Aufräumen? Liegen lassen! Wie wir lernen, uns mehr Freizeit zu nehmen
Ein perfekt aufgeräumter Haushalt, ist das wirklich so wichtig? Psychotherapeutin Felizitas Ambauen mit einer Anleitung für weniger Ordnung und mehr Genuss.
Dieser Text richtet sich nicht an diejenigen, die so gern aufräumen, dass es kaum je eine Pflicht für sie ist. Die in einer geschenkten freien Stunde sofort die Schubladen à la Marie Kondo ordnen. Schön, dass ihr Freude daran habt! Nothing wrong with it! Aber dieser Text ist für andere.
Für diejenigen, die ähnlich gestrickt sind wie ich oder die mehr so werden möchten.
Ich mag eine aufgeräumte und frisch geputzte Wohnung. Aber Aufräumen und Putzen erlebe ich meist als lästige Pflicht und Anstrengung. Immer schon. Wenn man heute zu mir nach Hause kommt, stürzt man zwar nicht total ins Chaos, als aufgeräumt würde es jedoch definitiv niemand bezeichnen. Es ist sehr belebt.
Auch ich musste erst lernen, Sachen liegen zu lassen.
Dadurch habe ich viel mehr freie Zeit für mich sowie für Menschen und Tätigkeiten gewonnen, die mir wichtig sind. Ich plädiere deshalb hiermit für die unaufgeräumte Wohnung!
Ich lebe mit meinem Mann und meiner Tochter in zwei Ländern, mit zwei Haushalten, die beide nicht aufgeräumt sind. Mir kommt zugute, dass mein Mann ebenso wenig Priorität auf gewichste Fussböden legt wie ich und wir beide das Chaos auch einfach mal Chaos sein lassen können. So einen Partner oder eine Partnerin, generell so ein Umfeld zu haben, hilft natürlich!
Denn gerade uns Frauen wird von der Gesellschaft immer noch häufig suggeriert, einen perfekt aufgeräumten Haushalt zu führen, das gehöre sich für eine (gute!) Frau. Manche denken: Unordentliche Frauen sind einfach nur faul.
Und auch wenn das jetzt sehr nach alten Rollenmodellen klingt, es ist heute halt immer noch tief in den Köpfen verankert, dass die Frau vorrangig für die Ordnung zuständig ist – und vor allem, dass es mit ihrem Selbstbild verknüpft wird. Gleichzeitig wird auch von Männern immer mehr erwartet, dass sie sich im Haushalt engagieren.
Übrigens sind die Marie Kondos dieser Welt auch nicht hilfreich, wenn sie in Aussicht stellen, dass mit der Wohnung auch gleich die Beziehung mit aufgeräumt wird. (Dream on!) Es ist wichtig, dass dies entkoppelt wird!
Und klar, es hilft, Unordnung auszuhalten, wenn die eigene Toleranz gegenüber Chaos immer schon etwas erhöht war.
Gute Nachricht an dieser Stelle: Die Chaostoleranz lässt sich erhöhen!
Weniger aufräumen, mehr leben? So geht’s:
Ich bin ein Mensch, der gerne was tut, der immer voller Tatendrang steckt und am liebsten 20 Dinge aufs Mal anpackt. Das kam mir aber nicht wirklich zugute: Ich war schnell ausgelaugt und erschöpft. Mutter sein, im Schnitt 25-30 Stunden pro Woche arbeiten, Reisen planen, Freunde treffen, lesen und Kaffee trinken: Geht nicht alles aufs Mal.
Ich brauchte einen Plan für mehr Freizeit!
Als erstes schrieb ich auf einem Wochenkalender alles auf, was ich in einer typischen Woche so machte. Alles Schöne, alles Entspannende, alles Lästige, alle Pflichten, Arbeitszeiten etc. Um zu sehen, wie viele Stunden ich verplant hatte und wo es Freiräume gab. Und – oh Überraschung! – es gab kaum Freiräume und sehr viele To-do’s!
Anschliessend unterteilte ich die ganzen Tätigkeiten in zwei Gruppen:
1. Ausgleich
Das mache ich gern, das tut mir gut und gibt mir im Normalfall mehr Energie. Bei mir stand da zum Beispiel Spielen mit meiner Tochter, Film gucken mit meinem Mann, lesen, Kaffee trinken im Bett, Freundinnen treffen, Tagebuch schreiben, draussen sein, Klavier spielen etc.
2. Pflicht
Das muss ich tun oder das meine ich, tun zu müssen, und nimmt mir normalerweise Energie weg. Da kommen bei mir fast alle Haushaltsarbeiten rein, mit dem Kind zur Vorsorgeuntersuchung gehen, Buchhaltung machen etc.
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Das war schon mal sehr interessant! Ich sah, dass ich (theoretisch!) viele Ausgleichstätigkeiten hatte. Dass ich es aber oft verpasste, diese ideal in den Alltag einzubauen.
Kennt ihr sicher auch: Die schönen Tätigkeiten fallen dem Pflichtprogramm zum Opfer.
Als nächstes habe ich die erste Gruppe noch mal unterteilt: Was von den ausgleichenden Dingen mache ich besonders gern? Was ist leicht umsetzbar? Welche Tätigkeiten sind zu welchen Zeiten besonders gut umsetzbar? Diese Überlegungen sind wichtig, weil einem sonst vielleicht gar nichts in den Sinn kommt, wenn man mal unerwartet ein Zeitfenster hat.
Ich habe zum Beispiel meist ein Buch dabei, wenn ich rausgehe, oder den nächsten Podcast schon klickbereit, damit ich spontan entstehende Räume nutzen kann. Ich kenne meine Liste mittlerweile auswendig und weiss, dass «Badewanne» bei mir ganz oben steht und «Buch lesen» kombiniert mit «Kaffee trinken» am besten morgens im Bett geht. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit enorm, dass ich meine Freiräume optimal nutzen kann.
Nun zu der Pflicht-Liste. Diese wird in vier Teile unterteilt:
1. Was davon will/muss ich tun und ist schwer zu verschieben?
Zum Beispiel lässt sich das «Küche machen» schwerer verschieben als die Steuererklärung. Und das Kind kann nicht erst übermorgen gewickelt werden.
2. Was kann ich verschieben?
Der Gang in die Drogerie kann auf morgen verschoben werden, wenn ich es auf dem Weg zur Arbeit erledigen kann. Die Geschirrschublade aufzuräumen, verschiebe ich schon über ein Jahr.
3. Was kann ich delegieren?
Was muss ich wirklich selber tun? Diese Gruppe hat sehr viel Potential: Das Putzen kann man auslagern, das Einkaufen, ja sogar das Besorgen der Bastelutensilien oder die Gartenarbeit!
Zudem kann man als Paar Ämtchen aufteilen, wenn einem das entspricht, auch das ist Delegieren. Das mit der Geschirrschublade könnte ich ja auch in diese Gruppe schieben, merk ich grad…!
Kooperation
quitt reduziert den Admin-Aufwand!
Wenn ihr einen Teil der Haushaltsarbeiten auslagert, entlastet das und verschafft euch mehr Zeit, ABER es generiert auch neue Tasks. Stellt ihr beispielsweise eine Reinigungshilfe ein, dann werdet ihr Arbeitgeber:in – mit all dem administrativen Aufwand, den das mit sich bringt.
Aber Aufwand wollten wir doch loswerden? Keine Angst, auch das Administrative kann man delegieren: an quitt. Der Online Service übernimmt für seine Kund:innen alle Aufgaben des privaten Arbeitgebenden: vom korrekten Vertrag über die Versicherungen bis hin zu den Lohnabrechnungen und -zahlungen. We like!
Damit auch ihr von der administrativen Entlastung profitieren könnt, erhaltet ihr mit dem Code malehrlich50 ein Startguthaben von CHF 50.- bei Neuabschluss eines quitt-Abos (Code einfach bei der Registrierung ins Feld «Gutscheincode» eingeben).
4. Was muss ich gar nicht tun?
Es gibt tatsächlich solche Dinge! Zum Beispiel der Tante eine Grusskarte zum Geburtstag schreiben, ins Fitness-Center gehen, auf eine unpersonalisierte Mail antworten etc.
Aus Erfahrung mit meinen Klient:innen weiss ich, dass es viele gibt, die fast alles unter Punkt 1 auflisten! Die denken: ALLES. MUSS. ICH. JETZT. ALLEINE. TUN! (Und das wird sich nie ändern!) Das ist zu viel und macht definitiv nicht glücklich.
Wie also kommen wir zu mehr Glück und Genuss?
Die angenehmen Tätigkeiten, die Spass machen und gut tun, werden in der positiven Psychologie auch Glücksverstärker genannt. Diese Liste hat man am besten immer griffbereit! Es erhöht nämlich erwiesenermassen die Lebenszufriedenheit, wenn man häufiger und länger Dinge tut, die man mag. Hört sich jetzt sehr nach Binsenwahrheit an, wird aber zu schnell vergessen.
Hopp: Glücksverstärker aufschreiben!
Meine Liste befindet sich auf meinem Handy und ist mittlerweile sehr lang. Sie ist unterteilt in Dinge, die ich schnell und leicht machen kann (z.B. Podcast hören) und solche, die mehr Zeit und Planung brauchen (z.B. Tagesausflüge). Ich habe meine noch ausgebaut mit Reise-Ideen und Dingen, die ich gerne einmal im Leben machen möchte (z.B. einen Fallschirmsprung wagen und Patagonien sehen).
Und da gibt es auch noch die Mini-Verstärker, die man am Tag zig Mal einsetzen kann: kurz das Gesicht in die Sonne strecken und das schöne Gefühl einsaugen, ein Stück Schokolade geniessen und sich voll und ganz auf den Geschmack konzentrieren, sein Kind anschauen und die Dankbarkeit spüren, dass man dieses Menschlein in seinem Leben haben darf.
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Denn nur zu leicht könnte ich stattdessen meine Hand schützend vors Gesicht halten, weil die Sonne blendet, und dabei studieren, was ich noch erledigen muss, die Schokolade runterwürgen, währenddessen ich was auf der Tastatur tippe, oder mich ärgern, weil das geliebte Kind schon wieder die Lego-Box umgekippt hat, nachdem ich sie doch gerade erst eingeräumt hatte. Your Choice!
Und jetzt kommt das Wichtigste:
Wenn ihr eure Tätigkeiten analysiert und eingeteilt habt: Die positiven Tätigkeiten müssen in der Agenda einen fixen Platz finden, damit sie nicht wieder vergessen gehen oder geopfert werden!
Wann wollt ihr lesen? Backen? Ins Kino gehen? Freund:innen treffen? Mit den Partner:innen ein Date planen? Wie lange und wie oft? Daran sollen der Tagesablauf und die Pflichten orientiert werden, nicht umgekehrt.
Es wird mehr Raum für das Schöne geben, wenn es prioritär eingestuft wird.
Wenn ich also wirklich regelmässig lesen und dabei Kaffee trinken will, dann braucht es eine Nische!
Ich habe angefangen, den Wecker so zu stellen, dass ich eine Stunde Zeit habe, kaffeetrinkend im Bett zu lesen. Es ist mir sehr wichtig, es tut mir gut und es gibt mir für den ganzen Tag Energie.
Es gäbe aber immer hundert andere Dinge, die ich ebenso gut machen könnte (oder sollte!). Doch ich habe mit mir vereinbart, dass ich diese am Morgen liegen lasse, eine Stunde lang. Zugunsten von mir, meinem Wohlbefinden und meiner Lebenszufriedenheit.
Weil ich es mir wert sein will.
Darum ermutige ich auch euch zu mehr Lücke in der Pendenzenliste, indem ihr weniger Zeit ins Aufräumen investiert! Lasst die Dinge liegen, findet ökonomische Lösungen zur Ordnung. Zum Beispiel eine Wühlschublade für die Kleider der Kinder, anstatt alles sorgfältig zu falten. Das macht übrigens auch Anja so:
Delegiert Arbeiten und tut dafür mehr von dem, was ihr gerne macht.
Wenn ihr aufräumt, weil es einer (Leistungs-)Norm entspricht, überlegt euch noch einmal gut, ob eure Lebenszeit dazu nicht zu schade ist. Haltet den Drang aus, noch schnell irgendwas zu erledigen, wenn ihr euch erst gerade gemütlich aufs Sofa gesetzt und die Beine ausgestreckt habt!
Und so sage ich aus ganzem Herzen:
Ja, ich will! Ich will NICHT aufräumen!
Ich verzichte radikal auf eine aufgeräumte Wohnung zugunsten von mehr Freizeit, Musse und Lebensfreude!
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 21. Mai 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
Der Artikel ist Teil einer Kooperation mit quitt. Das bedeutet: Der Artikel wurde unabhängig davon verfasst und publiziert. Weil das Thema zu quitt passt und wir vom Angebot überzeugt sind und es selbst nutzen, haben wir nachträglich einen Abschnitt mit Rabattcode eingefügt. quitt bezahlt für die Verlinkung.
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