Mutter sucht Job: «Sie wissen, dass Sie das nicht fragen dürfen?»
Als Mutter auf Jobsuche zu gehen, bedeutet bereits enormen Organisationsaufwand. Einmal im Bewerbungsgespräch, kommen Fragen, die gar nicht gestellt werden dürften. Ein Erfahrungsbericht.
Dabei wollte ich nicht mal gross Karriere machen, als ich mich für ein Kind entschied. Nur weiterhin arbeiten, denn für mich kommt das Kind zuerst. Doch stellt sich heraus: Gerade als gut ausgebildete Frau ist das heute noch immer eine Herausforderung.
Nur zu Hause sitzen mit Kind, das wäre nichts für mich – das wusste ich schon vor der Schwangerschaft. Zum Glück willigte mein Arbeitgeber in der zweiten Schwangerschaftshälfte ein, dass ich meine Stelle als Leiterin Kommunikation und Marketing mit 50 % behalten durfte.
Das ist übrigens so eine magische Grenze. Mit 40 % arbeitest du, um dich noch ein bisschen zu beschäftigen. 50 % ist für die, die im Joballtag bleiben wollen. Bei 50 % oder 60 % eine Stelle zu finden mit Verantwortung: Da musst du Glück haben. Karriere weiterverfolgen: Geht nur, wenn du mindestens 80 % als Pensum behältst. Und das wollen halt viele frischgebackene Mamas nicht – mich eingeschlossen.
Die Degradierung
Als ich nach meinem Mutterschaftsurlaub zurückkehrte, war ich zuerst auf mich alleine gestellt. Mit einem 50 % Pensum und einem hundertprozentigen Haufen Arbeit plus Stillen. Nach vier harten Monaten begann meine Jobsharing-Partnerin und es funktionierte ganz gut. Nach weiteren sechs Monaten, in denen ich volle Leistung gebracht hatte (ich las meine Mails auch an meinen freien Tag, liess nichts stehen, erledigte alles, kannte ja den Laden seit über fünf Jahren), gab es eine „Reorganisation“: Man durfte keine Leitungsstelle mehr haben, wenn man weniger als 80 % arbeitete.
Kurzum: Ich wurde degradiert. Mir wurde zwar angeboten, meinen Job zu behalten. Aber eben: mit mindestens 80 %. Optionen gab es keine. Innerhalb von zwei Wochen wurde das Stelleninserat ausgeschrieben und ein neuer Leiter gesucht, da meine Jobsharing-Partnerin die neuen Bedingungen nicht akzeptieren wollte.
Für mich war der Fall klar: Nach allem, was ich aufgebaut und gemacht hatte, konnte ich auf keinen Fall als Ausführende ohne Verantwortung weiterarbeiten. Ich würde mich nicht degradieren lassen. Ich kündigte.
Ehrlich: Ich war und bin frustriert. Habe noch immer viele Fragen zum Warum, die Enttäuschung über meinen Arbeitgeber ist gross. Anscheinend ist es heute oft immer noch nicht möglich, dass eine teilzeitarbeitende, engagierte Mitarbeiterin ihr Pensum etwas reduziert. Lieber wird in Kauf genommen, dass sie geht und all ihr Wissen der letzten Jahre mitnimmt.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Mama auf Jobsuche
Das Fazit vorneweg: Mehr als einmal hätte ich mir während des Bewerbungsprozesses gewünscht, nicht so eine gute Ausbildung (Universität und zwei CAS) zu haben, sondern nur einen KV-Abschluss. Dann hätte ich mich auf viel mehr Jobs bewerben können. Oft war ich – wie ich auf Nachfrage erfuhr – überqualifiziert. Oder war keine Wunschkandidatin, da ich vorhin so viel Verantwortung hatte, die mir am neuen Arbeitsort nicht mehr gegeben würde. Oder es hiess, ich wäre unterfordert. Hinzu kamen enorm tiefere Lohnangebote, sodass ich von mir aus wieder absagen musste.
Auf der anderen Seite merkte ich, dass die Nachfrage nach 50-60 %-Stellen im Bereich Kommunikation enorm sein muss. Bei einer Stelle bewarben sich anscheinend über 80 Interessierte – der Wunsch nach Teilzeitarbeit ist gross. In der Realität sind Kind und Karriere für Mütter noch immer die Ausnahme.
Organisation für die Bewerbung
Ich habe mich in den letzten Monaten auf 30 Stellen beworben und durfte mich neunmal vorstellen. Mit einigen Arbeitgebern führte ich im Vorfeld ein Telefoninterview – dies finde ich ein bewährtes Mittel, da man diverse wichtige Fragen zu Lohn, Pensum, Verantwortung bereits klären kann. Als Kleinkindmutter im Job-Bewerbungsprozess zu sein, bedeutet vor allem viel Aufwand: Termin finden, Betreuung fürs Kind organisieren und sich gut vorbereiten. Vor allem der letzte Punkt ist schwierig: Man hat ja so wenig Zeit mit einem 1,5-jährigen Kind! Dann immer die Tante, den Partner oder die Grosseltern aufbieten für das Hüten – ein riesiger Aufwand.
Heikle Fragen
Da ich mich explizit auf Teilzeitstellen bewarb, habe ich mir lange überlegt, wie und ob ich mein Kind im Lebenslauf erwähnen soll. Ich entschied mich für eine Zwischenlösung: „1 Kind, Jahrgang 2015, Betreuung sichergestellt“. Mir ist Transparenz wichtig und ich hätte somit auch noch die Frage, warum ich Teilzeit arbeiten möchte, erklären müssen. Die Nachfrage kam prompt: „Ah, ein Kind, und klappt das gut mit der Arbeit?“ Darauf antwortete ich immer – denn es entspricht der Wahrheit – ja, wir haben uns gut eingespielt, es gibt den Grosseltern-, den Kita- und den Papitag. Ob ich denn fixe Tage arbeiten möchte, war die zweite Frage, die ich natürlich mit Ja beantwortete. Die Betreuung lässt sich nicht jede Woche neu organisieren.
Prekärer ist die Frage, ob und wann denn das zweite Kind anstehe. Ich antwortete jedes Mal zuerst mit „Sie wissen, dass Sie das nicht fragen dürfen?“.
Und sie fragten doch
Da meistens nur ein nettes Lächeln zurückkam, und das Gegenüber auf meine Ausführung wartete, sah ich mich gezwungen, weiterzusprechen. Und begann mit Rechtfertigungen: „Das ist sicher ein Thema, aber jetzt noch nicht.» „Das ist ein Thema, aber ich kann versichern, ich hatte eine super erste Schwangerschaft, arbeitete bis eine Woche vor der Geburt, komme ja nachher wieder, hatte während meiner Abwesenheit alles im Vorfeld geregelt, Medienmitteilungen vorgeschrieben… Also alles kein Problem“.
Ich war jedes Mal froh, wenn die Frage nicht kam. Mein Ratschlag: Ausweichen! Es geht niemanden etwas an. Ob ein zweites Kind in einem Jahr, in vier oder gar nie geplant ist – Firmen, die mit diesem Umstand nicht leben können, haben dich als Mitarbeiterin nicht verdient!
In meinem neuen Job übrigens, da bin ich richtig flexibel: einen Office-Tag und 1,5 Tage von zu Hause aus. Wieder 50 %, gleiche Job-Bezeichnung, stv. Geschäftsführerin. Mein neuer Arbeitgeber hat erkannt, dass man zum Arbeiten nicht orts- und zeitgebunden sein muss und gute Arbeitsbedingungen auch gute ArbeitnehmerInnen anziehen.
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Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 6. Juni 2017 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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