Getrennte Eltern: Wie regeln wir Wohnen und Betreuung der Kinder?
Nach einer Trennung müssen Eltern sich für ein Betreuungsmodell und eine Wohnform entscheiden. Ein Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten und ihre Vor- und Nachteile.
Ich habe es zweimal erlebt: eine Trennung in einer Partnerschaft mit Kindern. Eltern, die ebenfalls durch eine Trennung oder später eine Scheidung gegangen sind, wissen: Am Anfang herrscht oft emotionales Chaos. Wut, Enttäuschung, Angst und Trauer – für manche auch Erleichterung – müssen erst einmal verarbeitet werden. Die Kinder sind bedürftig, das Umfeld stellt Fragen, und es müssen viele Entscheidungen getroffen werden.
Trennungen von Eltern erfolgen aus den unterschiedlichsten Gründen und verlaufen dementsprechend individuell: Von friedlichen und kooperativen bis hin zu bösartigen und narzisstischen Scheidungskämpfen gibt es alles. Viele Fragen, die sich getrennte Paare stellen müssen, sind jedoch ähnlich. Die meisten drehen sich leider zunächst um Besitz und Geld. Wer muss wie viel Unterhalt bezahlen? Wer begleicht die Schulden, und wie wird das Vermögen geteilt? Wem gehört was im Haushalt? Bald stellt sich auch die Frage nach der richtigen Wohn- und Betreuungsform.
Welches Wohn- und Betreuungsmodell ist für die Kinder und die Eltern am gesündesten und am besten finanzierbar?
Die meisten Paare entscheiden sich im Anfangsstress für das klassische Modell: zwei Wohnungen, wobei die Kinder die meiste Zeit bei der Mutter (in heterosexuellen Beziehungen) verbringen.
Dabei gibt es viele Alternativen. Wir haben eine Liste möglicher Wohn- und Betreuungslösungen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen für getrennte Eltern zusammengestellt. Welches Modell passt zu dir?
Wohnmodelle
1. Nestmodell (Wechselmodell im selben Zuhause)
Die Kinder bleiben im gemeinsamen Zuhause, und die Eltern wechseln sich mit der Betreuung ab. Die Eltern leben in separaten Wohnungen und verbringen abwechselnd Zeit mit den Kindern im Familienheim.
Vorteile:
- Die Kinder behalten ein stabiles Umfeld sowie ihr gewohntes Zuhause, ihre eigenen Zimmer und Sachen.
- Die Kinder müssen nicht zwischen zwei Haushalten pendeln, was Stress reduzieren kann.
- Die Kinder können ihre gewohnte Umgebung, Schule und ihren Freundeskreis beibehalten.
Nachteile:
- Hoher finanzieller Aufwand, da drei Wohnmöglichkeiten benötigt werden: zwei Wohnungen oder WG-Zimmer für die Eltern plus das gemeinsame Zuhause.
- Eltern müssen sich bezüglich des Haushalts, der Einrichtung etc. einig sein, um Konflikte zu vermeiden.
- Hoher logistischer Aufwand für die Eltern, da sie zwischen zwei Wohnorten pendeln müssen. Kleidung und Toilettenartikel müssen an beiden Orten verfügbar sein.
- Weniger Privatsphäre gegenüber dem oder der Ex-Partner:in, als wenn beide Elternteile die Kinder in ihrer eigenen Wohnung betreuen.
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2. Modell mit zwei Haushalten (klassisches Wechselmodell oder Residenzmodell, heute das gängigste)
Die Kinder haben zwei feste Wohnorte – bei jedem Elternteil einen – und pendeln zwischen beiden. Dies kann in verschiedenen Rhythmen organisiert werden (siehe Betreuungsmodelle weiter unten).
Vorteile:
- Klare Trennung der Wohnräume, weniger emotionale Belastung und mehr Privatsphäre für die Eltern.
- Eltern können ihre Wohnungen individuell gestalten. Ein Neuanfang gelingt so vielen einfacher.
- Allfällige neue Partner:innen können sich auf neutralerem Boden bewegen.
Nachteile:
- Kinder müssen zwischen zwei Haushalten pendeln, was für manche Kinder belastend sein kann.
- Mehr Aufwand für die Kinder (Schulsachen, Kleidung etc. in beiden Haushalten).
- Wenn die Wohnorte nah beieinander sein sollen, ist oft eine schwierige Wohnungssuche erforderlich.
- Es werden zwei grosse Wohnungen benötigt, nicht nur eine wie beim Nestmodell.
- Möglicherweise längerer Schulweg für die Kinder aus einem der Haushalte. Auch Wege zu Hobbys und Freund:innen verlängern sich eventuell.
3. Zwei Haushalte mit Co-Housing, in Wohngemeinschaft, Mehrfamilienhaus oder Cluster-Wohnung
In diesem Modell lebt beispielsweise eine alleinerziehende Mutter in einer Gemeinschaft mit anderen Alleinerziehenden zusammen. Alle Bewohner:innen haben ihre eigenen Wohnungen (im Mehrfamilienhaus) oder Zimmer (in Wohngemeinschaften oder Cluster-Wohnungen). Es gibt gemeinschaftliche Bereiche, die von allen genutzt werden können, z. B. die Küche.
Vorteile:
- Unterstützung durch die Gemeinschaft, weniger Einsamkeit.
- Stabiles Umfeld für die Kinder, möglicherweise auch mehrere Bezugspersonen.
- Kinderbetreuung kann teilweise gemeinsam organisiert werden.
- Förderung der Sozialkompetenz der Kinder.
- Finanzielle Entlastung durch niedrigere Mietkosten und das Teilen der Ausgaben für Lebensmittel etc.
Nachteile:
- Weniger Rückzugsmöglichkeiten für Menschen, die Ruhe brauchen, als in einer eigenen Wohnung.
- Offenheit für gemeinschaftliches Leben und Rücksichtnahme auf andere erforderlich, sonst droht Stress.
- Möglicherweise unterschiedliche Vorstellungen von Sauberkeit, Ordnung, Lärm und Kindererziehung, was Konfliktpotenzial birgt.
- Höherer Kommunikationsaufwand, als wenn man alleine wohnt.
4. Gemeinsames Haus oder Wohnung
Alle wohnen weiterhin zusammen, aber in getrennten Zimmern oder Wohnbereichen. In einem Haus bewohnt z. B. jeder Elternteil ein Stockwerk. In Wohnungen oder Cluster-Wohnungen hat jeder Elternteil sein eigenes Zimmer. Wohnzimmer, Küche und Garten werden gemeinsam genutzt.
Vorteile:
- Die Kinder bleiben in ihrem gewohnten Umfeld.
- Keine finanziellen Veränderungen in Bezug auf die Wohnkosten. Alle Fixkosten im Zusammenhang mit Wohnen und Essen werden geteilt, was eine günstige Lösung darstellt.
- Es müssen kaum neue Möbel angeschafft werden.
- Kein Aufwand mit Ummeldungen der Adresse für einen Elternteil.
- Je nach (kulturellem) familiären Umfeld muss niemand von der Trennung erfahren, wenn die Eltern das nicht preisgeben möchten.
Nachteile:
- Hohe emotionale Belastung für die Eltern durch zu viel Nähe.
- Grosses Streitpotenzial.
- Kinder können den Konflikten der Eltern nicht ausweichen.
- Schwierige Situation für allfällige neue Partner:innen.
Betreuungsmodelle
Die Wohnsituation allein klärt noch nicht die Betreuung der Kinder. Nachfolgend einige Beispiele für mögliche Lösungen der Betreuung, wenn das Wohnen geklärt ist.
1. Wechselmodell (50/50-Betreuung)
Beide Elternteile teilen sich die Betreuung der Kinder zu gleichen Teilen. Die Kinder verbringen zum Beispiel eine Woche mit dem einen Elternteil, die andere Woche mit dem anderen.
Vorteile:
- Beide Elternteile haben gleich viel Zeit mit den Kindern, was eine starke Bindung zu beiden fördert.
- Fairere Aufteilung von Verantwortung, Finanzen und Alltagsorganisation.
- Kinder erleben eine gleichberechtigte Beziehung zu beiden Elternteilen.
Nachteile:
- Schwieriger bei sehr jungen Kindern, da sie häufige Wechsel schlechter verkraften.
- Unterschiedliche Regeln und Strukturen der Eltern können zu Verwirrung führen.
- Erfordert eine hohe Kooperationsbereitschaft der Eltern.
2. Residenzmodell (überwiegender Aufenthalt bei einem Elternteil, in der Schweiz meistens bei der Mutter)
Hier leben die Kinder hauptsächlich bei einem Elternteil, während der andere Elternteil zum Beispiel an Wochenenden oder an festgelegten Tagen die Kinder zu sich nimmt oder betreut – bis hin zu keinem Kontakt mit dem anderen Elternteil.
Vorteile:
- Stabiles Umfeld für die Kinder, da sie überwiegend in einem Haushalt leben.
- Weniger Umzug und Pendeln, was vor allem für kleine Kinder vorteilhaft ist.
- Klare Aufteilung der Rollen und Verantwortungen.
Nachteile:
- Ein Elternteil hat deutlich weniger Kontakt mit den Kindern, was die Beziehung belasten und zu emotionaler Distanz führen kann.
- Belastung für den betreuenden Elternteil, da dieser den Grossteil der Verantwortung trägt.
- Finanzielle Belastung für den weniger betreuenden Elternteil, der oft Unterhalt zahlen muss.
- Häufig Zementierung stereotyper Geschlechterrollen, wie «Mami ist für alles zuständig, Papi kommt für den Spass».
3. Wechselmodell mit kleineren Abständen (z. B. 2-2-3-Modell oder 3-4-Modell)
Statt einer ganzen Woche bei jedem Elternteil, wechselt das Kind alle ein bis zwei Tage oder alle drei Tage zwischen den Eltern.
Vorteile:
- Kinder haben regelmässig Kontakt zu beiden Elternteilen und erleben mit beiden viel Alltag.
- Für jüngere Kinder oft besser, da sie nicht zu lange von einem Elternteil getrennt sind.
Nachteile:
- Sehr viele Wechsel zwischen den Haushalten, was anstrengend sein kann.
- Schwieriger, eine stabile Alltagsroutine zu etablieren.
- Für die Eltern potenziell aufwändigere und kompliziertere Planung.
- Vieles muss doppelt angeschafft werden: Fahrräder, Rollstuhl, Kinderwagen, Kleidung, eventuell auch Schulsachen etc.
4. Flexibles Wechselmodell (nach individuellen Bedürfnissen)
Die Betreuung wird flexibel an die Bedürfnisse der Kinder und Eltern angepasst, abhängig von Arbeitszeiten, Ferien oder besonderen Anlässen. Die Aufteilung ist nicht strikt 50/50.
Vorteile:
- Adaptive und flexible Lösung, die individuell auf die Situation zugeschnitten werden kann.
- Möglichkeit, auf die Bedürfnisse der Kinder und die Lebensumstände der Eltern einzugehen.
- Eltern können flexibel planen, wenn sie unterschiedliche Arbeitszeiten haben oder häufig im Ausland sind.
Nachteile:
- Unruhige Struktur für die Kinder, da es keine festen Regeln gibt. Das kann viele Kinder überfordern.
- Hohe Anforderungen an die Kommunikation und Flexibilität der Eltern. Potenzial für Missverständnisse oder Fehlplanungen ist gross.
- Konfliktpotenzial bei spontanen Änderungen oder Unstimmigkeiten, oder wenn sich die Bedürfnisse ändern.
Die Wahl des geeigneten Wohn- und Betreuungsmodells nach einer Trennung ist sehr individuell. Ob es das richtige Modell ist, hängt stark von den Bedürfnissen der Kinder, den Lebensumständen der Eltern und ihrer Bereitschaft für alternative Modelle ab.
Kennst du noch weitere Lösungen? Schreibe es uns in den Kommentaren.
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Veröffentlicht am 11. November 2024
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