Ferien von der Familie: Wie man sich als Mutter eine Auszeit nimmt
Welche Mutter würde nicht gerne mal aus ihrem Alltag ausbrechen? Alleine. Ohne Kinder, ohne Partner:in. Ein Erfahrungsbericht mit Anleitung zum Nachmachen.
Ich habe es gewagt. Habe die Tür hinter mir zugemacht und bin gegangen. In die Ferien. Alleine! Ohne meine drei Kinder und ohne meinen Mann. Und es waren die erholsamsten sechs Tage in meinem bisherigen Leben als Mutter.
Nach über sieben Jahren Mutterschaft, davon die letzten fünf als sogenannte Stay-at-Home-Mom, wünschte ich mir nichts sehnlicher, als eine Auszeit von ebendiesem Muttersein. Einen kurzen Ausflug in mein früheres, kinderloses Leben.
Ferien, die den Namen Ferien auch wirklich verdienen.
Denn, mal ehrlich: Wenn mein Mann Ferien macht, dann lässt er seinen Büroalltag weit hinter sich, denkt für ein paar Tage an komplett andere Dinge.
Wenn ich Ferien mache, dann nehme ich meinen Care-Arbeitsalltag zu grossen Teilen mit.
Schleppe ihn bei der Abreise in riesigen, überfüllten Koffern hinter mir und schiebe ihn im Buggy vor mir her. Denke auch am idyllischsten Palmenstrand noch an die tägliche Grünzeug-Zufuhr für den Nachwuchs, die Einwirkzeit von Sonnencrème und den Aufenthaltsort von Lieblingsplüschtieren.
Natürlich ist es schön, in den Ferien Zeit mit der Familie zu verbringen, zusammen neue Orte zu entdecken, gemeinsame Erinnerungen zu schaffen. Keine Termine und keine Hektik. Und ja, Kochen fällt zumindest im Hotel weg. Putzen auch. Aber die Kinderbetreuung ist genau dieselbe, oft sogar noch intensiver. Kinder sind in den Ferien ja gerne mal übermüdet, überreizt, überdreht.
Trotzanfälle machen unter Palmen nicht unbedingt mehr Spass als daheim in der Migros. Klar, das tangiert auch meinen Mann, und die Last verteilt sich in den Ferien auf vier Schultern. Aber für ihn ist das wenigstens nicht Alltag.
Eine Auszeit vom Alltag, das will ich auch.
Denn der Alltag mit drei Kindern und ihren (teilweise besonderen) Bedürfnissen verträgt sich nicht mit meiner Vorstellung von wirklich erholsamen Ferien. Ich will meine eigenen Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen. Keine Verantwortung für irgendwen tragen ausser für mich selbst.
Allein aufs Klo, in Ruhe duschen, warm essen. Ungestört ein Buch lesen. Oder noch besser zwei. Ausschlafen, durchschlafen, durchschnaufen. Und das alles unter Palmen. Denn das wiederum macht unter Palmen definitiv mehr Spass!
Zuerst ist es nur eine Träumerei. Doch je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir: Der Moment ist definitiv gekommen.
Die Kinder sind 7, 4 und 2 – und damit nicht mehr so abhängig, wie in ihren ersten Lebensjahren. Sie würden gut eine Weile ohne mich auskommen. Und ich brauche dringend eine Auszeit. Ein Plan muss her, um die wilden Träume in die Tat umzusetzen.
Erste Frage: Mit wem?
Ganz alleine? Mutterseelenalleine (im wahrsten Sinne des Wortes)? Das überlege ich mir lange. Die Einsamkeit – das absolute Kontrastprogramm zu meinem sonst so lauten, chaotischen Alltag – reizt mich sehr. Aber die Vorstellung, immer alleine essen zu müssen, womöglich inmitten von verliebten Pärchen, finde ich dann doch irgendwie trist.
Also nehme ich eine meiner langjährigsten Primarschul-Freundinnen mit, die – Achtung, wichtig! – keine Kinder hat. Schliesslich will ich während meiner kinderlosen Auszeit nicht über Magen-Darm-Viren, das Schulsystem oder Peppa Wutz diskutieren.
Und ich sage ihr von Anfang an, dass sie nur mitkommen darf, wenn sie generell nicht den ganzen Tag reden will. Oder Party machen. Oder shoppen. Oder joggen. Denn ich will einfach nur meine Ruhe geniessen und entspannen. Sie ist zum Glück einverstanden.
Zweite Frage: Wohin?
Bei der Wahl der Destination ist mir vor allem eines wichtig: kurze Wege. Einerseits eine kurze Anreise; es beruhigt das Gewissen, dass man im aller-äussersten Notfall schnell zu Hause wäre. Andererseits auch kurze Wege vor Ort; vom Bahnhof oder Flughafen zum Hotel, vom Hotel zum Strand, vom Strand zu Restaurants. Die kostbare Zeit will ich nicht mit langen Transfers vergeuden.
Zuerst suche ich nach einem Airbnb. Den Kühlschrank mit Junk Food füllen, vor dem Fernseher essen, Kleider wild herumliegen lassen. Reizvolle Überlegungen, allerdings fiele dann auch Haushalt an. Einkaufen, Kochen, Abwaschen. Also doch lieber ein Hotel mit etwas mehr Service. Aber ein ruhiges, auf keinen Fall ein Familienhotel.
Die Lösung: Adults-only-Hotel. Nicht um Sandburgen rumbalancieren müssen. Kein Ausrutschen auf schlabbrigen Pommes am Hotel-Buffet. Keine wild spritzenden Kids im Pool. Davon habe ich zu Hause genug.
Dritte Frage: Wann?
Mein Tipp: Nicht in den Schulferien, sondern in einer ganz normalen Alltagswoche. Denn der Alltag ist es ja, dem man entkommen möchte. Und: Reisen ist in der Nebensaison in der Regel günstiger.
Vierte Frage: Und wer schaut auf die Kinder?!!!
Diese Frage wird gern auch von Aussenstehenden gestellt, mit mindestens drei Ausrufezeichen, in leicht entrüstetem Tonfall. Schnell könnte man sich da als Rabenmutter fühlen.
Für meinen Mann und mich ist von Anfang an klar, dass er während meiner Auszeit zu Hause übernimmt. So können die Kinder in ihrer vertrauten Umgebung bleiben und ihr Alltag läuft relativ normal weiter. Das erleichtert ihnen die Trennung – und mir die Rückkehr (Stichwort: „Aber bei Oma durfte ich das.“). Auch der Organisations- und Koordinationsaufwand im Vorfeld ist für mich bedeutend geringer.
Denn nein, ich schreibe ihm für die Zeit meiner Abwesenheit keine meterlange Anleitung, was wann wie zu tun ist. Das würde ich auch jeder anderen Mutter raten, die sich eine Auszeit gönnt: Nur das Allernötigste vorbereiten.
Allen mitteilen, dass in dieser Woche der Vater zuständig ist. Nummern weiterleiten. Mental Load abgeben. Vertrauen.
Mit diesem Rollentausch schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Während ich unter Palmen relaxe, bekommt mein Mann zu Hause mal das ganze Ausmass an Mental Load und Alltagswahnsinn hautnah zu spüren. Von den allmorgendlichen Entscheidungsschwierigkeiten bei der Müesli-Auswahl über Ufzgi-Gejammer bis hin zum Kinderarzt-Wartezimmer-Bespassungs-Marathon.
Und nein, ich meine das gar nicht schadenfreudig. Höchstens ein ganz kleines bisschen.
„Oh, du hast aber einen tollen Mann!“
Der Mann erntet dafür natürlich viel Bewunderung – vor allem von Frauen. Und unzählige Hilfsangebote. Seine eigene Mutter bietet an, während meiner Auszeit bei uns zu übernachten oder zumindest Tag und Nacht auf Abruf bereit zu sein. Was mich wiederum etwas neidisch zurücklässt.
Wenn er auf einer seiner regelmässigen Geschäftsreisen ist, fragt schliesslich auch niemand, ob ich denn das auch wirklich ohne ihn schaffe. Und niemand beglückwünscht ihn zu seiner „tollen Frau“, wenn er alleine in Urlaub fährt.
Packen ist ein Kinderspiel, wenn man nicht an Kinder(spiel)zeug denken muss.
Während die Organisation meiner Auszeit mich einiges an Zeit und Nerven gekostet hat, ist das Packen dann innert Minuten erledigt. Etwas länger beschäftigt mich die Frage, was ums Himmels willen ich bloss alles vergessen habe. Ist es wirklich möglich, sechs Tage zu verreisen mit weniger Gepäck als für einen dreistündigen Badi-Ausflug?
Der Abschied fällt mir nicht leicht.
Noch nie war ich so lange von meinen Kindern getrennt. Vom Jüngsten überhaupt noch nie länger als eine Nacht. Aber kaum zur Türe raus, kann ich ihn riechen, den Duft der Freiheit. Es ist, als ob mit dem Zufallen der Haustür eine Last von mir abfällt. Die Vorfreude wächst ins Unermessliche.
Einmal Freiheit und zurück.
Und dann bin ich wirklich da, am Ziel meiner Träume. Und mache: NICHTS. Oder zumindest fast nichts. Danach hatte ich mich jahrelang gesehnt. Nach dieser Ruhe. Dieser vielen Zeit. Und vor allem danach, für einmal auf nichts und niemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Me, myself and I – Luxus pur.
Viel zu schnell sind die sechs Tage Auszeit vorbei. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich am liebsten noch länger geblieben wäre. Meine Kinder habe ich nicht vermisst, obwohl mir das alle prophezeit hatten. Ich wusste sie ja bei meinem Mann in guten Händen.
Apropos Mann: Ich war eigentlich der festen Überzeugung, dass der sich nach dieser Woche auf seine Rückkehr in den Büroalltag freuen würde. Dass er mich in Zukunft zutiefst bewundern würde. Doch da habe ich mich getäuscht. Er hat während meiner Auszeit zwar realisiert, dass die alleinige Nonstop-Verantwortung für Kinder und Haushalt kein Klacks ist, aber „so streng war das nun auch wieder nicht“.
Zuerst schlucke ich leer. Dann denke ich: Umso besser, dann steht ja einer Wiederholung meiner kinderlosen Ferien nichts im Wege.
Würde ich es wieder tun? Ja. Sofort. Jederzeit. Unbedingt.
Ich kann nicht behaupten, dass die Erholung sehr lange angehalten hat. Viel zu schnell war ich zurück im Alltagstrott. Aber trotzdem hat sich die Auszeit von der Familie mehr als gelohnt. Einfach um dieser Woche selbst willen. Und ein bisschen auch, weil mein Mann seither weiss, dass die T-Shirts unseres Jüngsten im zweitobersten Schrankfach ganz links liegen.
Habt ihr euch auch schon eine Auszeit ohne eure Familie gegönnt? Oder würdet ihr gerne?
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 19. September 2020 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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