
«80 Prozent von guter Elternschaft ist dabei sein»
Barbara Bleisch, bekannte Philosophin und SRF-Moderatorin, spricht im Podcast von mal ehrlich über das Elternsein, Vereinbarkeit, Erziehung und die Herausforderung, sich selbst dabei nicht aus dem Blick zu verlieren. In ihrem aktuellen Buch «Mitte des Lebens» beschreibt Bleisch diese Phase als eine Zeit der Bilanzierung, aber auch als eine Zeit des Reichtums.
«Immanuel Kant hatte recht, obwohl er selbst keine Kinder hatte», betont Bleisch im Gespräch. «Unsere Kinder sind eine Leihgabe. Und die wichtigste Aufgabe, die wir haben, ist, die Kinder in die Autonomie zu erziehen.» Diese Aufgabe erfordere einen sensiblen Umgang mit der Persönlichkeit des Kindes – ein ständiges Beobachten, Spüren und Versuchen zu verstehen, wer da heranwächst.
«Präsenz ist wichtiger als jedes Förderprogramm oder Erziehungskonzept.»
Auf die Frage, wie Eltern dies umsetzen können, hat die bekannte Philosophin eine ebenso einfache wie tiefgründige Antwort: «80 Prozent von guter Elternschaft ist dabei sein. Und zwar wirklich dabei sein: aufmerksam an der Seite sein, zuhören, mitgehen.» Diese Präsenz sei wichtiger als jedes Förderprogramm oder Erziehungskonzept.
In ihrer eigenen Erziehung hält sich Bleisch mit konkreten Tipps an ihre Kinder zurück: «Ich werde so oft gefragt, was ich meinen Kindern mitgebe. Wenig so konkrete Sachen. Ich halte mich extrem zurück mit Tipps. Es sei denn, sie fragen.» Für sie ist klar, dass viele Lebenserfahrungen selbst gemacht werden müssen.
Die Herausforderung der Vereinbarkeit
Die Frage, wie man Familie und Beruf unter einen Hut bringt, ist für viele Eltern zentral. Bleisch spricht offen über ihre eigenen Erfahrungen: «Die Sachen sind immer rausgefallen unter den Hutkrempeln.» Als die Kinder klein waren, ist sie bewusst beruflich kürzergetreten: «Ich habe damals weniger gemacht.»
Für das Gelingen ihres ganz persönlichen Modells nennt Bleisch mehrere entscheidende Faktoren: «Ich habe das Glück, in einer Partnerschaft zu leben, in der wir wirklich sehr gleichberechtigt unterwegs sind.» Diese gleichberechtigte Aufteilung sieht sie als grosses Privileg – nicht nur für ihre Karriere, sondern auch für die Beziehung selbst: «Man hat einfach immer mehr Verständnis füreinander, wenn man beide Seiten kennt.»
Das mit der Professur scheiterte für mich an der Tatsache, dass ich kleine Kinder hatte und nicht bereit war, ein Pendeln ins Ausland in Kauf zu nehmen.»
Neben der Partnerschaft hebt sie die Bedeutung eines unterstützenden Umfelds hervor: «Ich hatte Eltern, die angepackt haben, wo die Kinder klein waren. Ich hatte eine Tante, die zum Teil mit angepackt hat.» Auch verständnisvolle Arbeitgeber seien wichtig gewesen, «wenn ich ausgefallen bin.»
Gleichzeitig musste Bleisch berufliche Kompromisse eingehen: «Ich hätte gerne ursprünglich eine akademische Karriere verfolgt. Das mit der Professur scheiterte für mich an der Tatsache, dass ich kleine Kinder hatte und nicht bereit war, ein Pendeln ins Ausland in Kauf zu nehmen.»
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In einem grösseren Kontext spricht sie auch die geschlechtsspezifischen Unterschiede an, die immer noch bestehen: Während Mütter, die viel arbeiten, oft kritisch betrachtet werden («Die armen Kinder»), ernten Väter mit reduziertem Pensum häufig Bewunderung («Läck, mega cool, du machst einen Papi-Tag»).
Bleisch verweist auf die Notwendigkeit, als Gesellschaft umzudenken: «Elternschaft und Kindheit – dass das gelingen kann, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ohne dass ich die Verantwortung der Eltern wegnehme. Es ist eine grosse Aufgabe. Aber ich glaube, wir lassen die Familien zum Teil zu viel allein.»
Liebevolle Zuwendung, nicht Schuldgefühle
In ihrem Buch «Warum wir unseren Eltern nichts schulden» stellt Bleisch die konventionelle Sichtweise auf das Eltern-Kind-Verhältnis infrage. «Der Titel würde eigentlich heissen: Warum wir unseren Eltern nichts schulden, allein aufgrund der Tatsache, dass wir ihre Kinder sind», präzisiert sie. Eine Beziehung, die auf Schuldgefühlen basiert, könne keine gesunde sein.
Für Bleisch ist klar: «Ein Eltern-Kind-Verhältnis ist keine Freundschaft.» Es sei nicht frei gewählt, nicht aufkündbar, und Eltern seien nicht ersetzbar. «Aber die Gründe, warum wir uns umeinander bemühen, sollten aus liebevoller Zuwendung kommen und nicht aus einem Schuldgefühl.»
Produktion: Ellie Media
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Veröffentlicht am 13. Mai 2025