Andrea ist mal ehrlich: Ich bin auch ein Helikopter
Meine Kinder sind aus dem Gröbsten raus. Eigentlich sollte ich als Mutter total entspannt sein. Aber ganz ehrlich: Meistens tu’ ich nur so.
«Was duu?!»
Meine Freundin fiel fast vom Hocker. Wirklich, sie sass mit einer halben Gesässhälfte auf einem Barstuhl, der nun gefährlich wackelte. Und ich fragte mich im gleichen Moment, warum meine Aussage diese grossen Augen und hochgezogenen Augenbrauen provoziert hatte.
Die Freundin war mit ihrer Familie bei mir auf Kaua’i zu Besuch. Geplant war, dass ihr Mann und ihre Kinder früher abreisen, und sie noch eine Woche Me-Time auf der Insel anhängt.
Ja, gestand ich. Ausgerechnet ich habe Mühe damit, länger von meiner Familie getrennt zu sein. Allen feministischen Autonomie-Idealen und Selbstfürsorge-Mantras zum Trotz.
MIR wird es «gschmuuch» – komisch ums Herz und im Bauch – wenn ich weiss, dass zwischen mir und meinen Kindern Tausende von Kilometern liegen. ICH – ich leide unter Trennungsschmerz. Unter Trennungsangst.
Kopfkino – gratis und ohne Glacépause
Meine Kinder sind alle im Schulalter, keines braucht mehr meine Brüste, die Einschlafbegleitung macht aus Geduldsgründen sowieso meistens mein Mann und auch sonst:
Meine Familie kann eigentlich ganz gut ohne mich.
Nur ich halt eben weniger gut ohne sie, auch wenn die Vorstellung im Kopf sehr oft ganz toll tönt.
Der Kopf, mein Hirn, meine Vorstellungskraft – genau dort liegt eben auch das Problem. Irgendwo in dieser grauen Masse sitzt ein kleiner Filmproduzent (ich stelle mir das vor wie im Film «Inside Out» bzw. «Alles steht Kopf»), der spezifisch für mich Katastrophen-Kino produziert. Was alles passieren könnte, wenn ich weit weg bin. Und da denke ich nicht an Zombies und Tsunamis, sondern in erster Linie an blöde Unfälle.
#daschamebruuche aus unserem Concept Store
An Gummibälle, die plötzlich in der Luftröhre stecken, an spitze Steine, die genau dort liegen, wo gerangelt wird, oder an die 10 Sekunden, die man nicht hinschaut, und plötzlich liegt das eigene Kind im Wasser und atmet nicht mehr.
Dass uns Letzteres passiert ist (aber schlussendlich gut ausging), stoppt meine Angst und das Kopfkino natürlich auch nicht.
Ich würde meine Kinder am liebsten in Watte packen und in eine Gummizelle sperren, damit ihnen ja nichts passiert.
Ich bin, tief in mir drin, eine Helikopter-Mutter. Eine Super-Puma-Mama. Immer so in Sichtdistanz über ihnen schwebend, jederzeit bereit, die Hand an die Tischkante zu legen, damit sie sich nicht den Kopf anstossen. Oder das Herz, je nachdem.
Drinnen nicht wie draussen
Aber man merkt mir das nicht an.
Nach aussen hin bleibe ich stoisch.
Die Überwindung, die es mich kostet, meine Kinder loszulassen, auf hohe Bäume, ins tiefe Wasser oder generell, hinaus in die grosse, weite Welt – sie bleibt meistens unsichtbar. Ich wirke entspannt. Mein äusserer Helikopter bleibt auf dem Boden, auch wenn der Puls nach oben schnellt.
Weil ich natürlich weiss, dass diese Erfahrungen für meine Kinder wichtig sind. Und auch, dass ich für diese Haltung in der Gesellschaft mehr Applaus bekomme.
Darf ich mich aber trotzdem so fühlen?
Meine Freundin verurteilte sich selbst, weil sie auf der Skala von «gechillt» bis «überbehütend» nicht dort landete, wo sie hätte landen wollen. Sollen.
Ich sagte meiner Freundin, sie dürfe. Glucke sein, Super-Puma. Sie reiste am nächsten Tag mit ihrer Familie ab. Blieb nicht wie geplant noch eine Woche alleine da, verzichtete auf ebenfalls gesellschaftlich verordnete Self-Care und Me-Time, weil sie merkte:
Mein Bauch will das gar nicht. Ich will bei meinen Kindern sein.
Eine Vorstellung liess sie zurück – die, dass sie die Einzige sei, die so fühlt. Denn manchmal pumpt hinter einer entspannten Fassade genauso viel Adrenalin wie in den Adern einer rotierenden Puma-Pilotin. Und ich muss es ja wissen.
Informationen zum Beitrag
Veröffentlicht am 16. Juli 2024
1x pro Woche persönlich und kompakt im mal ehrlich Mail.