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«Wir haben uns vor zwei Jahren getrennt, spielen aber immer noch heile Familie»

Kann man eine Trennung verschweigen? Ein ehemaliges Paar findet: Ja. Und erzählt seine Beweggründe.

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Von anonym

Familie sitzt am Esstisch bei Spaghetti und Salat, alle lächeln unnatürlich. Wieso spielt man als Familie heile Welt, auch nach einer Trennung?

Vielleicht sind wir besonders feige oder besonders mutig, das ist irgendwie schwer zu sagen. Denn wir leben unter einem Dach und wirken gegen aussen wie eine normale Familie. Aber wir sind kein Liebespaar mehr, schon seit zwei Jahren nicht mehr.

Das ist unser Geheimnis.

Wir möchten erzählen, warum das so ist, weil wir per Zufall auf zwei andere Familien gestossen sind, die es ähnlich halten. Diese Familien und wir vermuten, dass es viel mehr Eltern so machen, als man denkt.

Wieso spielen wir heile Familie?

Wir haben früh geheiratet, weil man uns sagte, das sei eine gute Sache und gehöre sich so. Es gab keinen Moment des Zweifelns, weil alle um uns herum ins selbe Horn stiessen:

Hast du jemanden gefunden, der nett ist und aus derselben Gegend? Dann ist das perfekt und kann festgenagelt werden.

(Ein beliebtes Spiel an Hochzeiten war damals tatsächlich, dass der Mann einen Slip seiner Ehefrau auf ein Brett oder an eine Stalltüre nagelt. Das ist 18 Jahre her und wir haben uns damals nichts dabei gedacht, für uns war das ein Jux. Heute finden wir diese Symbolik beide grässlich.)

Wir sind früh Eltern geworden, weil das bei uns auf dem Land als etwas Normales gilt. Wir waren 22 und 23 Jahre alt, als unsere Tochter zur Welt kam. Eineinhalb Jahre später kam ein Sohn hinzu, zwei Jahre später noch einer. Wie man das so macht, kurze Abstände, ständig schwanger oder stillend, jawoll.

Ja, wir leben auf dem Land, in einem Dorf, das gar nicht so weit von einer grossen Stadt entfernt ist. Trotzdem fühlt es sich manchmal sehr weit weg an.

Hier auf dem Land gelten andere Regeln.

Es ist wichtig, sich konform zu verhalten, nicht aufzumucken, nicht zu den «komischen Leuten» zu gehören. Wir haben einfach gemacht, was alle machen. Oder sagen wir: Was alle machen, über die «man» im Dorf eine gute Meinung hat.

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Als die Kinder zur Welt kamen, schien es für uns ganz normal, dass beinahe jedes Dorfmitglied etwas beizusteuern hatte – im Guten wie im Schlechten.

Wir durften auf ganz viele Hilfestellungen zählen, erhielten Kleidung oder Spielzeug, Kinderbetreuungs-Angebote oder auch Trost in strengen Zeiten. Aber es hatten auch alle etwas zu sagen.

Was immer wir taten oder nicht als Eltern: Es war nie nur unser Ding. Jede und jeder wollte uns reinschwatzen.

Lange dachten wir, das sei halt so. Natürlich fanden wir es machmal nervig oder belastend. Aber wenn du dich jemandem anvertraut oder reklamiert hast, wurde das oft damit erklärt, dass halt alle dich und deine Familie gern haben.

Alle «meinen es ja nur gut», hiess es immer wieder.

Wir möchten das gar nicht bestreiten. Aber wir haben gemerkt, dass das etwas mit uns macht. Wir fühlten uns ständig kontrolliert und bewertet.

Wenn man wie wir so lange in diesem Dorf lebt, dann weiss man: Alle wissen über alles Bescheid. Wer ist fremdgegangen, wer dreimal durch die Autoprüfung gefallen, wer hat ein Alkoholproblem… alles kein Geheimnis, man erzählt sich davon.

Wir waren ein Teil von all dem – bis vor zwei Jahren.

Unsere Beziehung kriselte schon lange und wir gestanden uns irgendwann während der Pandemie ein, dass wir nicht mehr glücklich sind.

Wir hörten damals gemeinsam den Podcast Paardiologie und das hat Gespräche in Gang gebracht. Es gab ja nichts zu tun, das Dorfleben stand still, man blieb für sich und wir hatten erstmals die Möglichkeit, all die anderen Stimmen auszublenden.

Wir redeten und informierten uns, gingen einige Male in eine Paartherapie in der Stadt. Nach vielen Monaten stand dann für uns fest, dass wir uns gerne im Guten trennen möchten.

Natürlich tat die Trennung weh, es gab viele Streitereien und unschöne Worte und Momente des Zweifelns. Trotzdem finden wir, wir haben das recht gut geschafft.

Als der Paartherapeut uns fragte, wie wir die Trennung kommunizieren möchten, beschlossen wir: erst mal gar nicht.

Das war so ein schöner Moment, diese Einigkeit. Es wirkt kitschig, aber das war ein bewusster, gemeinsamer Entscheid.

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Diese Trennung ist unser Geheimnis. Endlich etwas, das nur uns gehört.

Seither leben wir so: In unserem gemeinsamen Haus, mit den drei Kindern. Für diese gibt es keinen Unterschied. Weil es schon länger kriselte bei uns, haben sie sehr wenige Liebesbezeugungen oder Küsse miterlebt. Und getrennte Schlafzimmer haben wir auch schon länger.

Früher haben wir viel mehr gestritten, seit der Trennung gehen wir sorgsamer miteinander um. Wir können uns mehr aus dem Weg gehen, wenn wir genervt oder überlastet sind.

Wann werden wir das Geheimnis lüften?

Wir haben beide keine guten Beziehungen zu unseren Eltern, die auch im Dorf leben. Bei gelegentlichen Treffen führen wir oberflächliche Plaudereien. Es ist nicht schwer, ihnen etwas zu verschweigen.

Unsere Teenagertochter, sie ist mittlerweile 16, weiss es. Wir haben ihr gesagt: «Wenn du möchtest, dass wir es allen sagen, dann machen wir das sofort.» Aber sie findet es gut so, wie es ist. Sie zieht im Herbst weg von hier, macht eine Ausbildung im Ausland und ist froh, fortzukommen von all diesen Meinungen und Urteilen.

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mal ehrlich
Checkliste Trennung

Natürlich wollen wir es unseren Söhnen auch bald sagen. Und irgendwann dann auch dem Dorf. Aber die letzten zwei Jahre waren gut für uns.

Wir konnten den Trennungsschmerz verarbeiten, ohne dass irgendjemand etwas dazu gesagt hat.

Wenn man in der Stadt wohnt, kann man sich das vielleicht gar nicht vorstellen, diese Vereinnahmung. Wir glauben auch nicht, dass es in jedem Dorf so ist. Wir hätten früher wegziehen sollen, uns diese Freiheit herausnehmen. Und schauen, wo es besser ist für uns.

Unser Schweigen fühlt sich an wie ein Krafttanken. Wer weiss, vielleicht ziehen wir wirklich fort von hier. Nicht mehr als Paar, aber als Eltern-Team.


Informationen zum Beitrag

Veröffentlicht am 25. Juli 2024


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2 Antworten

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  1. Avatar von Anonym
    Anonym

    Hallo me Team, ich finde eure Artikel und Podcasts super und fühle mich öffters identifiziert. Könnt ihr einen Artikel oder Podcast über Einzelkinder und Vorurteile machen?

    1. Avatar von Anja Knabenhans
      Anja Knabenhans

      Danke für den Input, nehmen wir gerne auf die Ideenliste! Wir geben aber auch immer gerne Tipps: Die annabelle hat grad kürzlich drüber geschrieben – und es gibt auch eine Folge Beziehungskosmos-Podcast zu diesem Thema. Liebe Grüsse!