Ich bin auch ein Verhütungsmittel oder: Warum Kinder kriegen?
Weil meine Freundin von mir nur die anstrengenden Seiten des Mutterseins mitkriegt, überlegt sie, ob sie überhaupt Kinder will. Und ich merke: Ich verkaufe das Schönste in meinem Leben miserabel. Wieso eigentlich?
Ich bin auch ein Verhütungsmittel.
Dass dem so ist, erfuhr ich eines Nachmittags beim Kaffee, so ganz nebenbei. Meine Freundin A. sagte: «Wenn ich Dir manchmal so zuhöre, weiss ich gar nicht, ob ich Kinder kriegen will.» Sie war nachdenklich.
Und ich war sprachlos.
A. konnte nicht wissen, wie unfassbar dieser Satz für mich war. Ich muss geguckt haben wie der Gollum, wenn jemand seinen „Ssschattz“ verschmähen würde: „Ach, nö, danke. Der Ring gefällt mir nicht.“
Aber Kinder. Meine Kinder! Wieso um Himmelswillen würde man die nicht wollen?
Fragte ich A. Und natürlich ging es ihr nicht konkret um meine Schätze, die zu diesem Zeitpunkt gerade den Balkon mit Guetzlibrösmeli düngten. Sondern um das Leben, das sich verändert, wenn die Kinder erst mal da sind.
A. kennt mich seit 16 Jahren. (Kleine Backstory: Wir konnten uns anfangs nicht unbedingt leiden. Sie fand mich eine mediengeile Tussi, ich sie eine überhebliche Hipstertrucke. Nach viel, viel Alkohol erzählten wir uns unsere Geheimnisse und behielten sie dann auch mit Kopfweh für uns. Das können wir übrigens immer noch.)
Unsere Freundschaft hat nebst vielem Anderen auch mein Mutterwerden überlebt – keine Selbstverständlichkeit.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Aber zurück zu meinen empfängnisverhütenden Fähigkeiten. A. holte tief Luft und erzählte aus ihrer Perspektive (und mit meinen Worten), wie sich ihr mein Leben als Mutter präsentierte:
„Du bist mega gestresst. Kommst kaum zum Schlafen. Musst ständig alles organisieren, wenn Du arbeiten willst, oder einen Abend weg. Hast Puff mit Anyworking Dad wegen dieser Organisation. Und diese riesige Verantwortung die ganze Zeit! Ich weiss echt nicht, ob ich das überhaupt kann!“
Meine Kinder übten derweil Turmspringen von der Sofakante.
A. hatte recht. Das alles hatte ich natürlich gesagt. Mich auch beklagt, über meine Akkordeon-Augenringe und das Konfliktpotential, das Kinder in eine Partnerschaft bringen. Ich mache oft sarkastische Kommentare zum Zustand meiner Brüste oder meiner Karriere ( beide ungefähr auf vergleichbarer Höhe) und den erschöpften Mama-Seufzer habe ich perfektioniert.
Kurz: Ich verkaufe das Schönste in meinem Leben miserabel.
Aber A., deswegen sollst Du doch nicht ewig verhüten!
Ich versuchte ihr zu erklären, dass ich mein Leben als eine Reise verstehe, bei der ich verschiedene Destinationen anpeile, und auf der ich ständig lerne. Vor vier Jahren habe ich mich primär aus Neugierde auf die Mutterschaft eingelassen. Um herauszufinden, was sie mit mir macht.
Die Erschöpfung, der Schlafmangel, die Angst, etwas falsch zu machen – diese Zustände kenne ich alle. Aber sie bilden nur einen dünnen Mantel um diese brodelnde, bedingungslose (und es ist nicht nur eine Floskel!) Liebe, die ich in mir trage und die man niemandem erklären kann, der sie nicht kennt.
Allein dieses neue Gefühl kennengelernt zu haben, macht alle Anstrengungen wett.
„Und“, sagte ich zu A, „meine Kinder sind ‚meine Leute‘, ich mag sie – nicht weil ich als Mutter dazu verpflichtet bin, sondern weil es wirklich so ist.“
Ich erklärte A., dass wir Mütter Hemmungen haben, Kinderlosen exzessiv von der Beziehung zu unserem Nachwuchs vorzuschwärmen. Es fühlt sich angeberisch an, als würde man einem Hungernden den Speck durch den Mund ziehen. Deswegen konzentrieren wir uns in unseren Erzählungen möglicherweise mehr auf jene Erlebnisse, die man auch ohne Kinder nachvollziehen kann. Augenringe und so.
Mit präventiven Folgen, wie ich jetzt merken musste. Liebe A., wenn Du wirklich keine Kinder möchtest – dann lass es mit dem Mutter werden, aber:
Falls doch, will ich ab jetzt Dein Aphrodisiakum sein. Versprochen.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 24. Mai 2016 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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