Pflege von Angehörigen in der Schweiz: Was muss ich wissen?
Wer Unterstützung organisieren möchte oder selber Angehörige pflegen will, ist oft überfordert. Unsere Checkliste liefert die wichtigsten Infos.
Es klingelt an der Tür, ich öffne sie. Vor mir steht eine dunkelhaarige Frau mit einem freundlichen Lächeln und sagt: «Du musst Anne sein. Ich bin Manuela und heute da, um deiner Mama die Haare zu waschen. Darf ich reinkommen?» Ich nicke und lasse die fremde Frau ins Haus treten.
Schüchtern, wie ich damals als Siebenjährige war, tapse ich der Frau hinterher zum Schlafzimmer meiner Mutter. Mama liegt noch im Bett, erschöpft von der Operation, die sie vor ein paar Tagen über sich ergehen lassen musste.
Meine Mutter hatte Brustkrebs. Der Tumor, ihre rechte Brust und ein grosser Teil ihres Lymphgewebes wurde operativ entfernt und sie musste eine Chemotherapie machen. Damals war sie Anfang 40 und stand mitten im Leben.
Doch dann hat ihr Körper einen plötzlichen Stopp gerissen. Die Diagnose kam unerwartet und war so einschneidend für unser Familienleben, dass sich mir heute noch der Hals zuschnürt, wenn ich daran denke.
Meine Mutter hat damals schnell erkannt, dass sie Hilfe brauchen wird und so kam es, dass Manuela an diesem Tag das erste Mal bei uns an der Tür geklingelt hat.
Sie hat sich nicht nur um meine Mama gekümmert, sondern auch um den Haushalt und mir ein wohliges Gefühl und Stabilität gegeben in einer Zeit, in der ich als 7-jähriges Kind das Ausmass des Schicksals meiner Mutter nicht verstehen, sondern nur spüren konnte.
Hilfe holen oder selbst pflegen
Hilfe für sich und ihre Familie in Anspruch zu nehmen, war für meine Mutter eine grosse Entlastung. «Ich würde es immer wieder tun, gerade auch im Alter, das nun langsam auf mich zukommt», sagt sie.
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Aber wie kommt man zu einer pflegenden Person, wenn man kurzfristig Unterstützung braucht? Und wie kann man selber langfristig eine Pflegefunktion übernehmen, und zwar nicht mit kostenloser Care-Arbeit, sondern finanziell abgesichert?
Erste Schritte und Planung der Pflege von Angehörigen
Die Pflege von Angehörigen ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Organisation und Engagement erfordert. In der Schweiz haben wir das grosse Glück, dass es verschiedene Möglichkeiten der Unterstützung gibt. Wenn das Schicksal dann aber zuschlägt oder das Alter eine Pflege zwingend notwendig macht, kann die Organisation zum gigantischen Stressfaktor werden.
Mit dieser Checkliste bekommst du einen Überblick, was zu tun ist und welche Optionen du hast.
1. Pflegesituation analysieren
- Gesundheitszustand einordnen: Lass dich von einem Arzt oder einer Ärztin genau über den Gesundheitszustand und die Pflegebedürfnisse deiner Angehörigen informieren. In der Schweiz erfolgt die Beurteilung oft durch die Hausärztin/den Hausarzt in Zusammenarbeit mit Spitex-Diensten.
- Pflegestufen festlegen: Beantrage eine Pflegebegutachtung durch einen anerkannten Dienst. Diese Einstufung ist wichtig für die finanzielle Unterstützung durch Versicherungen und Sozialdienste.
2. Rechtliches und Finanzielles prüfen
- Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung: Vergewissere dich, dass alle notwendigen rechtlichen Dokumente vorhanden sind. Eine Vorsorgevollmacht ermöglicht es dir, im Namen der angehörigen Person Entscheidungen zu treffen, während eine Patientenverfügung medizinische Wünsche festlegt.
- Finanzielle Mittel prüfen: Verschaffe dir einen Überblick über die finanziellen Möglichkeiten, einschliesslich Pflegeversicherung, Ergänzungsleistungen (EL) und eventuell private Ersparnisse.
3. Organisation der Pflege
Pflege von Angehörigen zu Hause
- Wohnraum anpassen und Pflegemittel beantragen: Was ist nötig, damit die Angehörigen sich weiter in ihrem Zuhause einigermassen gut bewegen können? Zum Beispiel: der Einbau von Haltegriffen, ein barrierefreies Bad oder ein Pflegebett. Diese Hilfeleistungen können oft über die Invalidenversicherung (IV) oder Ergänzungsleistungen finanziert werden. Beantragt werden sie bei der Krankenversicherung oder über die Spitex.
- Pflegepersonal organisieren, finde deine Manuela: Wer die Pflege nicht allein bewältigen will und kann, bekommt Unterstützung von ambulanten Pflegediensten (Spitex). Der Hausarzt oder die Hausärztin, sowie die Krankenkasse können dich bei der Organisation unterstützen.
- Pflege selbst übernehmen? Seit Anfang 2024 müssen pflegende Angehörige eine Ausbildung zur Pflege ablegen. Dann können sie danach auch finanzielle Unterstützung für ihre Pflegeleistungen erhalten. Der Kurs in Pflegehilfe muss innerhalb eines Jahres ab Anstellung absolviert werden. Die Ausbildung kann bei verschiedenen Organisationen absolviert werden. Manche Kurse sind fixe Module und finden extern statt, etwa der Pflegehelferkurs des SRK (Kosten: 2200.-). Organisationen wie zum Beispiel solicare bieten auch kostenlose, zeit- und ortsunabhängige Ausbildungen. Als pflegende Angehörige gelten übrigens nicht nur direkt verwandte Personen, sondern auch Partner:innen oder Menschen aus dem engen Umfeld. Was zählt, ist nicht der Verwandtschaftsgrad, sondern die regelmässige und substanzielle Hilfeleistung.
Stationäre Pflege
- Besichtigung von Pflegeeinrichtungen, sowie die Kosten berücksichtigen: Pflegeinstitutionen müssen den kantonalen Richtlinien entsprechen, und die Kosten können je nach Kanton verschieden sein. Achtung, die Wartelisten sind lang! Informiere dich frühzeitig.
Angehörige pflegen – aber abgesichert! Deine Vorteile mit solicare
Es gibt sehr viele pflegende Angehörige in der Schweiz. Sie leisten mehrere Stunden pro Woche
Sorgearbeit, über viele Jahre hinweg und oft unbezahlt.
Das muss nicht sein! solicare bietet fachliche
und finanzielle Unterstützung, indem sie pflegende Angehörige bei langfristigen Pflegesituationen einstellt. Dies hat viele positive Auswirkungen:
- Unterstützung und Entlastung: Monatlicher Besuch einer diplomierten Pflegefachperson, die bei Fragen zudem jederzeit zur Verfügung steht.
- Finanzielle Sicherheit: Kein Lohnausfall, Einzahlung in Sozialversicherungen und Minimierung des Risikos von Altersarmut.
- Beratung: Fachliche Unterstützung bei der Auswahl von Hilfsmitteln wie Griffen, Toilettenaufsätzen und Pflegebetten.
- Professionelle Pflege: Pflegewissen bringt Sicherheit und erleichtert den Alltag.
- Rollenunterstützung: Hilfe bei der Wahrnehmung verschiedener Rollen als pflegende und gleichzeitig Sohn/Tochter, Mutter/Vater, Familienmitglied, Partner:in, Freund:in.
- Vertrauensvolle Begleitung: Langfristige Betreuung durch die gleiche Pflegefachperson, was das Wohlbefinden und den Krankheitsverlauf positiv beeinflusst.
Weitere Informationen, auch zu den Verpflichtungen und Voraussetzungen einer Anstellung unter Angehörigenpflege.
4. Finanzielle Hilfeleistungen und Versicherungen
- Leistungen der Krankenversicherung: Überprüfen, welche Kosten von der Kasse übernommen werden und welche Zuzahlungen erforderlich sind.
- Ergänzungsleistungen (EL): Wenn die finanziellen Mittel nicht ausreichen, um die Pflegekosten zu decken, können Ergänzungsleistungen beantragt werden. Diese unterstützen Rentner:innen sowie Bezüger:innen von IV-Leistungen.
- Hilfsmittel und Zuschüsse: Informiere dich über alle verfügbaren Zuschüsse und Hilfsmittel, die euch zustehen, um die Pflege zu erleichtern. Diese können über die IV oder Ergänzungsleistungen finanziert werden.
- Dir steht auch ein Lohn von mindestens 34.30 Franken pro Pflegestunde zur Verfügung. Um das Gehalt zu bekommen, muss aber die oben genannte Ausbildung für Pflege zu Hause absolviert werden.
- Steuerliche Erleichterungen: Informiere dich über steuerliche Vorteile, die dir als Pflegeperson zustehen. Denn Pflegekosten können unter bestimmten Bedingungen steuerlich abgesetzt werden.
5. Vereinbarkeit von Pflege und Beruf
Arbeitsrechtliche Regelungen
- Betreuungsurlaub: Seit 2021 gibt es in der Schweiz einen gesetzlichen Anspruch auf Betreuungsurlaub für pflegende Angehörige. Dies ermöglicht es dir, bis zu 14 Wochen freizunehmen, um eine schwer erkrankte oder verunfallte angehörige Person zu pflegen.
- Pflegeurlaub: Kurzfristige Arbeitsabwesenheiten (bis zu drei Tage) sind ebenfalls möglich, wenn Angehörige pflegebedürftig werden.
Unterstützung durch den Arbeitgeber
- Gespräch mit Arbeitgeber:in: Geh, wenn möglich, mit Vorgesetzten offen über deine persönliche Situation um. Viele Arbeitgeber:innen haben Verständnis und ermöglichen flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice.
- Betriebliche Unterstützung: Möglicherweise bekommst du sogar Unterstützungsangebote wie betriebliche Sozialdienste oder EAP-Programme (Employee Assistance Programs).
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6. Ganz wichtig: Vergiss trotz Pflege von Angehörigen dich selbst nicht!
- Halte deine eigene Gesundheit im Blick: Die Betreuung kann an die eigene Substanz gehen. Achte da gut auf dich! Plane regelmässige Pausen und gönn dir Erholungszeiten, organisiere dir etwas, was dir Freude und Entspannung bereitet.
- Unterstützungsangebote nutzen: Nimm, falls nötig, professionelle Hilfe in Anspruch, wie z.B. durch Pflegeberatungen, Selbsthilfegruppen oder psychologische Unterstützung. In der Schweiz bieten viele Organisationen kostenlose Unterstützungsangebote an.
Entlastungsmöglichkeiten
- In deiner Abwesenheit: Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege können dich bei deiner Auszeit unterstützen und die Betreuung von Angehörigen übernehmen. Diese Dienste werden oft durch Spitex oder spezialisierte Einrichtungen angeboten.
- Tagespflege: Tagespflegeeinrichtungen können eine Entlastung bieten, indem sie Pflegebedürftige tagsüber betreuen. Diese Angebote sind besonders in städtischen Gebieten gut verfügbar.
Informationen zum Beitrag
Veröffentlicht am 6. September 2024.
Dieser Beitrag wird von solicare unterstützt. Beim Verfassen des Artikels war unsere Autorin komplett frei.
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