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«Drama Queens»? Ernsthaft, liebe Migros?

Ein Kind wirft sich beim Einkaufen auf den Boden, weil es den Riegel oder das Plüschtier nicht bekommt. Die Migros wirbt zurzeit auf einem Sujet mit genau dieser Situation und schreibt dazu: «Unser Boden ist eure Bühne». Warum das problematisch ist.

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Eine Frau steht vor einem Werbeplakat in Zürich. - In einer Werbung bezeichnet die Migros ein Kind als Dramaqueen, weil es emotional ist.

Ein kleiner Bub sitzt auf dem Boden und weint verzweifelt. Dazu stehen die Zeilen «Merci, Drama Queens. Unser Boden ist eure Bühne». Mit diesem Sujet wirbt die Migros unter anderem in einer aktuell grossangelegten Kampagne. Zum 100-jährigen Bestehen sagt sie den Menschen darin «Merci». 

Das Plakat soll «mit einem humorvollen Ansatz auf eine alltägliche Situation hinweisen, die viele Eltern kennen», erklärt die Migros. Die Detailhändlerin will Eltern, Grosseltern oder Tanten und Göttis abholen und ihnen mit einem «spielerischen und ironischen Ton» vermitteln:

Ein kindlicher Wutausbruch in der Migros ist ein «kleines Drama des Alltags» und imfall okay. 

Ist es das? Okay?

Abseits der geschönten Werbewelt fühlt es sich nämlich eigentlich nie okay an. Wer regelmässig mit Kleinen unterwegs ist, kennt die Stresssituation Einkaufen mit Kindern. Es gibt so vieles, das die Lust oder das Interesse weckt – und immer heisst’s dazu: Nein. Frust ist vorprogrammiert

Als Eltern muss man beim Gang durch das Geschäft gefühlte hundertmal auf dieses Nein beharren. Nur mit ausgeklügelten Ideen («weisst du, das Stofftier wohnt hier und seine Freunde sind traurig, wenn es nicht mehr da ist») oder eben ganz viel Geduld schafft man es ohne grösseren Zwischenfall zur Kasse.

Schreianfall und böse Blicke an der Kasse

Dort wartet dann die grösste Hürde überhaupt: Schokoladenriegel, Gummibärli oder Kaugummi griffbereit und auf Augenhöhe der Kinder platziert. Und das an einem Ort, wo man meistens eine Weile anstehen muss. 

Spätestens an dieser Stelle – und ja, darauf ist wirklich jedes Mal Verlass – eskaliert die Situation. Das Kind wird von seinen Gefühlen übermannt und setzt sich – wie auf dem Werbesujet der Migros – wütend, frustriert und in der Folge weinend auf den Boden. Böse Blicke sind einem dann auf sicher.

Ganz ehrlich, liebe Migros: Okay fühlen sich solche Situationen für Eltern nie an – auch wenn das Werbesujet das mit witzigem Unterton zu suggerieren versucht. 

Der Puls steigt, der ganze Körper verspannt sich. Obwohl man innerlich kocht, versucht man für all diejenigen, die an der Kasse nebendran stehen, den Schein zu wahren und ruhig zu bleiben.

In 99 Prozent der Fälle kochen die elterlichen Emotionen über. Warum? Weil das Nervensystem in 99 Prozent der Fälle schon in den Stunden davor überstrapaziert wurde. Und weil der Schlaf mit kleinen Kindern im Haus in 99 Prozent der Fälle NICHT erholsam ist.

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Häufig endet es dann so: Das Kind kriegt halt die verdammten Gummibärli – «ausnahmsweise», wie man extralaut betont, damit man nicht auch noch dafür verurteilt wird, das Kind zu verwöhnen. 

Liebe Migros, diese Situation ist Stress pur – für Mütter und für Väter. Vor allem aber ist sie Stress pur für die Kinder. 

Kindliche Gefühlswelt wird verharmlost

Lisa Werthmüller, diplomierte Individualpsychologische Beraterin AFI und Elterncoach, nimmt das Sujet der Migros in den sozialen Medien auch zum Anlass, um auf mögliche Missverständnisse und Annahmen über die Entwicklung von Kindern aufmerksam zu machen.

Sie erläutert uns die Problematik wie folgt: «Begriffe wie ‹Dramaqueen› schaffen ein Bild, das die Gefühlswelt von Kindern verharmlost und suggeriert, dass sie ‹nur Theater machen›. Dabei wird völlig ausser Acht gelassen, dass Kinder in solchen Momenten in einer echten emotionalen Notlage sind.» 

Kinder würden starke Gefühle erleben, die sie nicht selbst regulieren können, fügt die Expertin an. Die kindliche Reaktion sei entwicklungspsychologisch vollkommen angemessen, denn ihre Fähigkeit zur Emotionsregulation und die Fähigkeit kognitive Lösungen zu finden, sei schlicht noch nicht ausgereift. 

Nun könnte man sagen: Es ist ja nur Werbung und diese soll auch witzig sein dürfen. Allerdings prägen genau solche Sujets mit ihrer Präsenz auf den Strassen und in den Sozialen Medien gesellschaftlich verankerte Muster mit.

Da hilft es wenig, wenn die Migros schreibt, es liege ihr fern, «jemanden zu beleidigen oder negative Assoziationen zu wecken».

Die Gefühlswelt der Kinder zu verstehen, hilft als Eltern bei emotionalen Ausbrüchen gelassener und verständnisvoller zu reagieren – und vielleicht auch die genervten Blicke zu ignorieren.

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Was nicht hilft, liebe Migros: Einen weinenden, kleinen Jungen als Dramaqueen zu bezeichnen (müsste es nicht sowieso eher «Dramaking» heissen?) und damit das Bild in der Gesellschaft zu verstärken, dass Kinder mit ihren Emotionen eben «nur Theater machen». 

Ein grosses «Merci» geben Eltern euch zurück, wenn ihr statt mit kindlichen Gefühlsausbrüchen zu werben, sie in den Läden nicht noch zusätzlich provoziert. Ganz einfach, indem ihr Produkte für Kinder ein, zwei Regale weiter oben platziert. Dann wären Mütter und Väter beim Einkaufen sicher einiges gelassener – und wohl auch häufiger besser gelaunt in euren Filialen anzutreffen.

Autorin

Michèle Widmer ist als neue Content-Leiterin im Januar 2025 bei mal ehrlich an Bord gestiegen. Davor arbeitete sie als Journalistin beim Tages-Anzeiger und schrieb die letzten zehn Jahre als Redaktionsleiterin beim Fachmagazin persoenlich.com über Medien, Werbung und Kommunikation. Zu Hause baut sie aktuell komplexe Briobahn-Konstruktionen durch die ganze Wohnung und löst mit miniLÜK Zahlenrätsel. Sie lebt mit ihrer Familie in Zürich.

Informationen zum Beitrag

Veröffentlicht am 21. Januar 2025


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12 Antworten

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  1. Avatar von LuLu
    LuLu

    Ich bin dankbar, dass ich kürzlich in der Migros keine bösen Blicke an der Kasse geerntet habe. Im Gegenteil: eine ältere Dame war so liebenswürdig und hat meinen gesamten Grosseinkauf aufs Band gelegt und mir anschliessend die Taschen eingepackt. Dies, damit ich mich um meine tobende, durch-nichts-zu-beruhigende, 16-monatige “Drama Prinzessin” kümmern konnte. Es riese grosses Merci! 🩷 Schade, dass die Migros die Gefühlswelt unserer Kleinen so darstellt. Auch wenn es humorvoll gemeint ist – für das 100-jährige Jubiläum hätte ich mir insbesondere im Hinblick auf die nächste Generation etwas mehr Sensibilität gewünscht.

  2. Avatar von Nicole
    Nicole

    …wenn dieses Plakat und die „Dramaqueen-Szenen“ euch jetzt schon grosse Sorgen macht, dann wartet mal die Pupertät ab…😉
    Und eine Prise Humor schadet in solchen Situationen nicht, denn später werdet Ihr genau über diese Sequenzen mit euren Kindern schmunzeln…also, denkt daran, nicht die 0815 Situationen bleiben in Erinnerung. Lg Nicole

  3. Avatar von Sikkolodeon
    Sikkolodeon

    “Es ist ja nur Werbung!” ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Damit meine ich nicht nur diese, sondern Werbung und ihre Wirkung auf uns und insbesondere unsere Kinder allgemein. Warum, wenn sie nicht tatsächlich sehr wirkungsvoll wäre, würde denn sonst unglaublich viel Kohle in die Werbung fliessen?!
    Und wenn schon Werbung, dann lieber intelligente und witzige, also hohle, und ich musste tatsächlich schmunzeln, beim Migros-Slogan. Nur um kurz darauf zu realisieren, wie verlogen er doch ist, denn genau damit spielt die Migros und alle anderen Läden die ihre Produkte so schlau platzieren: nämlich dass wir nach dem 100tsten Nein dann doch noch weich werden. Familienfreundlich ist anders. Denn die Ausbrüche der Kinder sind Stress pur: für die Eltern, für die Kinder, für die Unbeteiligten, die ab dem Geschrei ebenfalls genervt sind: es zementiert den Graben zwischen allen Parteien. Darum bitte, liebe möchtegern familienfreundliche Detailhändler: den letzten Abschnitt der Schreiberin zu beherzigen würde beweisen, dass Ihr es Ernst meint!

  4. Avatar von nobsfranzi
    nobsfranzi

    Hmm warum bloss hatte ich sehr wenig mit solchen Wutanfällen zu tun mit meinen kids? Teile übrigens die Meinung, dass hier wegen eines Plakates soviel Aufheben gemacht wird. Kopfschütteln……

    1. Avatar von Sybille
      Sybille

      Alle hier,welche nicht verstehen,warum dieses Plakat nicht passend ist,haben kein gefühlsstarkes Kind zu Hause. Das hat leider nichts mit Erziehung zu tun. Ein Trotzanfall in der Migros von meinem Kind ist für mich purer Stress. Und ich kann anhand von den Reaktionen der anderen Kunden und auch Mitarbeitenden bestätigen dass die „Dramaqueen“ nicht willkommen ist.
      Zudem noch ein grosses Merci an die Migros dass ihr die Schoggistängeli direkt bei den Weggli platziert!

  5. Avatar von Shannon
    Shannon

    Noch besser. Es reicht nicht, dass die Kassenzone ohnehin schon nervig ist – jetzt stellt Migros typischerweise auch noch eine Wand aus Spielzeug direkt davor auf.

  6. Avatar von randy
    randy

    Wenn jemandem so langweilig ist, das man sich über eine Werbung aufregen muss. Heul leise.

    1. Avatar von Sandra Trupo
      Sandra Trupo

      Mal ehrlich, Randy, wir erlauben es uns, hier auf unserer Plattform so laut zu heulen, wie wir möchten. Denn solche Plakate sind nicht einfach nur “lustige Werbung, über die man sich nicht aufzuregen braucht”, sondern sie verstärken das Bild in unserer Gesellschaft, dass Kinder eben “nur Theater machen” und ihre Emotionen nicht so ernst zu nehmen sind. Und dem eine andere Sichtweise entgegenzusetzen (die überdies nicht nur unsere Sichtweise ist, sondern die ganz vieler Eltern, bei denen das Plakatsujet ähnliche Gefühle ausgelöst hat), das erscheint uns wichtig und richtig.

    2. Avatar von Lea
      Lea

      Ich kann wirklich auch nicht nachvollziehen, wie man sich so sehr über ein Plakat, sei es ein Werbeplakat oder etwas anderes, aufregen kann. Es ist erstaunlich, wie viel in so etwas hineininterpretiert und suggeriert wird, obwohl es am Ende nur ein Plakat mit Trotzanfall Kind ist.

      Ebenso verstehe ich überhaupt nicht, warum man bei einem quengelnden Kind nachgibt. Genau dieses Nachgeben führt doch dazu, dass sich die Trotzanfälle, zum Beispiel an der Kasse, immer wiederholen. Wenn man dagegen konsequent bleibt und bei seiner Haltung bleibt, lernen Kinder schnell, dass ihr Verhalten nichts bringt, und sie versuchen es gar nicht mehr.
      Sobald man 1x nachgibt, weiss das Kind doch, dass es sich mit solchem Verhalten durchsetzen kann.

      1. Avatar von Ines
        Ines

        Liebe Lea

        Kinder können unheimlich Ausdauer haben. Den Eltern, deren Kinder immer wieder Trotzanfälle haben, zu unterstellen, dass sie einmal nachgegeben haben und das Kind daher immer wieder trotzt, ist nicht fair. Jedes Kind reagiert anders, man kann nicht immer einfach das Erziehungsbüchlein hervornehmen, nach Schema X vorgehen, und es funktioniert. Schön wärs.

        Mein Kind hat nur einmal in der Öffentlichkeit einen Trotzanfall gehabt, die restlichen waren alle zu Hause. Und ich war jedes Mal erstaunt, mit welcher Energie und Ausdauer es dranblieb, wenn ich es ignorierte. Mit Erziehung kann man leider nicht immer alles so beeinflussen, wie man es möchte.

        Und “nur” ein Plakat … na ja, ich finde Plakate, die Stereotypen widerspiegeln, fragwürdig, denn so manifestieren sich diese Stereotypen noch mehr in unseren Köpfen.

  7. Avatar von Ines
    Ines

    Die Migros-Werbung war meiner Meinung nach lange die beste aller Detailhändler, mit viel Witz und Charme. Aber diese Werbung zum 100-jährigen Bestehen ist durchgehend nur noch peinlich und nervig.
    Ich habe schon das erste Mal den Kopf geschüttelt, als ich darauf gestossen bin: https://www.youtube.com/watch?v=k1SLL_AkZhs
    Und dieses Plakat mit den trotzenden Kind ist völlig daneben. Da wird der Stress verharmlost, den die Eltern in solchen Situationen haben. Wie im Artikel so schön steht: Mit dem Umräumen der Regale wäre den Eltern viel mehr geholfen.
    Danke für den Artikel!

  8. Avatar von Anita
    Anita

    Vielen Dank für den super Kommentar und den Aufruf an die Detaillisten die “Quengelware” doch an einem “kindersicheren” Ort (z.B. neben dem Büchsengemüse, Mehl oder den alkoholhaltigen Getränken) zu verstauen.