin wird nur im Fussballklub des Nachbardorfs richtig gefördert und muss drum dorthin kutschiert werden. Aber geht das gopferdeckel auch bitzli langsamer?
. . . fahren ihr Kind zur Schule. Obwohl die Strecke längenmässig zumutbar ist und nicht über eine Flughafen-Landepiste und durch einen Fuchsbau führt. Ich weiss nicht, wie viele Studien noch beweisen müssen, dass Elterntaxis den Schulweg eher gefährlicher machen als umgekehrt. Und dass es wichtig für den Selbstwert und die Abnabelung ist, die Strecke allein und auf eigenen Füssen zurückzulegen. Seit Jahren kämpfen Behörden und Schulverantwortliche gegen diesen Irrsinn an, aber alle Argumente werden von dicken SUV-Pneus plattgewalzt.
. . . wissen übers Muttersein eigentlich alles. Viel besser als andere Eltern. Und sagen das auch gerne, offen oder hinter vorgehaltener Hand. Damit ihre Kinder früh lernen, dass es im Leben nur EINEN richtigen Weg gibt.
. . . wollen ihren Kindern ganz nah sein. Und glauben, dass das dank Lesen von deren Tagebücher oder Chats am einfachsten klappt – und dass die Kinder das nicht mitkriegen. Eine effektivere Methode zum Vertrauenzerstören gibt’s fast nicht.
. . . möchten die beste Freundin ihrer Kinder sein. Wollen cool rüberkommen, sich stylisch anziehen (und sagen statt «stylisch» gern «flippig» oder «peppig», was den Gewinn der Facepalm des Jahres garantiert) und wie die Jungen reden. Wollen Ebenbürtigkeit simulieren und sind zu feige, den Ablösungsprozess zu ertragen.
. . . zelebrieren den Glitzerglanz. Eine Freundin von mir nennt das so, wenn Frauen nur die schönen Seiten des Mutterseins teilen, auf Social Media oder im privaten Gespräch. Die nicht zugeben, dass sie manchmal einfach nur noch heulen, weil alles zu viel wird. Macht das den Kindern was? Vermutlich nicht – ausser, sie kapieren die Lügerei schon und ziehen daraus ihre Schlüsse. Aber es macht den anderen Müttern was. Denen, die an sich zweifeln, verzweifeln und ein Schulterklopfen bräuchten (und jemanden, der ihnen dabei den Babysabber von der Schulter wischt). Die einfach nur hören wollen: «Mal ehrlich: Ich kenne das auch.»
. . . schimpfen über andere Mütter. Oh. . .
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 2. Oktober 2017 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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