Stillen oder nicht? Abstillen oder weitermachen?
Stillen ist ein hochsensibles Thema. Schwierig, bei all den Meinungen von aussen die eigenen Bedürfnisse zu erkennen. Wir helfen dabei.
Meine Milch sprudelte wie die Niagarafälle. Aber nur, wenn ein Baby an der Brust hing. Von nassen Shirts blieb ich verschont, ebenso von langen Stillmahlzeiten. Stillen war für mich easy und Abpumpen klappte auch an ungemütlichen Orten.
Mein Geheimnis?
Ich hatte einfach nur Glück.
Denn aus meinem Umfeld weiss ich ganz genau:
Stillen ist ein Riesenthema und setzt massiv viel Druck auf.
Warum? In unseren Köpfen thront ein Glaubenssatz, der sagt: «Stillen ist das Natürlichste der Welt.» Ein Spruch, der irgendwie stimmt und irgendwie auch nicht – und genau drum ist er so gefährlich, kommen wir so schlecht dagegen an.
Das Ernähren durch Muttermilch ist eine Einrichtung der Natur. Aber das heisst noch lange nicht, dass es etwas Einfaches ist. Oder dass es garantiert klappt.
Aber das Blöde an Glaubenssätzen ist, dass sie uns immer wieder hinterrücks überfallen. Dass wir manchmal nicht mal merken, dass wir von ihnen getrieben werden. So ist es kein Wunder, geraten viele Frauen nach der Geburt in einen gewaltigen Stress, wenn das Stillen nicht auf Anhieb funktioniert.
Dieser Stress macht es noch schlimmer.
Was ich aus zahlreichen Gesprächen mit Ärzt*innen, Hebammen, Doulas, Stillberater*innen und Stillenden erfuhr: Es hilft, sich auszutauschen. Sich mit den eigenen Problemen weniger allein zu fühlen. Sich bewusst zu machen, was die Illustrationen zu diesem Artikel so schön zeigen: Nähe geben kann man auch ohne Stillen. Und es hilft, einige Fakten zu kennen.
Drum kommen hier Beispiele von anderen Frauen, Tipps von Fachpersonen und Links in drei Kapiteln:
- Der Anfang: Stillen ist nicht so leicht
- Das Abstillen: Wann ist der richtige Zeitpunkt?
- Die Alternative: Es geht auch ohne Stillen
Der Anfang: Stillen ist nicht so leicht
Dass Stillen sofort klappt? Eine Ausnahme!
Das sagten mir alle Fachpersonen. Und trotzdem hadern so viele Mütter in den ersten Tagen, weil das Stillen einfach nicht so richtig funktioniert. Wenn dann grad noch der Milcheinschuss kommt und die Hormone Achterbahn fahren, ist die Verzweiflung gross.
Als ich auf der Geburtsabteilung war, stand eine Jungmutter weinend vor einem Plakat, das die Muttermilch anpries. Solche Hinweise sind meiner Meinung nach zu exzessiv auf den Wochenbettstationen und auch in Geburtshäusern ausgehängt – für viele Frauen ein permanenter Trigger.
Eine Pflegefachfrau sagt:
Ich erkläre vielen Frauen, dass es oft mehrere Tage bis Wochen geht, bis sich das Stillen einigermassen einpendelt. Dass sie überhaupt nichts falsch machen. Man sieht richtig, wie ihnen ein Stein vom Herzen fällt, wenn ich das sage.
Leider gibt es auch weniger einfühlsame Fachpersonen. Ich hörte erschreckend viele negative Geschichten.
Der Tipp einer Stillberaterin: «Wenn man sich bei einer Person nicht gut aufgehoben fühlt, unbedingt bei jemand anderem Rat einholen! Oder in Foren rumfragen, welche Fachpersonen empfehlenswert sind. Ich weiss, in so einem Moment sucht man den Fehler zuerst bei sich selbst. Aber das sollte man vermeiden.»
Und eine Frauenärztin sagte: «Die richtige Person kann dir helfen, dass es besser klappt. Oder sie kann dich sorgfältig darauf vorbereiten, dass es für dich und dein Baby stressfreier wäre, auf Flaschennahrung umzustellen.»
Denn manchmal ist es tatsächlich ratsamer, die Vorstellung vom Stillen loszulassen. «Unsere» Rebecca hat das erlebt und teilt ihre Erfahrung mit euch:
Rebecca: «Ich hatte einfach keine Milch!»
«Ich hatte den grossen Wunsch, stillen zu können – aber ich hatte einfach keine Milch! Von Beginn weg habe ich gestillt, abgepumpt und zugeschöppelt. Mein Milcheinschuss kam noch volle Kanne mit Schüttelfrost, aber dann tröpfelte es nur noch.
Je grösser der Hunger meines Sohnes wurde, desto grösser mein Druck, dass es endlich klappen müsste. Ich habe massiert, Teeli getrunken, eingesalbt, gewickelt – meine Brust tat weh, weil sie sozusagen nonstop am Saugnapf hing. Aber es kam keine Milch.
Nach drei Wochen kam meine Wochenbett-Betreuerin und erklärte mir sehr einfühlsam, dass Kinder ohne Brust genauso gesund und stark werden. Dafür werde ich ihr immer dankbar sein! Da habe ich aufgehört.
Aber danach musste ich mir einiges anhören: «Tja, wer wirklich will, bei der klappt’s auch!’ Oder: «Ah, du hattest einen Kaiserschnitt? Dann ist ja klar, warum du nicht stillen konntest!’ Oder auch sehr toll: «Ja, gell, kleine Brüste haben andere Vorteile.’
Den Hammer fand ich: «Du musst dann schon aufpassen, dass dein Kind richtig sprechen lernt – Kinder mit Schoppen haben weniger ausgeprägte Kiefermuskeln.’ WTF!»
Solche Aussagen sind verletzend, unnötig und vor allem: falsch!
Viele Menschen mit Gebärmutter erleben es, dass ihnen ab der Schwangerschaft plötzlich reingeredet wird. Ungefragt kommentieren Bekannte und auch Wildfremde, was sie zu sich nehmen und wie sie sich verhalten sollten. Nur zu ihrem Besten natürlich…
Diese Übergriffigkeit setzt sich mit der Geburt des Kindes fort. Und gerade beim Stillen scheint jede und jeder eine Meinung zu haben und zu viele glauben, sie auch kundtun zu müssen.
Das erhöht den Druck noch mehr. Und macht es uns noch schwieriger, unsere eigene Meinung zu bilden.
Drum vier Tipps für Probleme beim Stillen:
- Stillberatung anfragen. Die Grundversicherung der Krankenkasse zahlt drei Beratungen. Hier kann man eine Beraterin finden: Berufsverband Schweizerischer Still- und Laktationsberaterinnen. Auch die kostenlose Elternberatung in den einzelnen Wohnorten kann Infos und Tipps zum Stillen geben.
- Austausch suchen – in Online-Foren, bei Anlässen wie zum Beispiel dem «Still-Zmorge» der Stillkampagne Schweiz oder bei Elterntreffen in der Region.
- Sich nicht von Fremdmeinungen beirren lassen, wenn das Bauchgefühl etwas anderes sagt. Viele Informationen, die so herumerzählt werden, sind schlichtweg Humbug. Gute Infos rund ums Stillen haben fachlich fundierte Seiten wie z.B. Swissmom.
- Psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Manchmal nehmen Stillprobleme und Gedankenkarrusell so überhand, dass man alleine nicht mehr aus dem Tief rauskommt. Hilfe suchen ist ein Zeichen von Stärke! Hier findet man Fachpersonen. Achtung: Keinesfalls vor lauter Frust zu rasch abstillen! Das erhöht die Gefahr, an einer postpartalen Depression zu erkranken.
Einen ebenfalls anspruchsvollen Start ins Stillen erlebte das Community-Mitglied Mirea:
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Mirea: «Ich hasste Stillen. Dann liebte ich es.»
«Ich glaube, ich durfte so ziemlich jede Komplikation des Stillens erleben. Entzündungen en masse, blutende Brustwarzen und so weiter. Ich hasste das Stillen. Aber noch mehr hasste ich es, wenn mein Umfeld mir sagte, ich solle jetzt endlich auf Schoppen umstellen.
Versteh mich nicht falsch: Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn man mit Stillen aufhört! Aber ich hätte mir mehr Support gewünscht statt einfach den Rat, aufzuhören.
Einen Mann, der einem Quarkwickel macht. Eine Mutter, die kurz ins Nebenzimmer geht, wenn ich stille, weil mein Baby einfach zu unruhig trank, wenn jemand im Zimmer war. Eine Wochenbett-Hebamme, die weniger gehetzt wirkt.
Drum empfand ich die «Gib es doch endlich auf»-Tipps nicht als hilfreich. Sondern als Sabotage.
Mein Umfeld wollte einfach, dass alles reibungslos funktioniert. Und das fand ich absurd, es war schliesslich mein erstes Kind.
Ich biss mich durch und nach acht Wochen wurde es besser. Und beim zweiten Kind klappte es dann zwar auch nicht sofort perfekt, aber ich war schon viel entspannter. Ich liebte das Stillen. Und war stolz, dass ich auf mich gehört hatte.»
Das Abstillen: Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Die einfache Antwort auf diese Frage: Wenn es für DICH stimmt.
Nur scheint es unfassbar schwierig herauszufinden, wann es für uns stimmt. Ist ja nicht so, dass wir völlig unabhängig entscheiden könnten, in unserem Kopf schwirren unzählige Infos, Glaubenssätze und Wünsche herum, so dass die eigene Meinung selten klar heraussticht.
Was hilft, sind folgende zwei Fragen:
Wie fühlt sich der Gedanke ans Abstillen an? Kommt Erleichterung auf? Oder überwiegt Trauer? Mehrere Hebammen sagten mir: Frauen sollten sich diese Gedanken über einen Monat verteilt mehrmals machen und sie aufschreiben. Unsere Gefühle sind ja nicht immer gleich, sondern variieren je nach Müdigkeitsstatus, Zyklustand oder genereller emotionaler Verfassung. So erhält man mit der Zeit ein Gefühl dafür, wie man zum Abstillen steht.
Wieso überlege ich gerade jetzt, ob ich abstillen soll? Die Frage klingt so simpel, aber oft deckt sie deutlich auf, was gerade los ist. Ob das Abstillen wegen innerer oder äusserer Faktoren zum Thema wird.
Sehr oft sind es nämlich äussere Umstände, die uns glauben machen, es sei Zeit zum Abstillen. Etwa, weil Leute behaupten, es sei «komisch, ein Kind zu stillen, das schon laufen kann» oder sonstige absurde Begründungen, die nichts weiter sind als persönliche Meinungen – die jede und jeder haben darf, aber ja nicht unbedingt anderen zumuten muss.
Die Rückkehr ins Berufsleben markiert für sehr viele Frauen den Zeitpunkt, mit Stillen aufzuhören.
Stillen und Beruf sind unvereinbar? Nein!
Das Schweizer Arbeitsrecht sieht ganz klar vor, dass man weiterstillen darf. Zum Beispiel gibt es gesetzlich geregelte Stillpausen und es muss ein ruhiger Raum zum Milch-Abpumpen sowie eine Möglichkeit zur Kühlung der Muttermilch zur Verfügung stehen.
Detaillierte Infos dazu gibt es bei der Stillkampagne Schweiz oder bei der Stillförderung Schweiz. Und Medela hat eine informative Broschüre zu Arbeiten und Stillen und ein Infoblatt für Arbeitgeber.
Wir alle wissen aber: Manche Arbeitgeber kennen die Rechte von Stillenden nicht oder ignorieren sie tunlichst – und es ist ermüdend und teilweise auch unangenehm, sich für seine Rechte starkzumachen.
Ein Tipp, den mir diverse Fachleute gaben: Mütter sollen sich ans HR wenden mit der Bitte um Unterstützung. Es macht keinen Sinn, wenn jede Arbeitnehmerin das mit ihren Vorgesetzten separat klärt, das kostet zu viel Energie und schafft auch ungleiche Bedingungen.
Ich persönlich fand die Vereinbarkeit von Stillen und Beruf nicht optimal, weil ich oft für Reportagen oder Interviews herumreiste, wenig Zeit zum Abpumpen fand und selten Kühlmöglichkeiten hatte.
Nachdem ich mich einige Wochen dauergestresst fühlte, ständig mit einem Kühltäschchen rumlief, in Restaurants oder Haushalten um eine Zwischenlagerung meiner Muttermilch im Kühlschrank bitten und mein Mom Brain mächtig anstrengen musste, um die Milch auch wieder abzuholen, gab ich auf. Ich stillte nicht ab, aber entschied mich für eine pragmatische Lösung:
Wenn ich da war, stillte ich. Wenn nicht, gab es Flaschennahrung.
Manchmal musste ich unterwegs abpumpen, weil die Brust voll war. Dann leerte ich die Milch halt in den Ausguss. Es war enorm erleichternd, nicht mehr an die Kühlung der Milch denken zu müssen.
Ich würde jetzt gerne behaupten, ich sei allein auf diese Lösung gekommen. Aber in meinem Kopf gibt es den fiesen Glaubenssatz «Ganz oder gar nicht». Also brauchte es eine Freundin, die mich auf die Idee brachte, dass man nicht immer Muttermilch nehmen muss, auch wenn man genug davon hätte.
So konnte ich beide Kinder so lange stillen, wie es für mich stimmte. Und irgendwann kam das Gefühl auf, dass ich nicht mehr mag und ich stillte ab. Ohne Stress, ohne Reue.
Die Alternative: Es geht auch ohne Stillen
Manche Frauen wollen nicht stillen, aus ganz verschiedenen Gründen. Es gibt Frauen mit körperlichen Traumata, wegen Missbrauch, Operationen, Erkrankungen usw. Es gibt Frauen, die das ganze Stillprozedere bei einem früheren Baby zu stark aus dem psychischen Gleichgewicht geworfen hat.
Es gibt Frauen, deren Brüste beim ersten Kind ständig tropften und die mit zehn Ersatzshirts aus dem Haus mussten und sich nicht mehr alltagstauglich fühlten. Oder Frauen, die ihre Unabhängigkeit oder ihren Körper nicht gänzlich hergeben möchten. Und so weiter.
Individuelle Gründe, die Aussenstehende nichts angehen.
Möchte man solche persönlichen Geschichten mit anderen teilen? Insbesondere mit Menschen, die übergriffige Nachfragen stellen? Eher nicht.
Eine Hebamme erzählte mir mal: «Ich rate allen Frauen, die nicht stillen: «Sagt, es sei was Medizinisches. Und ihr möchtet nicht weiter drüber reden.’ Das stoppt meist lästige Nachfragen oder blöde Bemerkungen. Nach der Geburt ist man so empfindlich und entkräftet, da muss man sich schützen. Und sollte keinesfalls versuchen, sich zu rechtfertigen – das führt nur zu Diskussionen, die einen vergessen lassen, dass man frei wählen darf.»
Genau: Wir haben die Wahl!
Es ist ja nicht so, dass sich Frauen hopplahopp dazu entscheiden, nicht zu stillen. Als ob man sich nur aus einer Laune heraus dazu entschliessen würde, gegen den Strom zu schwimmen.
Meine Freundin Giorgia hat sich dazu viele Gedanken gemacht und auf ihrem Blog darüber geschrieben: Nicht stillen. Darf ich das? und Nicht stillen. Die Entscheidung.
Sie beschreibt, wie schwierig es war, überhaupt an Informationen zu kommen. Und wie sehr ihr beim Nachforschen das Gefühl vermittelt wurde, sie sei eine schlechte Mutter, wenn sie sich dazu überhaupt Gedanken macht. Ihre entscheidende Frage war letztlich:
Was ist besser für das Baby: eine gestresste Mutter, die sich gar nicht wohl fühlt, leidet und trotzdem stillt – oder eine Mutter, die nicht stillt, sich dabei wohl fühlt und voll und ganz da sein kann für ihr Kind, ohne Stress und psychische und physische Probleme?
Sie entschied sich bewusst gegen das Stillen.
Auch unser Community-Mitglied Sabrina fällte diesen Entscheid nach reiflicher Überlegung. Ihr Erfahrungsbericht:
Sabrina: «Die Entscheidung befreite mich ungemein»
«In der Schwangerschaft war die Vorfreude auf das Baby riesig, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass meine Brüste es ernähren sollten. Der Gedanke fühlte sich komisch an. Viele Bekannte sagten: «Dieses Gefühl wird schon noch kommen, es ist so toll.’ Ich aber hatte grosse Zweifel.
Ab der 20. Woche hatte ich Wehen, wurde krankgeschrieben. Ich lag auf meiner Couch und dachte viel nach. Immer wieder kam mir das Stillen in den Sinn. Ich dachte: «Ich muss mich dann ständig alleine um das Baby kümmern, kann nicht raus, wann ich will und mein Leben nicht mehr selbstbestimmt führen.’ Dieser Gedanke engte mich als freiheitsliebenden Menschen ein. Ich empfand dies als besonders einengend, weil ich ja schon 20 Wochen «eingesperrt» war und mich nicht mehr bewegen durfte, keinen Sport mehr treiben konnte usw.
Musste es wirklich so sein?
Ich ging ins Schwangerschaftsyoga, und da war diese Frau, ein wenig älter als ich und sehr bestimmt. Sie sagte: «Ich plane einen Kaiserschnitt, weil ich einfach nicht damit klarkomme, wenn ich nicht weiss, wann das Baby kommt.’ Wow, was für eine starke Ansage!
Ihre Worte kreisten lange in meinem Kopf. Diese bewusste Entscheidung. Ich mag klare Ansagen und merkte: Das mit dem Stillen kann ich mir wirklich nicht vorstellen.
Nachdem ich in vielen Büchern gestöbert und diverse Gespräche geführt hatte, natürlich auch mit meinem Mann, fasste ich einen Entschluss: Ich will das nicht!
Diese Entscheidung befreite mich ungemein. Ich wusste nun, dass das Rumliegen ein absehbares Ende haben wird und dass ich nach der Geburt wieder freier wäre.
Mein Körper würde wieder mir gehören.
Ich informierte meinen Frauenarzt, und er stellte sicher, dass ich gleich nach der Geburt ein Medikament erhielt, um den Milcheinschuss zu unterdrücken. Da floss nie ein Tropfen Milch aus meinen Brüsten. Ich fühlte mich wunderbar und das Baby trank gut aus der Flasche.
Im Spital habe ich keine nennenswerten negativen Erfahrungen gemacht. Nur einmal wusste eine der Pflegerinnen nicht, dass ich nicht stille, sonst erfuhr ich grosse Unterstützung.
Was für mich besonders positiv war: Mein Mann konnte die gleiche Bindung zum Baby aufbauen wie ich.
Wir konnten uns von Anfang an mit allem abwechseln, auch mit dem Schlafen. Ich hatte nie das Gefühl, dass er etwas weniger gut kann als ich. Wir sind ebenbürtig bei der Erziehung und der Betreuung.
Diese Erkenntnis half uns enorm, als Eltern anzukommen und die Gleichberechtigung war bei uns von Tag 1 an da. Unsere Kinder rufen oft MamiPapi, weil es einfach keine Rolle spielt, wer kommt – Hauptsache, es kommt jemand!
Mein älterer Sohn ist jetzt sechseinhalb Jahre alt und musste noch nie Antibiotika nehmen. Sein Immunsystem ist also intakt, auch wenn er keine Muttermilch bekommen hat. Auch meinen zweiten Sohn habe ich nicht gestillt. Ob es mit Muttermilch anders gewesen wäre, kann man natürlich nicht sagen.
Aber natürlich war nicht alles positiv. Schlechte Erfahrunge machte ich vor allem bei meinem ersten Sohn. Das rührt wohl auch daher, dass man beim Erstgeborenen etwas unsicherer ist. Ich ging zu einer Mütterberaterin, weil man das halt so macht. Diese hatte für mich keinerlei Verständnis und attackierte mich verbal. Sie monierte meinen (medizinisch notwendigen) Kaiserschnitt – und als sie hörte, dass ich nicht stille, liess sie sich über mich aus, dass ich wohl eh alles besser wisse. Mein Mann und ich sind kommentarlos weggegangen und haben unser Baby fortan zuhause gewogen.
Unschön waren teilweise auch Begegnungen mit anderen Müttern. Von ihnen kam oft der Spruch, dass ich die Nähe mit dem Baby nicht spüren würde. Ich war traurig über dieses Pauschalurteil, zog mich etwas zurück und ging nur noch mit langjährigen Freundinnen spazieren.
Ich möchte betonen, dass ich es sehr gut finde, wenn eine Frau sich bewusst fürs Stillen entscheidet. Aber wenn jemand ähnliche Bedenken hat zu diesem Thema, ist es auch völlig in Ordnung, es nicht zu machen. Meiner Meinung nach sollte dies auch ermutigt werden. Denn jede Frau und jede Familie sollte das Recht haben, sich frei zu entscheiden.»
Ob Stillen oder nicht, kurz Stillen oder Langzeitstillen…
… wir von mal ehrlich setzen uns immer wieder dafür ein, dass jede Person selbstbestimmt handeln darf. Wir glauben, dass wir als Gesellschaft nur vorwärtskommen, wenn wir einander möglichst wertungsfrei zuhören, zu verstehen versuchen und anderen Meinungen mit Respekt begegnen.
Weil Stillen so ein sensibles Thema ist, bitte ich Euch: Teilt gerne in den Kommentaren eure Erfahrungen und Meinungen mit uns! Aber respektvoll und ohne Pauschalurteile. Danke!
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 16. Mai 2021 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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