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Wann wird mein Kind endlich trocken?

Von der Windel zur Unterhose: ein grosser Schritt fürs Kind, eine Geduldsprobe für so manche Eltern – besonders wenn der Kindergartenstart naht und Druck von aussen kommt. Wie es anderen Eltern damit geht und was eine Kinderärztin rät.

Von

Blondes Kleinkind, nur mit Windel bekleidet, greift mit der Hand in eine Toilettenschüssel. - Trocken werden? Nichts schwieriger als das!

Endlich weg mit diesen Windeln! Was sich die meisten Eltern (und die Umwelt) sehnlichst wünschen, wird für viele zum Stressfaktor. Auch bei uns. Die meisten Kinder werden zwischen zwei und vier Jahren irgendwann trocken – so die Studienlage. Trotzdem sind viele Eltern verunsichert, umso mehr, wenn der Start des Kindergartens näher rückt, das eigene Kind aber vielleicht noch nicht zuverlässig spürt, wenn es muss.

Schulkinder in Windeln?

Zeitungsartikel mit reisserischen Titeln wie «Schulkinder in Windeln», ständig nachfragende Verwandte oder schlicht der Fakt, dass «alle anderen» Kinder im Umfeld bereits trocken sind, setzen Druck auf. Druck, der vielleicht gar nicht nötig wäre? Ich habe bei anderen Eltern und einer Expertin nachgefragt. Und mal ehrlich: auch, um mich selbst ein wenig zu beruhigen.

Bei Kleinkindeltern ist das Thema «windelfrei», also die Kinder bereits ab Geburt ohne Windeln aufzuziehen, dank Instagram und Co. mittlerweile omnipräsent. Und natürlich möchten alle, dass sich ihr Kind der «Norm» entsprechend entwickelt. Der Druck, mitzuhalten, kann sich zuweilen gewaltig anfühlen. Und dies, obwohl «windelfrei» gar nicht unbedingt darauf abzielt, Kinder schnell «sauber zu kriegen», sondern sie in ihrer allgemeinen Körperwahrnehmung zu unterstützen.

Es verunsichert schon sehr, wenn alle anderen Kinder im Umfeld plötzlich scheinbar mühelos ruckzuck von diesen Windeln loskommen.

Mutter einer 3-jährigen Tochter

Ich habe bei anderen Eltern den Puls gefühlt. Wie erleb(t)en sie die Übergangszeit von Windel zur Unterhose? Wer macht eigentlich Druck? Und wie können wir die Sache dennoch mit Gelassenheit angehen?

Während die einen Eltern das Thema Trockenwerden ganz entspannt und meist sogar unerwartet nach ein paar Tagen oder Wochen abhaken können, sind andere in der Dauerschleife von Windelwechseln, vollgepinkelten Unterhosen und plötzlich wiederkehrendem Desinteresse des Kindes gefangen.

«Unser Sohn wollte mit gut drei Jahren von einem Tag auf den andern von den Windeln loskommen. Wir haben drei Tage lang mit einem Wecker geübt, um ihn an den Toilettengang zu erinnern, seither sind fast keine «Unfälle« mehr passiert. Unser zweiter Sohn zeigt mit knapp dreieinhalb Jahren noch immer kein Interesse.» – Mutter zweier Söhne

«Es verunsichert schon sehr, wenn alle anderen Kinder im Umfeld plötzlich scheinbar mühelos ruckzuck von diesen Windeln loskommen, wir es aber seit Monaten probieren und einfach nicht schaffen.» – Mutter einer 3-jährigen Tochter

Der Prozess lässt sich grundsätzlich nicht beschleunigen.

Kinderärztin Tina Aeberli

Doch gibt es tatsächlich Methoden, die zu einem schnelleren Übergang von Windel zur Unterhose führen oder entscheidet am Ende doch einfach das Kind, wann es bereit ist? So viel sei gesagt: «Der Prozess lässt sich grundsätzlich nicht beschleunigen», bestätigt die Kinderärztin Dr. med. Tina Aeberli. Denn: Die Vernetzung von Gehirn und Blase muss erst gebildet werden. Das Trockenwerden ist also im Grunde eine Reifungsaufgabe, wobei – wir hören es ja oft – sich jedes Kind unterschiedlich schnell entwickelt. 

Was hinzu kommt: Ändert sich im Leben eines Kindes gerade Einiges – ist beispielsweise ein Geschwisterkind unterwegs, hat es einen Schub in der motorischen Entwicklung oder in den Sprachfertigkeiten, steht ein Umzug an, gibt es Streit in der Familie oder trennen sich die Eltern –  kann dies den Prozess des Trockenwerdens verzögern, da das Gehirn schlicht keine Kapazitäten mehr übrig hat, auch noch die «Entleerungswünsche» der Blase oder des Darms zu registrieren. 

«Schafft es mein Kind rechtzeitig?»

Obwohl die rationalen Argumente, einfach zu warten, bis das Kind bereit ist, für sich sprechen, erzählen mir einige Eltern, dass sie sich selbst – und entsprechend wohl auch ihrem Kind – Druck machen. Die Angst sei da, dass das Kind sich verzögert entwickle und im schlimmsten Fall den Schritt zur sauberen Unterhose vielleicht nicht rechtzeitig schaffe.

Entwicklungsfenster öffnen sich immer wieder und manchmal ist eine Pause sogar angebrachter, als den Prozess des Trockenwerdens um jeden Preis durchsetzen zu wollen.

Kinderärztin Tina Aeberli

Tina Aeberli sagt, es gebe Phasen, in denen die Kinder das Sauberkeitsthema sehr interessant fänden und eher lernbereit seien als in anderen Phasen – genau dann mache es Sinn, diesen Zeitpunkt zu nutzen. Die Kinderärztin betont jedoch, dass sich die Eltern nicht auf diese Phasen versteifen sollen: «Entwicklungsfenster öffnen sich immer wieder und manchmal ist eine Pause – beispielsweise wieder kurzzeitig auf Windeln zurückgreifen – sogar angebrachter, als den Prozess des Trockenwerdens um jeden Preis durchsetzen zu wollen.»

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Was heisst denn eigentlich rechtzeitig? 

Artikel in Tagesmedien suggerieren, dass Kinder «heutzutage immer später von der Windel loskommen». So seien viele Kinder im Kindergarten noch mit Windeln unterwegs, was ein No-go sei. Früher sei das anders gewesen. Kinderärztin Aeberli hält entgegen: «Meine Kolleg:innen und ich können diese Aussage nicht bestätigen. Es gab schon immer Kinder, die etwas länger brauchten und das ist in Ordnung.» Ausserdem kommen die Kinder seit einigen Jahren früher – teilweise bereits mit knapp 4-jährig – in den Kindergarten.

Es war ein Teufelskreis: Je mehr wir sie daran erinnerten, die Toilette aufzusuchen, desto mehr weigerte sie sich und desto öfter ging es in die Hose.

Vater einer 4-jährigen Tochter

Auch Verhaltensbiologin und Entwicklungsforscherin Dr. Gabriele Haug-Schnabel schreibt, dass 85 Prozent der Kinder eigeninitiativ erst zwischen dem dritten und fünften Geburtstag trocken werden, wobei man bei einer noch nicht perfekten Sauberkeit von einer «verzögerten Blasenkontrolle» spreche, was sehr oft vorkomme. Erst wenn ein Kind nach dem fünften Geburtstag noch absolut keine Anzeichen von Trockenwerden zeige, spreche man von «kindlichem Einnässen». In diesem Fall sei es ratsam, sich an die Kinderärztin oder den Kinderarzt zu wenden.

«Wir waren lange sehr verunsichert und es passierten über ein Jahr lang viele, viele «Unfälle«. Unsere Tochter ist sehr willensstark, wollte mit knapp 3-jährig unbedingt von diesen Windeln loskommen, hatte aber noch keine gute Blasenkontrolle. Es war ein Teufelskreis: Je mehr wir sie daran erinnerten, die Toilette aufzusuchen, desto mehr weigerte sie sich und desto öfter ging es in die Hose. Irgendwann erkannten wir, dass wir sie einfach machen lassen und sie subtil ans Pinkeln erinnern mussten. Indem wir beispielsweise selbst sagten, dass wir jetzt aufs Klo müssen, merkte sie oft, dass sie selbst ja auch musste.» – Vater einer 4-jährigen Tochter


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Unser Kind (5) wäre nachts gerne trocken. Wie können wir ihn dabei unterstützen? Tipps?

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Also einfach abwarten, bis das Kind von selbst trocken wird?

Remo Largo zeigte bereits 1996 beim Vergleich von zwei Zürcher Longitudinalstudien auf, dass Kinder unabhängig davon, wie oft die Eltern sie auf das Töpfchen gesetzt hatten, nicht schneller trocken wurden. Es gilt also auch in diesem Thema: Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.

Das alles heisst jedoch nicht, dass die Eltern ihre Kinder nicht auch positiv in ihrer Selbstwahrnehmung und Entwicklung unterstützen können. So kann es beispielsweise helfen, die menschliche Ausscheidung offen und als etwas Natürliches zu thematisieren, das Kind beim eigenen Toilettengang mitkommen und zusehen zu lassen (Andrea grüsst freundlich), ein Töpfchen oder einen Verkleinerungsring fürs WC sowie «coole Unterhosen» zur Verfügung zu stellen und dem Kind, sobald es Interesse zeigt, lockere Kleidung anzuziehen, die es leicht selbständig ausziehen kann.

Nicht schimpfen, wenn etwas daneben geht und das Kind nicht forcieren, die Toilette zu benutzen.

Kinderärztin Tina Aeberli

Und der wichtigste Faktor für einen entspannten Übergang, bestätigt von diverser Literatur sowie Kinderärztin Tina Aeberli: Nicht schimpfen, wenn etwas daneben geht und das Kind nicht forcieren, die Toilette zu benutzen. Und ja, wenn beim x-ten Mal die Kleidung voll ist, entsteht die elterliche Verlockung, die Augen zu rollen, zu seufzen oder gar laut zu werden. Been there, done that.

Dies signalisiert dem Kind aber leider vor allem eins: «Meine Eltern sind enttäuscht von mir» – das schmälert das Selbstvertrauen oder nimmt dem Kind sogar die Motivation, weiter zu üben.

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Keine Eltern sind perfekt – zum Glück. Trotzdem sollten sie gemäss Kinderärztin Aeberli probieren, «Unfälle» nicht umfänglich zu thematisieren. Ein «Oh, wir haben es nicht rechtzeitig aufs WC geschafft – macht nichts, komm, wir ziehen was Neues an» reiche als Kommentar völlig aus.

Sie versucht noch mehr Druck von den Eltern zu nehmen: «Merkt ihr, dass es eurem Kind oder euch zu viel wird, ständig die Kleider zu wechseln und alles zu waschen, ist es auch total okay, in Absprache mit dem Kind wieder für ein paar Wochen die Windeln anzuziehen und es danach noch einmal zu probieren.»

Gelassen bleiben

Den Nagel auf den Kopf trifft eine von mir befragte Mutter, die mit ihrer Tochter noch immer in der Übergangsphase steckt: «Versucht, gelassen zu bleiben. Mit 20 Jahren trägt niemand mehr eine Windel – es sei denn, die Person hat gerade ein Kind geboren.» #ifyouknowyouknow

Auch Kinderärztin Aeberli ermutigt die Eltern, locker zu bleiben – und im Zweifelsfall das Gespräch mit einer vertrauten Person aus der Elternberatung, der Kinderärztin oder dem Kinderarzt zu suchen. Aus eigener Erfahrung, nach einigen Seufzern, und vielen Waschgängen kann ich euch ebenfalls ermutigen: Es wird früher oder später klappen, vertraut eurem Kind.

Autorin

Tamara Ritter wohnt seit Mai 2022 mit ihrem Mann und den beiden gemeinsamen Kindern in Schweden. Als freischaffende Kommunikationsberaterin und Texterin mit einem Master in Nachhaltigkeitsstrategien arbeitet sie mehrheitlich an Projekten in den Bereichen Climate Tech und Finance, Urban Development und Female Empowerment. Daneben geniesst sie mindestens wöchentlich eine Zimtschnecke und hüpft auch mal ins 4 Grad kalte Wasser, um sich danach in der Sauna aufzuwärmen.

Informationen zum Beitrag

Veröffentlicht am 10. Juli 2025

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5 Antworten

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  1. Avatar von Priska
    Priska

    Unsere Tochter ist vor Kurzem 5 geworden. Grundsätzlich kann sie auf die Toilette oder aufs Töpfchen gehen. Sie will aber trotzdem eine Windel. Ich bin nicht sicher, ob es daran liegt, dass sie zu ‚bequem‘ ist, den Toilettengang zu machen, weil sie ‚keine Zeit‘ dafür hat, oder ob sie Angst hat uns/mich zu enttäuschen. Letztes Jahr im Sommer lief es eine Weile richtig gut und sie trug keine Windel mehr. Irgendwann hat es aber gedreht und es ging immer mehr daneben – auch das grosse Geschäft. Sie wollte von sich aus wieder die Windel. Ich fürchtete, wenn wir sie wieder Windeln tragen lassen, wird sie nicht wieder wechseln wollen – und so ist es jetzt leider auch. Nun steht der Kiga vor der Tür und es bleibt mir nichts anderes übrig, als sie in Windeln gehen zu lassen. Ist nicht einfach, locker zu bleiben. Aber ich weiss, dass sie in vielen anderen Dingen sehr gut und schon weit ist. Und auch sie wird irgendwann keine Windel mehr brauchen/wollen. Aber der vom System und der Gesellschaft gemachte Druck ist manchmal ziemlich ‚erdrückend‘.

    1. Avatar von Sandra Trupo
      Sandra Trupo

      Danke fürs Teilen eurer Erfahrung. Schön, dass ihr versucht, locker zu bleiben und euch vom Druck von aussen nicht erdrücken zu lassen. Eurer Tochter einen tollen KiGa-Start und euch als Eltern viel Geduld!

  2. Avatar von Anonym
    Anonym

    Vielen Dank für den informativen Artikel. Einen Aspekt vermisse ich jedoch. Mein Sohn war schon bei seinem 3. Geburtstag trocken. Das Trockenwerden ging problemlos, es sind auch nur ganz wenige „Unfälle“ passiert. Jedoch haben wir Probleme beim „grossen Geschäft“. Dieses will er partout nicht auf die Toilette machen (auch nicht mit WC-Ring), sondern noch immer in die Windeln. Habt ihr damit auch Erfahrungen oder Meinungen von Kinderärzten? Es wäre interessant zu wissen, ob auch andere Eltern mit diesem Problem „kämpfen“? Herzlichen Dank!

    1. Avatar von Sandra Trupo
      Sandra Trupo

      Hoi! Ich habe keine eigenen Erfahrungen, aber ich bin sicher: Du bist damit nicht allein. Ich habe schon von einigen Eltern gehört, bei deren Kindern das Sauberwerden auch eine Geduldsprobe war und deren Kinder nach dem Trockenwerden das grosse Geschäft weiterhin zurückhielten und nur in die Windel machen wollten.
      Ein etwas unkonventioneller Trick, der bei einer Familie half, die ich kenne: Unter dem Toilettensitz WC-Papier hindurchspannen, so landet der 💩 weich, es spritzt nicht und man kann sich danach noch verabschieden. Es war für das Kind schwierig, sozusagen einen Teil von sich loszulassen. Mit dem WC-Papier in der Übergangsphase ging’s leichter und irgendwann war auch das nicht mehr nötig.
      Vielleicht helfen auch Bilderbücher – oder wenn dein Kind schon etwas älter ist, das sehr amüsante Buch «Die Kackwurstfabrik» zum Vorlesen und gemeinsam Anschauen (gibt’s auch als Hörspiel und Tonie, aber die Bilder im Buch sind noch besser). Oder ein Tierkacke-Bingo.
      Und wenn du dich mit anderen Eltern und Expert:innen austauschen möchtest: Komm in unserer Community, wo du anonym Anliegen erfassen kannst. Die ersten 14 Tage der Mitgliedschaft sind kostenlos. Hier: https://mal-ehrlich.ch/community/

    2. Avatar von Anonym_2
      Anonym_2

      Ja, wir haben dasselbe Thema. Trockenwerden war um den 4. Geburtstag rum eine Sache von einer knappen Woche. Das grosse Geschäft haben wir nun schon mehrmals in Angriff genommen. Das Kind weigert sich wehement, inklusive Besuch beim Arzt wegen Verstopfung. Ich nehme es seit dem Arztbesuch gelassener und denke mir, wie auch im Artikel, dass vermutlich kein 20-jähriger mehr in die Windeln kackt :D Das Gute bei uns, der Zwerg macht wie ein Uhrwerk morgens in die Nachtwindel sein grosses Geschäft, daher mach ich mir auch keine Sorgen mit dem Kindergarten-Start.