Weniger Streit, mehr Verständnis? Tauscht die Rollen!
Sie waren ein gleichberechtigtes Paar – und tappten volles Rohr in die Rollenfalle. Aber dann gab’s einen Schupf vom Schicksal.
Ziemlich genau ein Jahr ist es nun her, seit mein Mann eine einmalige Gelegenheit ergriffen und sich eine mehrmonatige Auszeit vom Job genommen hat. In dieser Zeit waren die Zeichen bei uns zu Hause für einmal umgekehrt: Er blieb zu Hause und ich ging ins Büro.
Wir tauschten unsere Rollen.
Nachdem wir als Familie erst ein paar Monate quer durch Asien reisten, begann für meinen Mann das, was bisher vor allem ich als Alltag kannte: viele Tage zu Hause mit den Kindern, manchmal schier endlos lang, oft chaotisch, immer wieder lustig, spannend, aufregend. Mit Badi, Fussballtraining, wo ist mein grüner Dino, wieso hat es schon wieder keine Milch mehr, zieh jetzt endlich deine Schuhe an, du kommst zu spät, könntest du bitte mit der Gabel essen…
Der ganz normale Wahnsinn mit Kindern. Mit viel herzerwärmenden Momenten, aber eben auch mit viel mühsamem Seich.
Blenden wir ein paar Jahre zurück: Als mein Mann und ich uns kennenlernten, arbeiteten wir beide hundert Prozent, verdienten in etwa gleich viel und den Haushalt machte, wer gerade Zeit dafür fand (irgendwie schien es damals auch deutlich, DEUTLICH weniger Hausarbeit zu sein).
Dann kam unsere erster Sohn zur Welt. Und die Weichen wurden neu gestellt. Von wegen gleichberechtigtes Paar:
Wir tappten volles Rohr in die Rollenfalle.
Schleichend und ohne es gross zu bemerken, änderten sich unsere Rollen. Ich blieb während des Mutterschaftsurlaubs zu Hause, widmete mich Baby (mit viel Elan) und Haushalt (mit etwas weniger Elan). Mein Mann ging weiterhin jeden Morgen ins Büro.
Die neuen Rollen hielten sich hartnäckig – auch nachdem ich längst wieder zurück im Beruf war. Irgendwie hatte sich durch die Geburt des ersten Kindes eine neue Aufgabenverteilung eingeschlichen. Die ich ehrlich gesagt gar nicht so toll fand.
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Der Frust war vorprogrammiert.
Wir brauchten einen kleinen Schupf vom Schicksal, um aus unseren Mustern auszubrechen. Denn dank dem Rollentausch – und mag er auch nur vorübergehend sein – sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir mehr Verständnis füreinander aufbringen und uns beide wieder gleichberechtigt fühlen.
Ich verstehe so gut, was mein Mann meint, wenn er sagt, sein Tag mit den Kindern sei irgendwie stressig gewesen, obwohl er das Gefühl habe, gar nichts gemacht zu haben. Ich fühle mich ihm dadurch viel näher.
Wir sitzen irgendwie wieder in einem Boot.
Das Beste: Mein Mann hat nun auch im Kopf, wer zu welchem Kindergeburtstag eingeladen ist (und was sich das Geburtstagskind wünscht), wann welches Kind zum Fussball muss und bei wem die Badehosen schon wieder zu klein sind.
Sogar der Hort ruft jetzt zuerst ihn an, wenn ein Kind seine Jacke nicht findet oder mit einem Gspänli nach Hause will.
Hurra!! Endlich, endlich ist die verdammte Mental Load aufgeteilt! Das macht so unfassbar viel aus.
Dieses stressige Gefühl, wenn einen schon morgens beim Kaffeemachen all die hunderttausend kleinen Sachen, an die man heute auch noch denken muss, zu erdrücken drohen – …
… es ist weg.
Endlich kann ich meinen Kaffee geniessen (wenn die Kinder nicht gerade streiten oder ihr Müsli auf den Teppich kippen), ohne vor lauter Graus vor dem Pendenzenberg schon bei einem gefühlten Ruhepuls von 180 zu sein. Obwohl: Von Ruhe kann trotzdem keine Rede sein.
Ich komme dafür nun manchmal abends nach Hause und denke: «Der hätte jetzt aber auch mal …(die Geschirrspülmaschine ausräumen, die Wäsche machen, den Karton runterbringen können)». Um mich dann schnell wieder daran zu erinnern, dass es nach einem Tag mit den Kindern bei mir am Abend in der Wohnung gern aussieht wie Sau und ich manchmal einfach zu gar nichts komme, wenn ich den ganzen Tag zwei Kinder und ihren Alltag jongliere.
Unsere beiden Söhne sind inzwischen fünf und acht Jahre alt. Das neue Modell funktioniert: fantastisch! Wir haben viel weniger Streit, weil ich nicht mehr die gefrustete Nörglerin bin, die das Gefühl hat, alles bleibe an ihr hängen. Zusätzlich haben wir nun beide viel Zeit mit den Kindern – das freut sie und auch uns.
Für die beiden Jungs ist es grossartig, so viel Zeit mit ihrem Vater zu verbringen. Im Idealfall merken sie auf diesem Weg auch noch gleich, dass Erziehung nicht ausschliesslich Frauensache ist.
Seit ein paar Wochen hat uns nun der Alltag wieder: Mein Mann arbeitet 100 Prozent, ich 60. Bis jetzt ist die entspannte Stimmung geblieben.
Mein Fazit: Ein Rollentausch ist enorm hilfreich.
Wir hätten das Experiment schon viel früher wagen sollen. Es hätte uns viel Streit, Frust und strapazierte Nerven erspart.
Unsere Beziehung ist besser geworden. Geprägt von mehr Verständnis und Goodwill statt sinnloser Aufrechnerei und Genörgel, die Zufriedenheit hat bei beiden zugenommen.
Wie sagt man doch so schön? Lieber spät als nie.
Dies ist Maras zweiter Beitrag für Any Working Mom. In «Dino oder Rüschen – und nix dazwischen» schreibt sie über Geschlechterbilder.
Einen Rollentausch gewagt haben auch Janine Berchten und ihr Mann. Wie sie das neue Familienmodell erleben und welche Vor- und Nachteile es mit sich gebracht hat, das erzählt Janine im #malehrlich Podcast: «Ein Rollentausch bringt eine neue Dynamik in die Familie».
Wie habt Ihr’s persönlich mit der Rollenverteilung? Zum Kommentieren bis ganz nach unten scrollen.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 3. April 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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