Im Camper mit der Familie: Achtsamkeit und Anfängerfehler
Wie kann man achtsamer Reisen? Zum Beispiel mit dem Camper, findet Michelle de Oliveira. So kommt die Seele mit.
«Auto! Auto! Autoooooo!» Unser Sohn konnte sein Glück kaum fassen: Ein Kurztrip im Camper mit der Familie, was bedeutete, sogar im Auto zu schlafen! Wir hätten ihm keine grössere Freude machen können.
Die Firma Citypeak Campers hat uns für drei Tage einen VW T6 California Camper zur Verfügung gestellt. Ausgerüstet mit allem, was man als Familie zum Campen braucht: Platz für vier Personen, Betten, Gasherd und Kühlschrank, Tisch und Stühle – und jede Menge Freiheit.
Wir fühlten uns wie Abenteurer, als wir endlich mit dem Camper auf die Strasse rollten.
Endlich? Ja. Denn das hatten wir uns zuerst verdienen müssen: Die Camper sind in Gebertingen im Kanton St. Gallen stationiert, von Zürich aus mit Zug und Bus gut anderthalb Stunden entfernt, inklusive dreimal umsteigen. Mit Sack und Pack und Kleinkind eine kleine Weltreise vor dem eigentlichen Reisebeginn. Hat man allerdings ein Auto, kann dieses kostenlos bei Citypeak eingestellt werden. Wer 300 Franken extra in der Reisekasse hat, kann sich auch den Service leisten, den Camper zum Wohnort bringen und nach der Reise wieder abholen zu lassen.
Während unseren Sohn vor allem die Armaturen und das Steuerrad interessierten, war ich vom ausgeklügelten System des Campers beeindruckt. Kein Quadratzentimeter bleibt ungenutzt, überall entdeckte ich etwas: geräumige Schubladen, ein Kleiderschrank im Miniatur-Format inklusive Spiegel und sogar ein Safe.
Übrigens bietet Citypeak eine App an, die offline funktioniert und mit der man jederzeit Videos aufrufen kann, wenn man zum Beispiel nicht mehr weiss, wie die Markise auszufahren oder die Standheizung einzuschalten ist. Super praktisch, wenn man gerade mit einem Mom-Brain gesegnet ist! Sogar eine Packliste findet sich auf der App.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Dennoch unterlief uns ein grosser Anfängerfehler.
Wir brachten eine Reisetasche und einen Koffer mit. Einen Koffer! Wahnsinnig unpraktisch, da wir ihn immer ganz rausholen, irgendwo ablegen und aufklappen mussten, nur um an ein Paar Socken zu kommen. Eine Reisetasche ist viel, viel praktischer.
Unser erster Halt führte uns auf die Insel Reichenau auf dem Bodensee. Der Zeltplatz Sandseele ist feudal ausgestattet, und der Sandstrand und das Restaurant machten uns glauben, irgendwo am Mittelmeer zu sein.
Unser Sohn fiel nach dem langen Tag todmüde und superhappy ins Bett, beziehungsweise auf die Matratze im unteren Teil des Campers, wo er wunderbar aufgehoben geschlafen hat. Mein Mann und ich schliefen oben im aufklappbaren Dach, genauso zufrieden.
Ein Sprichwort sagt, dass man hin und wieder Rast einlegen und warten soll, bis die Seele einen eingeholt hat.
Ich finde, dass ein Camper-Trip eine viel achtsamere Art des Reisens ist, als wir es vom Fliegen kennen. Man bekommt ein Gefühl für Distanzen, und wir konnten besser beobachten, wie sich die Landschaft veränderte, zum Beispiel als wir durch den beeindruckenden Schwarzwald fuhren, den ich bisher nur vom Namen her gekannt hatte. Während unser Sohn auf dem Rücksitz schlief, diskutierten wir über viele Themen, die im Alltag oft untergehen. Ich hatte das Gefühl, unsere Seelen reisten mit uns.
Am Morgen regnete es, aber unser Sohn stürmte trotzdem direkt auf den Spielplatz, wo er bereits morgens um sieben einen Spielkameraden fand.
Campingplätze sind unendlich grosse Spielplätze für Kinder!
Später gönnten wir uns ein gediegenes Frühstück im nahe gelegenen Hotel Inselglück (super fein und super beliebt – reservieren empfohlen). Unser kleiner Passagier hatte aber wenig übrig für ausführliches Frühstücken und fragte bald mit grossen Augen: «Auto?»
Er war glücklich, als wir endlich weiterfuhren. Rückblickend würden wir unseren Autositz mitbringen, anstatt einen zu mieten. Der eigene passt von der Grösse her sicher, man ist mit dem Handling vertraut und auch das Kind kennt ihn schon.
Weil das Wetter noch immer nass und grau war, besuchten wir das Aquarium Sea Life in Konstanz. Uns war es aber zu voll und zu eng.
Wir vermissten bereits unser Zuhause auf vier Rädern.
In Freiburg im Breisgau machten wir später einen ausführlichen Spaziergang durch das Städtchen und folgten den kleinen Schiffen auf den Bächle, den Wasserläufen, die ein Markenzeichen Freiburgs sind. Die Bewegung tat uns gut, wir sind lange Autofahrten definitiv nicht gewohnt.
So viel Neues zu entdecken, machte hungrig: Der Sohn hat im Biergarten ein ganzes Kinderschnitzel und eine gute Portion „Brägele“ – Bratkartoffeln – verdrückt. Gekocht haben wir nicht in der kurzen Zeit, zu verlockend waren die herzigen Restaurants. Aber die Milch für unseren Sohn war dank des Gasherds ruckzuck warm. Und den Kühlschrank haben wir genutzt, um die Milch zu kühlen und Früchte und Snacks frisch zu halten.
Die zweite Nacht verbrachten wir ausserhalb Freiburgs auf dem Campingplatz Elztalblick. Dieser ist eher klein und einfach eingerichtet, aber herrlich ruhig – und dank der Nebensaison hatten wir jede Menge Platz für Fangis und Fussball.
Langsam hatten wir uns ans Leben im Camper mit der Familie gewöhnt, der Umbau zum Nachtlager ging bereits in der zweiten Nacht viel schneller, und wir fanden die meisten Dinge auf Anhieb. Und so viel Zeit draussen zu verbringen, war für uns Städter eine Wohltat.
Das Leben im Camper mit Familie tut gut.
Schade, mussten wir den Camper schon wieder zurückbringen. Auf der Heimfahrt legten wir in Basel einen Halt ein und assen am Rhein Zmittag. Und recherchierten, wie viel so ein Camper kosten würde. Leider viel zu viel für unser Budget. Aber wir überlegen uns, nächsten Sommer einen Camper zu mieten und zwei Wochen Camping-Ferien zu machen.
Das ist zwar auch nicht gerade günstig. Aber die Ferien versprechen viel: Freiheit, dorthin zu fahren, wo es uns hinlockt; zu bleiben, wenn es uns gefällt – und unseren Sohn sehr, sehr glücklich zu machen.
Autorin
Wart Ihr auch schon mit Eurer Familie im Camper unterwegs? Yay oder never ever? Zum Kommentieren bis ganz nach unten scrollen.
Full Disclosure: Der Camper wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt, zudem erhalten wir ein redaktionelles Honorar. Wie immer gilt: Unsere Meinung und unser Urteil sind nicht käuflich.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 15. August 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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