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Adieu, du beschützte Babyzeit

Am Abend vor dem Wiedereinstieg in den Job kitzelt Jacqueline Krause-Blouin ihre sieben Monate alte Tochter unter dem Arm – und wird mit einem glücklichen Glucksen beschenkt. Ein Abschied.

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Aufnahme von Jacqueline Krause-Blouin mit ihrem Baby.

Am Abend vor meiner Rückkehr in den Job habe ich gemerkt, dass meine Tochter, damals gerade sieben Monate alt, unter den Achseln kitzelig ist. Wir haben es sicher zehnmal ausprobiert: Ich habe sie vorsichtig gekitzelt, sie hat gelacht und mich dann erwartungsvoll angeschaut, so als ob sie sagen wollte: «Noch mal, Mami!».

Dieses Lachen so tief aus dem Bauch, wenn man diese Geräusche das erste Mal von seinem Baby hört – es zerreisst einem das Herz vor Freude.
Womöglich war ich an diesem Abend besonders aufmerksam, besonders emotional, denn ich wusste: So, jetzt endet diese beschützte Zeit, diese Blase des glücklichen Glucksens, des sich Kennenlernens, es wird nie wieder so sein – so vertraut und doch so fragil, so zeitvergessen.

«Geniesse die Zeit, du bekommst sie nie wieder!» Ich weiss, verdammt.

Diese tiefe Nostalgie, sie beschleicht einen als Mutter immer aufs Neue. Wenn man zum ersten Mal die zu klein gewordenen Bodys aussortiert, das letzte Mal beim Babyschwimmen ist oder das Kind zum ersten Mal zu einer Übernachtung bei Freunden bringt.

Als ich den Kinderwagen vom Bassinett zum Buggy umgebaut habe, dachte ich finster: «Ok, jetzt zieht sie bald aus.» Die Zeit als Eltern ist geprägt von wahnsinnig vielen kleinen Abschieden. Und es wird nicht besser, wenn einem auf Social Media ständig Posts à la: «Irgendwann wirst du dein Kind zum letzten Mal tragen, aber du weisst es nicht. Geniesse die Zeit, du bekommst sie nie wieder!» in den Feed spült. Ich weiss, verdammt.

Wie kurz sieben Monate doch sind


Dieser Abend war besonders schwierig. Es handelt sich um mein zweites Kind und ich wusste, es wird auch mein letztes sein, was die Sache umso emotionaler machte. Dabei hatte ich mir extra eine vermeintlich lange Mutterschaftsauszeit genommen: sieben Monate.

Bei meiner ersten Tochter waren es gerade mal 14 Wochen gewesen und ich bin Vollzeit wieder eingestiegen. Ironischerweise fand ich den Abschied viel weniger schlimm. Traurig zwar, aber ich war auch sehr froh, einen Teil meines alten Lebens wieder zurückzugewinnen.

Jede Geburt verändert dich. Verändert die Familiendynamik.

Diesmal konnte ich nicht fassen, wie kurz sieben Monate sein können. Emotional hatte ich mich noch nicht einmal von der Geburt erholt. Physisch nagte der Schlafentzug an mir, die Anstrengungen der Schwangerschaft sind nicht zu vergleichen, wenn man schon ein älteres Kind hat, dem man ständig hinterherrennt.

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Weisst Du noch? | Erinnerungsbuch

Während der Schwangerschaft und der Stillzeit haben mich schlimme Schuldgefühle gegenüber meinem ersten Kind geplagt: wieder ein Abschied – vorbei die Zeit allein mit ihr. Selbst während der Geburt gab es Momente, in denen ich dachte: «Stop, ich will doch kein zweites Kind!»

So viele komplexe Gefühle, so viel körperliche Belastung, Tag und Nacht verschwimmen – es ist kein Wunder, dass es einem vorkommt, als würde die Uhr einen auslachen, die Zeit rast erbarmungslos. Jede Geburt verändert dich. Verändert die Familiendynamik.

Diese Babybubble, sie kommt nie wieder

Womöglich hat sich die Rückkehr für mich noch schwerer angefühlt, weil ich derzeit im Ausland lebe und remote arbeite. Ich habe die guten Seiten des Wiedereinstiegs weniger stark gespürt: Endlich wieder mit Erwachsenen Mittagspause machen, den Austausch mit den Kolleginnen und auch mit anderen erwerbstätigen Müttern und Vätern.

Aber es fühlte sich diesmal auch so viel schwerer an, weil ich wusste, dass diese geschützte Zeit der Babybubble wirklich nie wieder kommt.

Beim ersten Kind versteht man das noch nicht, man hat es noch nicht erlebt, geht zurück, funktioniert irgendwie. Die Rückkehr in den Beruf fällt in der Schweiz oft genau auf die Zeit des Abstillens, die Zeit, in der niemand mehr Essen liefert, keine Hebammen mehr kommen, niemand mehr die Mutter bemuttert. Und genau dann wird wieder vollste Professionalität erwartet.

Die Zeit, sich in der Rolle als Mutter zu finden, ist zu kurz. Viel zu kurz.

Ich fordere nicht, dass Arbeitgeber nicht vollste Professionalität erwarten sollen, warum auch nicht, schliesslich ist es eine Transaktion: Geld gegen Arbeit. Das Problem ist, dass die Zeit, sich in der Rolle als Mutter zu finden, zu kurz ist. Viel zu kurz. (Dass eine anständige Elternzeit die Situation für uns alle enorm verbessern würde, muss ich an dieser Stelle wohl nicht mehr erwähnen.)

Vielleicht sollte die Babypause sogar länger sein, wenn man bereits Kinder hat. Man ist körperlich und psychisch in der Regel schon viel stärker belastet, es bleiben immer weniger Ressourcen für einen selbst übrig. Dabei bräuchte man die so dringend, um zu heilen. Und soll nicht Zeit die Wunden heilen? Ich hätte nur so gerne ein wenig mehr Zeit zum Kitzeln gehabt.

Autorin

Jacqueline Krause-Blouin ist Editor-at-Large bei «annabelle» und freie Autorin und US-Korrespondentin für Zeit, Tagesanzeiger, NZZ, CN Traveler oder mal ehrlich. Sie war von 2019 bis 2023 Chefredaktorin von «annabelle» und vorher Redaktorin bei «SPEX» und «Rolling Stone» in Berlin. Sie lebt mit ihren zwei Töchtern und ihrem Mann in Los Angeles.(Bild: Micha Freutel)

Informationen zum Beitrag

Veröffentlicht am 1. Mai 2025.
Bildcredit: Sara Merz


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