Me, Myself and I – warum das vorerst genügt
Kann frau auch ohne Kinder bereits Mutterliebe empfinden? Gibt es den richtigen Moment, um Mutter zu werden? Ein Gastbeitrag von Yonni Moreno Meyer.
Andrea fragt mich, ob ich einen Text für Any Working Mom schreibe.
Logisch mache ich das.
Andrea sagt, es gehe um Kinder und so. Mama sein und so.
Ohjemine.
Wenn ich in der Vergangenheit eins gelernt habe, dann, dass es kein extremeres Trigger-Thema gibt als Kinder. Ich habe schon ganze Texte über komplett andere Themen geschrieben – wenn da nur ein Satz über Kinder drin steht, drehen sich die Diskussionen in den Kommentarspalten garantiert um diesen einen Satz.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Als Kinderlose darf man nicht über Kinder schreiben.
Also man darf schon, man wird’s einfach bereuen. Ich hab’s mehrfach versucht. Auch wenn ich versuchte, sehr differenziert zu sein, rüberzubringen, dass ich Kinder wahnsinnig gern habe – keine Chance. Am Ende gabs immer Streit.
Und deshalb, liebe Any-Working-Mom-LeserInnen, tue ich das auch heute nicht. Denn: Ich mag keinen Streit. Auch (oder gerade) für Klicks nicht. Und die will ich ja für die liebe Andrea generieren, denn ich halte sie für einen tollen Menschen.
Ich bin also keine Expertin im Kinder-Haben. Ich bin jedoch Expertin in meiner eigenen Geschichte. Und die ist (bisher) diejenige einer Frau ohne Kinder.
Ich möchte mich hier also darauf beschränken, zu erzählen, wie es ist, wenn man als 35-Jährige keine Kinder hat. Meine Geschichte, meine Perspektive, kein Angriff auf diejenigen, die es anders handhaben.
Ganz ehrlich: Manchmal bin ich froh darüber, dass ich (noch) keine Kinder habe.
Ich kann mich voll und ganz auf meine Karriere konzentrieren. Und ich liebe meine Karriere. Ich mag es auch, dass ich finanziell sehr gut dastehe im Moment. Ich kann reisen, was mir sehr wichtig ist. Ich kann mir da und dort Luxus gönnen. Ich bin komplett flexibel, kann im Ausgeh-Viertel wohnen, weggehen, das Leben geniessen…
Und das ist gut so.
Aber dann ist da auch diese leise Melancholie. Ché Guevara schrieb, als er das erste Mal in Machu Picchu war: «¿Cómo es posible sentir nostalgia de un mundo que nunca conocí?»
Wie kann ich Nostalgie für eine Welt empfinden, die ich gar nie kennengelernt habe?
Eine solche Melancholie, eine solche Nostalgie überkommt mich manchmal. Für ein Leben, das ich nie gelebt habe. Eine Art Wehmut über verpasste Chancen. Ich werde nie eine junge Mutter sein. Nie eine Frau, die ihre Jugendliebe geheiratet hat.
Das tut manchmal weh. So, wie es manchmal auch weh tut, wenn ich meine Freunde in ihrer Elternliebe aufgehen sehe. Die Freude für sie überwiegt. Bei weitem. Und doch weiss ich, dass ich diese Liebe auch in mir trage und dass ich sie gerne weitergeben würde. Irgendwann.
Und dann, wenn solche Momente da sind, dann bin ich von Herzen traurig, aufrichtig traurig, dann stehe ich auf, richte mein Krönchen, schaue ich in den Spiegel und weiss, dass mich meine bisherige Kinderlosigkeit eins gelehrt hat: Ich reiche aus. Für mich. Auch wenn ich es mir manchmal anders wünschen würde: Ich kann mit mir allein auskommen. Und ich weiss, dass das nicht selbstverständlich ist. Das kann nicht Jede/r.
Ich bin dankbar, dass ich mir genüge.
Nebst der Melancholie über verpasste Chancen ist da nämlich auch Euphorie über gepackte. Über meine Ausbildung. Darüber, dass ich mich eben gerade nicht niedergelassen habe. Darüber, dass ich immer wieder aus meiner Komfortzone ausgebrochen bin. Darüber, dass ich Zeit hatte, mich kennenzulernen, rauszufinden, wer ich bin. Dass ich die Welt gesehen habe. Dass ich jeden Tag im Beruf das mache, was ich am besten kann und am meisten will.
Darüber, dass ich nichts erzwungen habe.
Ich habe stets auf Beziehungen verzichtet, nur um eine Beziehung zu haben, auch wenn ich mich nach Liebe und Nähe sehnte. Und ich habe auf Kinder verzichtet, nur um Kinder zu haben, auch wenn ich mich danach sehnte, meine Liebe und Nähe weiterzugeben. Wenn ich eine Beziehung will, dann eine, die passt. Kein Mittel zum Zweck. Und die soll dann Grundlage für ein gemeinsames Kind sein. Mein Kind soll seinetwegen da sein, nicht (nur) meinetwegen.
Vielleicht ist also meine bisherige Kinderlosigkeit in Tat und Wahrheit ein Akt der Mutterliebe – für Kinder, die ich (noch) nicht habe.
Diesen Gedanken finde ich versöhnlich. Diesen Gedanken finde ich schön.
Yonni Moreno Meyer alias Pony M. ist Stand-Up-Comedienne, Buchautorin und hat eine Ausbildung als Psychologin. Seit 2013 veröffentlicht sie als Pony M. auf Facebook satirische und gesellschaftskritische Texte, inzwischen schreibt sie auch regelmässig Kolumnen für Watson. Sie gehört heute zu den meistgelesenen Online-Autorinnen der Schweiz. Zwei Jahre nach Erscheinen dieses Beitrags kam Yonnis Sohn zur Welt (*2019).
Ebenfalls von und mit Yonni bei Any Working Mom:
Selbstliebe meint nicht, dass ich mich immer perfekt finden muss! (Podcast)
Mal ehrlich: Hose Abe mit Pony M. (Video)
Because you asked: Tipps für Schwangere von Pony M.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 23. Februar 2017 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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