Zu Hause gibt’s schon lange keinen Sex mehr. Also gehe ich auswärts.
Nachdem meine Frau irgendwann gar keinen Sex mehr wollte, musste ich ein Ventil für meine Lust finden. Heute hole ich mir bei Sexarbeiterinnen, was ich brauche. Und das hat unsere Ehe gerettet.
Am Anfang war der Sex mit meiner Frau fantastisch. Wir trafen uns oft und landeten meist im Bett. Aber so ist es wohl bei jedem frisch verliebten Paar. Auch die ersten Jahre des Zusammenlebens waren harmonisch, zumindest hatte ich das Gefühl, es gehe uns als Paar gut und es fehle uns an nichts.
Nach dem dritten Kind hatte ich das Gefühl, meine Frau ziehe die Reissleine. Sie zog sich körperlich immer mehr zurück. Als wir uns kennenlernten, war ich sexuell eher unerfahren. Meine Frau war in unserer Sexualität oft passiv. Das fiel mir nicht auf, denn ich hatte kaum Vergleichsgrössen.
Weil sie nie gross die Initiative ergriffen hatte, bemerkte ich auch nicht, als sie begann, das Interesse zu verlieren – oder als sie es schon verloren hatte.
Erst als sie sich komplett verweigerte, wurde mir klar, dass unser Liebesleben womöglich für sie nie befriedigend, sogar eine Belastung gewesen war. Sie hatte einfach ausgehalten und konnte das jetzt nicht mehr. Rückblickend sehe ich ihre klare Abweisung nach dem dritten Kind auch als ihr Versuch, unsere Ehe zu retten. Es war ihr Weg, sich Gehör zu verschaffen.
Sie wollte keinen Sex mehr und liess nicht mit sich reden
Obwohl sie mir nun ehrlich signalisierte, dass für sie vieles in unserer Sexualität nicht stimmte, war kein offenes Gespräch darüber möglich. Sie schlug mir also eine Paartherapie vor. Ich erfuhr erst später, dass meine Frau die Therapeutin vor allem als Vermittlerin sah. Diese sollte für mich übersetzen, dass für meine Frau das Thema Sex eigentlich abgeschlossen sei.
Wir hatten wöchentliche Paar- und Einzelgespräche über ein halbes Jahr hinweg. Die Therapeutin sah, dass ich mich bemühte und sehr offen war. Sie legte meiner Frau nahe, sie solle sich doch zumindest auf ein ehrliches Gespräch einlassen.
Als dies nicht fruchtete, stellte die Therapeutin die These auf, meine Frau missbrauche Sex als Machtinstrument, was nach meiner Meinung wiederum nicht fair war und nicht der Wahrheit entsprach. Ich widersprach deshalb nicht, als meine Frau die Therapie abbrechen wollte.
Es war dann doch wieder meine Frau, die mich Monate später auf meine Stimmungsschwankungen hinwies und den fehlenden Sex als Ursache dafür identifizierte. Wieder war sie es, die ein zehntägiges Paar-Seminar vorschlug.
Im Seminar ging es um Partnerschaft, Selbsterkenntnis, Tantra, Sex und Körperlichkeit.
Ich empfand das Seminar als sehr wertvoll, lernte viel über mich und über Zwischenmenschliches, erlebte andere Sphären und auch Spiritualität.
Ich musste aber auch einsehen, dass sich meine Frau ihrem Körper nicht stellen kann. Im Seminar gab man uns eine Hausaufgabe. Wir sollten uns auf unsere Zimmer zurückziehen und uns voreinander selbst befriedigen. Meine Frau war nicht in der Lage, ihre Scham zu überwinden. Das endete in einem heftigen Streit, der dann auch die letzten zwei Seminartage überschattete.
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Nichts brachte den Sex zurück
Zuhause musste ich einsehen: Wir würden nie über unsere Intimitätsschwierigkeiten reden können. Für meine Frau war es einfach nicht möglich. Ich wusste jetzt, es würde sich nie etwas ändern.
Sie erzählte mir zwar, sie habe Angst vor einer erneuten Schwangerschaft. Die Verhütungsmittel, die wir bisher ausprobiert hatten, schienen für sie nicht zu funktionieren. Entweder habe sie Stimmungsschwankungen wegen der hormonellen Verhütungsmittel oder kein schönes Erlebnis wegen der Kondome. Ich liess mich unterbinden. Aber auch das änderte nichts. Wir hatten weiterhin keinen Sex.
Für meine Frau hatte sich die Sexfrage einfach erledigt.
Ich wusste, ich brauchte einen Ausweg, ein Ventil, für die angestaute Lust. Es fiel mir nicht leicht. Die Option von bezahltem Sex stand im Raum. Ich musste mich dennoch stark überwinden, denn die anerzogenen Moralvorstellungen konnte ich nicht einfach wegwischen.
Ich besorgte mir Sex ausser Haus
Der Sex mit den Sexarbeiterinnen oder Eheretterinnen, wie ich sie mittlerweile nenne, ist für mich komplett anders als der Sex in einer Partnerschaft. Ich treffe auf selbstbewusste Frauen, die mir zeigen, was es alles Aufregendes auf dieser Welt gibt.
Ich versuche wirklich, die Selbstbestimmten zu finden, jene, die ihren Job aus Überzeugung machen.
Ich kenne junge Frauen, aber auch welche in meinem Alter.
Heute möchte ich diese Besuche nicht mehr missen. Meine Frau wird nie eine solch unverfängliche Beziehung zu ihrem Körper haben wie meine Eheretterinnen. Nach den sexuellen Erlebnissen mit ihnen fühle ich mich jeweils wie neugeboren, ge-resettet, die Welt ist wieder farbiger.
Diese anderen Frauen ermöglichen mir auch, wieder besser mit der Abweisung, die ich durch meine Frau erfahre, klarzukommen. Mit diesen Erfahrungen fiel der sexuellen Druck von unserer Partnerschaft ab. Als die Kinder ausgezogen waren, fingen wir fast von selbst an, wieder mehr an unserer Partnerschaft zu arbeiten.
Gnadensex
Wir hatten wieder bessere und intimere Gespräche. Meine Frau begann, regelmässig ohne mich in den Urlaub zu fahren. Ich hatte den Eindruck, das tue uns beiden gut, vor allem auch, weil sie mehr Erholung benötigt und ich nach wie vor beruflich sehr eingespannt bin.
Irgendwann liess sie sich wieder auf Sex ein. Wir haben schon immer viel gekuschelt. Meist tat ich das jetzt ohne weitere Absichten, dank dem ausserehelichen Sex konnte ich das auch viel besser steuern. Aber wenn ich dann doch einmal mehr Nähe wollte, wich sie mir nicht mehr aus. Ich war verwundert.
Trotzdem ist es natürlich Gnadensex. Meine Frau schenkt mir etwas, damit es mir besser geht.
Sie ist immer noch genauso passiv wie früher. Aber der Sex mit ihr, mit meiner Lebenspartnerin, mit der ich zusammenlebe und so viel teile, ist eine andere Liga, sehr viel emotionaler und glücklicher und zufriedenstellender. Auch wenn ich weiss, dass sie mir damit entgegenkommt. Ich bin ihr trotz allem dankbar, dass sie es manchmal zulässt.
Ich fühle mich heutzutage auch nicht mehr gedemütigt oder wütend, wenn sie mich abweist. Ich nehme es nicht mehr so persönlich. Aber es bleibt für mich herausfordernd, mich in jeder Situation und bei jeder Gelegenheit zu beherrschen.
Spontanität und Emotionen bleiben schon auf der Strecke. Kompromisse sind eben auch kleine Tode.
Wir bleiben nach wie vor zusammen. In vielen Facetten unserer Beziehung funktionieren wir wunderbar. Und wer weiss, ob wir denn in einer anderen Partnerschaft nicht bald vor ähnlichen Problemen stehen würden?
Immer noch zusammen und irgendwie versöhnt
Wir müssen auch nicht alles voneinander wissen. Ich habe das Gefühl, im Stillen sind wir uns bei allem einig. Ich weiss nicht, ob meine Frau weiss, dass ich mir meine Sexualität anderswo organisiert habe. Vielleicht ahnt sie es. Ich habe das Gefühl, sie hat mir die Freiheit gegeben, wenn auch unausgesprochen.
Unser drittes Kind ist mittlerweile zwanzig Jahre alt. Mein Erkenntnisprozess hat sich viele Jahre lang hingezogen, ich schätze so an die sechs bis acht Jahre. Aber heute empfinde ich es wirklich so, wenn ich sage: Ich trage keine Schuld für mein Wollen, meine Frau kann nichts für ihr Nicht-Wollen. Ich bin froh, habe ich unsere Partnerschaft nicht aufgegeben, obwohl es ein steiniger Weg war bis hin zu dieser Akzeptanz.
Und mal ehrlich: Unsere Beziehungs-Geschichte ist ja noch nicht zu Ende, wer weiss, was noch kommt.
Anmerkung der Redaktion
Die mal ehrlich Redaktion möchte mit diesem Artikel Sexarbeit/Prostitution und alles, was damit zusammenhängt, weder anprangern noch verharmlosen.
Dies ist ein komplexes Thema, allein schon bei den Begrifflichkeiten gibt es Kontroversen. Es stehen viele Fragen im Raum, wie beispielsweise: «Gibt es wirklich die selbstbestimmte Prostitution? Sind Sexarbeiterinnen nicht immer in irgendeiner Form unterdrückt? Soll Prostitution in der Schweiz weiterhin legal sein? Würde ein Verbot die Bedingungen für die Sexarbeiterinnen/Prostituierten verschlimmern und verbessern?»
Unterschiedliche Perspektiven liefert die kürzlich erschienene Club-Sendung vom SRF zum Thema «Prostitution – zwischen Freiheit und Zwang.»
Informationen zum Beitrag
Veröffentlicht am 10. Dezember 2024.
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