Mütter: Arbeitet! Eine Heirat sichert Euch nicht mehr ab
Frauen erhalten fast 40 Prozent weniger Rente. Krass, nicht? Gastautorin Nadine Jürgensen erklärt das unsexy Thema Altersvorsorge, und worauf Working Moms dringend achten sollten.
Was ich Euch jetzt sagen will, ist echt ganz wichtig. Ganz ganz wichtig. Es geht besonders alle alleinerziehenden, unverheirateten, teilzeitarbeitenden oder betreuenden Mütter an. Also uns alle. Unsexy, aber verdammt wichtig: Es geht um etwas, woran wir jetzt gerade gar nicht denken wollen, weil es noch weit weg ist, und weil es kompliziert und durch ein Wort beschrieben wird, das nicht sehr sexy daherkommt: die Altersvorsorge.
Aber wir wissen ja, Vorsorge ist besser als Nachsorge. Deshalb will ich Euch wirklich bitten, trotzdem weiterzulesen, auch wenn Ihr es eigentlich lieber nicht tun wollt, weil das Kind am Ärmel zupft oder die Spülmaschine ausgeräumt werden muss, oder weil Ihr Kopfweh habt oder so. Verstehe ich alles. Aber trotzdem, los geht’s:
Frauen bekommen fast 40 % weniger Rente als Männer. Yep.
Wir haben in der Schweiz ja dieses Drei-Säulen-Prinzip für die Altersvorsorge. Das ist ganz gut, wenn man sich damit auskennt und weiss, worauf man achten muss. Das will ich Euch jetzt erklären, damit Ihr später einmal gleich viel Rente haben werdet wie Eure Partner. Momentan ist es nämlich so, dass Frauen fast 40 Prozent weniger Rente bekommen als Männer.
In die erste Säule, das ist AHV/IV, da zahlt Ihr ein, wenn Ihr erwerbstätig seid, immer. Falls Ihr brav jedes Jahr einzahlt und keine Lücken habt, erhaltet Ihr später eine Vollrente. Vollrenten bewegen sich zwischen der Minimalrente von 1’195 Franken bis zur Maximalrente von 2’390 Franken pro Monat. Ehepaare erhalten maximal 3585 Franken monatlich. Maximalrenten gibt es allerdings nur bei einem sehr hohen durchschnittlichen jährlichen Erwerbseinkommen. Mit der ersten Säule sichert man nach der Rente seine Existenz, aber auch nicht mehr als das. Checkt mal bei Eurer Ausgleichskasse ab, wie es bei Euch aussieht. Fehlende Beitragszeit kann man nämlich bis zu 5 Jahre rückwirkend ergänzen!
In die zweite Säule, die Pensionskasse, muss Euer Arbeitgeber erst dann einzahlen, wenn ihr mindestens 22’050 Franken (2023) im Jahr verdient. Wer übrigens verschiedene Kleinstpensen hat und diesen Betrag erreicht, kann sich bei der Auffangeinrichtung des Bundes anmelden! Bei tiefen Anstellungspensen oder wenn Ihr für eine Zeit gar nicht arbeitet, gibt es also keine Einzahlungspflicht.
Und dann gibt es noch diesen Koordinationsabzug, der den zu versichernden Lohn zusätzlich schmälert. Dieser Abzug beträgt momentan 25’725 Franken (2023) und wird Eurem Bruttolohnimaginär abgezogen – das ergibt dann den zu versichernden Lohn für die Pensionskasse (mindestens aber 3’675 Franken (2023), das ist gesetzlich so festgelegt. Wenn Ihr beispielsweise gerade 22’050 Franken verdient, wärt Ihr ja abzüglich des Koordinationsabzugs sonst im Minus). Bei tiefen Pensen reicht es trotz Pensionskassenpflicht also oft nur für einen minimalen versicherten Lohn. Da kommt bis zur Pensionierung also auch nicht gerade viel zusammen.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Ja, ich will (mehr Geld für meine Rente)!
Die Pensionskasse sollte den gewohnten Lebensstandard sichern. Wenn Ihr verheiratet seid, dann zählen die Jahre der Ehe bei der Pensionskasse des Partners mit und werden – im Falle einer Scheidung – gesplittet. Das heisst, Ihr erhaltet die Hälfte von dem, was in den Ehejahren in der Pensionskasse angehäuft wurde. Wer nicht verheiratet ist und trotzdem die Kinder betreut, hat in diesen Jahren Lücken, die sich nicht mehr so rasch schliessen lassen. Klar, man kann sich in die Pensionskasse einkaufen – doch diesen Batzen hat man nicht immer auf der Seite.
Wichtig: Falls Ihr nicht verheiratet seid und Teilzeit arbeitet, dann lasst Euch falls möglich vom Partner regelmässige Geldbeiträge in Eure Pensionskasse einzahlen.
So, das war’s dann auch schon fast – war nicht sooo schlimm, oder? Man muss die trockene Materie aber leider verstehen, damit man merkt, wo das Problem liegt.
Die dritte Säule ist für das private Sparen für die Altersvorsorge gedacht, also die Extras im Seniorenleben. Die dritte Säule kann man benutzen, muss man aber nicht. Wer angestellt und an eine Pensionskasse angeschlossen ist, kann jährlich 7’056 Franken (2023) in die dritte Säule einzahlen, Selbständige ohne Anschluss an eine Pensionskasse dürfen 20% des Nettolohnes in die Säule 3a einbringen, maximal 35’280 Franken (2023). Beiträge für die dritte Säule kann man übrigens von den Steuern abziehen.
Und jetzt – Trommelwirbel – kommen wir zum Problem:
In der Gender Pension Gap Studie, die 2016 publiziert worden ist, zeigte sich, dass Frauen im Alter weniger Rente zur Verfügung haben – besonders auf Stufe der Pensionskasse. Im Schnitt sind es 37,1 Prozent weniger. Dafür gibt es zwei hauptsächliche Gründe:
- Teilzeit: Frauen betreuen die gemeinsamen Kinder und haben deswegen weniger Lohn, bzw. verdienen grundsätzlich auch weniger (Stichwort Lohnungleichheit).
- Zivilstand: Verheiratete Frauen sind zwar vorsorgetechnisch besser abgesichert als unverheiratete. Dennoch kann es zu Lücken in der Altersvorsorge kommen. Kommt es zusätzlich zu einer Scheidung oder Trennung, stehen die Chancen für den Wiedereinstieg ins Berufsleben oftmals nicht besonders hoch.
Jedes Jahr, das Ihr in Eure Altersvorsorge einzahlt, zählt!
Rentenlücken entstehen also
in der 1. Säule: durch fehlende Beitragsjahre und ein tiefes Durchschnittseinkommen;
in der 2. Säule: durch ein tiefes Einkommen unter der Eintrittsschwelle, zu wenig Beitragsjahre und daraus folgernd einem zu geringen Alterskapital;
in der 3. Säule: indem hier gar keine Einzahlung gemacht wurde.
Hilfe, was soll ich jetzt tun?!
Noch ist es nicht zu spät. Also Ruhe bewahren, aber dieses Thema nicht auf die lange Bank schieben. Zyniker würden mir jetzt sagen, es sei nicht einmal sicher, dass wir künftig überhaupt noch eine Rente vom Staat erhalten werden. Aber das wird dann mega politisch, das lassen wir für einmal (auch wenn ich gerne darüber diskutiere!).
Was Ihr konkret tun könnt (am besten ausdrucken und aufhängen!):
- Säule: Versucht, Erwerbsunterbrüche so kurz wie möglich zu gestalten. Bittet Eure Ausgleichskasse um einen Auszug und zahlt ausstehende Beiträge nach, sofern möglich. Falls notwendig, im Alter sonst ein bis drei Jahre länger arbeiten, aber irgendwie ist das ja auch nicht so toll.
- Säule: Damit Euer Arbeitgeber hier hälftig einzahlen muss, müsst Ihr mindestens 21’510 Franken im Jahr verdienen. Falls das nicht möglich ist, bittet Euren Partner, für Euch einzuzahlen, wenn Ihr wieder erwerbstätig seid und Lücken habt.
- Säule: Los zur Bank oder zur Versicherung, Konto eröffnen statt neue Schuhe kaufen! Es zählen auch geringe Beiträge, die Ihr jedes Jahr regelmässig einzahlt. Auch hier kann Euch Euer Partner mithelfen einzuzahlen. Wenn Ihr Euer Geld in Wertschriften anlegt, gibt es zudem (hoffentlich) noch eine Rendite. Ab 50’000 Franken sollte man ein zweites Konto eröffnen, damit die Steuern beim Bezug nicht zu hoch sind.
Klingt toll! Aber wo soll ich das Geld herbekommen?!
Am besten wäre ein bezahlter Job. Das Bundesgericht hat 2021 in verschiedenen Urteilen zum neuen Unterhaltsrecht entschieden, dass Frauen nach einer Trennung oder Scheidung finanziell zunehmend für ihren Unterhalt selber aufkommen müssen.
Die Heirat ist keine lebenslängliche Absicherung mehr, Unterhaltszahlungen bis zur Pensionierung sind passé. Nach der Scheidung seid Ihr verpflichtet, Euch selber zu versorgen. Das heisst, Ihr müsst Euch wieder einen Job suchen oder die Prozente aufstocken. Unterhalt gibt es nur, soweit Ihr nicht für Euch selber aufkommen könnt. Also zum Beispiel, wenn Ihr die Kinder betreut. Es kommt je nachdem auf das Alter und die Bedürfnisse des Kindes an, wann Ihr wieder ins Erwerbsleben einsteigen müsst.
Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass es in unserem Land mit der Vereinbarkeit nicht zum Besten steht. Gut wäre es, wenn Ihr mindestens 50-60 Prozent erwerbstätig seid, damit Ihr weiterhin in die Pensionskasse einzahlen könnt. Das wird übrigens von den Gerichten auch verlangt: Ab dem Eintritt des jüngsten Kindes in die obligatorische Schulzeit (in vielen Kantonen ist das der Kindergarten mit 4 Jahren), wird der betreuenden Person bei einer Scheidung ein Pensum von 50% an den Unterhalt angerechnet.
Wer während der Kinderbetreuungsphase weniger Prozent oder gar nicht gearbeitet hat, sollte vor und nach der Betreuungszeit möglichst wieder 100 Prozent arbeiten.
Auf ein ganzes Leben gerechnet, solltet Ihr ungefähr auf ein Anstellungsprozent von 70 Prozent kommen, damit Ihr bezüglich Altersvorsorge gut abgesichert seid.
Ideal wäre es, wenn Ihr und Euer Partner beide Teilzeit (70-80 Prozent) arbeiten würdet (ich weiss, dreaaam on…). Wenn beide Teilzeit arbeiten, erhaltet Ihr in der 2. Säule einen «Gleichstellungsbonus» durch Ausschöpfung des versicherten Lohnes (das war das mit dem Koordinationsabzug). Das ist übrigens auch ein gutes Argument, das bei IHM auch ziehen könnte, vielleicht, mal sehen… 😉
Und falls Ihr verheiratet und sehr sehr seeeehr glücklich miteinander seid und Euch nie im Leben trennen werdet, dann: Bingo! Dann seid Ihr relativ gut abgesichert, ob Ihr nun Teilzeit oder gar nicht arbeitet. Schön, nicht?! Nur: Leider scheiden sich noch immer knapp 50 Prozent der Ehen. Wenn Ihr also auf Nummer sicher gehen wollt:
Go get a job. Heiraten sichert Euch die Altersvorsorge nicht mehr!
Spätestens nachdem Euer jüngstes Kind also im Chindsgi ist, macht Euch mental parat für den Arbeitsmarkt. Oder behaltet Euren Job gleich. Vielleicht, wenn wir ganz viele sind, Männer und Frauen, klappt das ja endlich, mit der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Männer, die selbstverständlich Teilzeit arbeiten dürfen, zahlbare und qualitativ hochstehende Kinderbetreuung, Tagesschulen, Lohngleichheit, flexible Arbeitgeber, ein egalitäres Steuersystem und Individualbesteuerung und eine gleichberechtigte Elternzeit…
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 21. März 2021 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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