Vorhang auf, Mariske ab: heute wird operiert (und geweint).
Teil 2 der schonungslos intimen Marisken-Story. Ich erkläre dir die Bauch-Beine-Po-Position und warum ich mich in die Frau hinterm Vorhang verliebt habe.
Im ersten Teil hat unsere Gastautorin Livia die Hosen runtergelassen und schonungslos von einem unschönen Überbleibsel ihrer Schwangerschaft erzählt. Jetzt muss die Mariske definitiv weg, die Füdlidoktorin wartet schon im Operationssaal.
Auf dem Hinweg zum Spital überlegte ich, wen ich am besten frage, ob man Tampons bei Operationen eigentlich drinlässt (für deine Notizen: Besser nicht. Aber zur Not würden sie das im OP gleich selbst erledigen). Denn am Vorabend der Operation bekam ich vor lauter unterdrückter Aufregung – sieben Tage zu früh – meine Periode. Auch das noch. Aber wenn schon, denn schon: Machen wir doch gleich Tag der offenen Türen. Bitte, sehen Sie sich ruhig um!
Ich wurde vom Anästhesisten abgeholt und in ein noch unbelegtes Zweierzimmer gebracht. Dieser Mann, der mir erklärte, dass ich mir «die Reinigung des Enddarms mit der Vaseline im Töpfchen anbei etwas leichter machen» könne, war übrigens jung, gross und bärtig (nicht Grey’s-Anatomy-McDreamy-Level, aber doch adrett genug, um die Situation noch unangenehmer zu machen).
Möge ich ihm nie wieder begegnen.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Wie könnte ein Tag schöner beginnen
«Während ich auf dem WC sitze oder wie?», fragte ich, und er sagte, er glaube schon. Sein Glaube nützte mir herzlich wenig, und so fand ich mich kurz darauf nackt auf dem Boden des Bads. Ich lag da auf der Seite, mit Menstruationsblut an den Händen, in einer Art Bauch-Beine-Po-Position*. Und dachte: Herrgottnocheins, was müssen wir Frauen eigentlich noch alles erdulden!?
Erinnerungswellen vom ersten WC-Gang nach der ersten Geburt überschwappten mich, und ich tat mir plötzlich unheimlich leid. Aber es blieb keine Zeit zum Weinen, denn ich sollte mich bitte zeitnah entleeren und bald darauf das OP-Gwändli überstülpen, so die Anweisung.
Ich ergab mich also meinem Schicksal.
In der Zwischenzeit kam eine zweite Frau ins Zimmer, ein dicker grauer Vorhang trennte uns herzblattmässig voneinander. Ihre Personalien wurden gegengecheckt. Ich hörte nur, dass sie gleich gross, aber zehn Kilo leichter ist als ich: #storyofmylife (selbst auf dem Sterbebett werde ich mich noch auf die wesentlichen Dinge konzentrieren können, darauf ist wirklich Verlass).
«Hallo», sagte ich, als wir allein waren. Sie lachte und grüsste zurück.
Als später der zweite Anästhesist kam, um mir zu sagen, dass nur bei jeder zweihunderttausendsten Vollnarkose gravierende Probleme auftreten würden, hörte ich sie leise seufzend «na dann» sagen und ich verzieh ihr die zehn Kilo.
Ab da ging es so schnell, dass all die Gedanken, die ich mir im Vorfeld gemacht hatte, völlig nichtig schienen. Die Vollnarkose war der langersehnte Tiefschlaf, den ich seit Jahren vermisste, von der nur siebenminütigen OP bekam ich nichts mit, und als ich eine halbe Stunde später aufwachte, hatte ich eine spassige Laune und durfte feine Dinge von einer Speisekarte auswählen.
Ich spürte ein Pochen an der operierten Stelle, aber vor mir lag ein Berg Schmerzmittel und eine stattliche Flasche Abführmittel.
Alles war ok, es war überstanden.*
(*Für deine Notizen: War es nicht, aber ich dachte es in dem Moment.)
Kurze Zeit später kam leicht lallend die andere Frau retour. Sie fragte, was ich esse und ob ich denke, dass sie auch direkt zwei Käsebrote bestellen dürfte? Ich entschied für mich: Sie ist definitiv mein Herzblatt. Wir assen schweigend, immer noch durch den Vorhang getrennt.
«Was musstest du eigentlich machen?», fragte sie.
«Eine Mariske wegschneiden. Irgendeine zu gross gewordene Hautfalte an ungünstigster Stelle. Quasi ein Schwangerschaftsüberbleibsel», sagte ich. «Du?»
«Eine Gebärmutterspiegelung. Ich hatte nach meiner Tochter zwei Aborte und jetzt wollte man mal nachsehen, ob was in der Gebärmutter ist.»
Ich schämte mich, dass ich vorhin Schwangerschaftsüberbleibsel gesagt hatte und war froh um den Vorhang. «Ou. Und war was?»
«Nein. Wohl einfach zweimal Pech gehabt.»
«Das tut mir leid.»
«Macht doch nichts», meinte sie.
Wir assen weiter Griessbrei und Käsebrote.
Und ich dachte bei mir: Mann. Schwanger werden wollen. Schwanger werden sollen. Nicht schwanger werden können. Schwanger sein. Es dann plötzlich doch nicht mehr sein. Oder gebären. Rückbildungsturnen. Pille. Periode. Nebenwirkungen. Nähte. Narben. All diese Schmerzen. Physisch. Und psychisch.
Von den unsichtbaren Keilen, die es zwischen beste Freundinnen treiben kann, weil die Wünsche von einigen ewig unerfüllt bleiben sollen, ganz zu schweigen. Die Einsamkeit und Isolation, die all dies phasenweise mit sich bringt. Wir sind doch schon irgendwie alles wild-schöne Amazonen, was wir alles auf uns nehmen und wie wir immer wieder aufstehen und weiterwursteln und mit der anderen freien Hand schnell noch das Altglas entsorgen, nicht?
Mich überkam eine Art postnarkotische Liebe für alle Frauen. Ich durfte mich anziehen und heim. Mit einer Träne im Auge wünschte ich meinem Herzblatt alles Gute und bald ein Bebe und sie mir viel Glück beim nächsten Mal kacken.
Der Rest der Story ist weniger pathetisch und schnell erzählt.
Die OP war an einem Donnerstag. Ich schlief eine Nacht allein daheim und konnte in aller Ruhe Medikamente einschmeissen, Serien schauen und dazu Spielzeug aussortieren. Das Wochenende verbrachte ich dann mit Mann und Mutter, sodass ich nicht allzu oft tragen, wickeln oder dergleichen Dinge erledigen musste (wieder für deine Notizen: Das würde ich exakt so weiterempfehlen, weil fit ist man definitiv nicht. Und man will un-be-dingt in Ruhe aufs Klo gehen können). Weil: Es ist schlimm.
Die Naht ist flexibel, das hilft. Aber es tut höllisch weh.
Der vorbereitende Ausdruck der Proktologin, «Das Feuer in Holland sehen», umschreibt die einsamen Momente auf der Toilette recht gut. Sechs Tage ging das so. WC-Papier darf keines benutzt werden, denn es muss immer alles mit Wasser gereinigt werden. Das brennt dann gleich nochmals. Und das Trockentupfen auch.
Man wünscht es wirklich seinem ärgsten Feind nicht. Die ersten zwei Tage war ich noch etwas plemplem von der Narkose, Tag 3 und 4 waren am schlimmsten, da schwoll ein Teil der Naht an, ein Fadenende piekste bei jeder Bewegung in die frische Wunde und sogar das Gehen tat mir weh.
Nach einer Woche musste ich es nochmals zeigen, und als die Ärztin mich warten sah, lachte sie und sagte:
«Wissen Sie, woran ich meine Patientinnen erkenne? Die stehen immer alle im Wartezimmer.»
Sie gab mir dann eine betäubende Crème und das Leben wurde rasch und deutlich besser. Nach drei Wochen war alles ganz wie vorher, einfach ohne Mariske, also quasi «vorher in schön». Dazu steht mir die Erleichterung darüber, dass ich es gemacht habe, noch immer ins Gesicht geschrieben. Und, liebe Frauen, ich liebe euch (danke für so viel Anteilnahme und zuprostende Aufmunterung), aber: Hämorrhoiden kann dann jetzt bitte wer anders haben.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 28. Februar 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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