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Vorbereitung auf die Geburt: Wichtig für Frau und Mann!

Geburten können traumatisierend sein, für beide Elternteile. Sexologin Dania Schiftan erklärt, worauf sich Männer und Frauen gefasst mache müssen.

Wie bereiten sich Männer auf eine Geburt vor? Sexologin Dania Schiftan gibt Tipps. - mal ehrlich

Die Fruchtblase platzt, die Hebamme wird gerufen und die Badewanne in den eigenen vier Wänden mit warmem Wasser gefüllt. Die Wehen sind da, ganz sanft, man sieht sie der werdenden Mama kaum an. Und schon flutscht das kleine Wesen vom Fruchtwasser ins Badewasser, gibt einen zarten Schrei von sich, und alle lächeln zufrieden und sind erfüllt von Glück und Freude.

So oder ähnlich stellen sich die meisten werdenden Eltern die Geburt ihres ersten Kindes vor. Beim zweiten aber wissen sie bereits, dass zwischen Fiktion und Realität ein ziemlich grosser Graben liegt. Manchmal sogar ein riesiger Graben.

Welche Rolle können Männer bei der Geburt einnehmen? Sexologin Dania Schiftan gibt Tipps.
(Bild: Pexels)

Dann wird die Geburt zum Trauma.

Nicht selten sind Paare, die ihr erstes Kind erwarten, sehr schlecht vorbereitet auf die Geburt, sind zu wenig darüber informiert, wie das abläuft, und haben nur die schönen Seiten erzählt bekommen. Während der Geburt merken sie dann – etwas spät -, wie inkompetent sie sich fühlen. Viele gebärende Frauen erschrecken darüber, wie sich das alles in Tat und Wahrheit anfühlt und was Anatomie und Biologie mit ihnen machen. Den Männern oder Partnerinnen geht es gleich.

Und so wird die Geburt für den Mann und die Frau nicht selten zu einem beängstigenden, wenn nicht sogar traumatischen Erlebnis.

Damit die Geburt nicht zum Trauma wird, sind eine tiefe Auseinandersetzung mit der Thematik und die Vorbereitung massgebend. Nicht nur für sie, sondern auch für ihn. Und weil die Sicht des Mannes auf die Geburt sonst nahezu nie besprochen wird, möchte ich im Folgenden insbesondere diese unter die Lupe nehmen.

Eine gute Geburtsvorbereitung ist für den werdenden Papa zentral.

Ob diese Vorbereitung im Krankenhaus der Wahl, mit der Hypnotherapeutin auf dem eigenen Sofa, bei der Hebamme im Geburtshaus oder via Youtube-Tutorials stattfindet, ist eigentlich egal.

Wichtig ist herauszufinden, was zu tun ist, wenn sich das Erlebnis Geburt überhaupt nicht so anfühlt und das Ganze womöglich nicht so abläuft, wie man es sich erhofft und erwartet hatte: Wenn zum Beispiel die Schmerzen zu stark für die PDA-freie Geburt sind, das Becken zu eng fürs Köpfchen ist, das Baby nicht mitmacht bei den Wehen, der Mann oder die Partnerin im entscheidenden Moment fehlt…

Wie können Männer ihrer Partnerin bei der Geburt zur Seite stehen? Sexologin Dania Schiftan gibt Tipps.
(Bild: Canva)

Oder wenn man unter den Wehen schlichtweg die eigene Meinung revidiert. Schliesslich ist die Situation, in der man sich befindet, total neu. Dieser Plan B, der alle möglichen Komplikationen enthält, sollte Ehevertrag-ähnlich vorab aufgesetzt werden.

Liebe Männer: Unterschätzt eine Geburt nicht!

Wer beim grossen Moment dabei sein darf, sollte ebenfalls zwingend besprochen werden. Nicht alle sind für solche Extremsituationen – was eine Geburt durchaus ist! – geschaffen.

Heutzutage gehen wir fast schon davon aus, dass natürlicherweise der Vater des Kindes respektive der aktuelle Partner oder die Parterin dabei zu sein hat – jedenfalls in unseren Breitengraden. Bis in die 1950er- oder 1960er-Jahre war man allerdings der Meinung, dass ein Mann sowieso keine Ahnung hat, was bei einer Geburt passiert, und im Gebärsaal nur stört.

Ob das gut oder schlecht ist, möchte ich nicht beurteilen. Tatsache ist, dass sich das in nur wenigen Jahrzehnten, wenn nicht Jahren, geändert hat, und es jetzt schon fast ein Akt der Verantwortungslosigkeit ist, wenn der Mann der Geburt fernbleibt.

Viele Männer sehen es während der Geburt als ihre Pflicht, der Partnerin zu helfen und sie zu unterstützen. Aber falls sie sich dann selber überfordern, sich irritiert oder unwohl fühlen, werden sie von niemandem unterstützt – geschweige denn ernst genommen.

Es heisst dann: „Um dich geht es gerade nicht! Schau dir an, wie es IHR geht!“

Ein Paar sollte sich im Vorfeld der Geburt also auch Gedanken darüber machen, ob der Mann darauf vorbereitet ist, was bei einer Geburt passiert, was seine Rolle im Gebärsaal sein soll und ob er weiss, was er tun kann – oder was er unterlassen sollte. Zudem muss er sich darüber im Klaren sein, wie er sich verhalten soll, wenn er sich im Moment der Geburt alles andere als wohl fühlt.

Wichtig ist also, dass sich der werdende Vater – selbstverantwortlich! – so gut wie möglich auf die Geburt vorbereitet. Dass er sich über die Biologie der Frau und über den Ablauf einer Geburt informiert, sich seiner Rolle bewusst ist und weiss, was alles auf ihn zukommen könnte. Zur Aneignung dieser Kompetenzen gehört aber auch, dass er sich die Frage stellen soll, ob er überhaupt dabei sein möchte.

Welche Rolle nimmt der werdende Vater beim Kaiserschnitt ein? Geburtsvorbereitung ist wichtig für Frau und Mann.
(Bild: Pexels)

Ja, Mann darf sich diese Frage stellen.

Will der Mann nur bei der Geburt dabei sein, weil seine Partnerin es möchte und es Usus ist? Hat er selber jedoch zuviel Respekt und Angst und würde lieber in der Cafeteria warten? Dann wird er im Gebärsaal aller Voraussicht nach nicht sehr hilfreich sein.

Auch ER sollte also einen Plan B haben, wenn nicht alles so klappt, wie er es sich vorgestellt hat. Es gibt daher viele Paare, die sich entschliessen, die beste Freundin, die eigene Mutter, eine Doula oder eine Hebamme zusätzlich zum Mann mitzunehmen, um in der Situation flexibler handeln zu können.

Hilfe! Was passiert mit deiner Vagina!?

Bei aller Reflexion darf aber eines nicht vergessen werden: Die Frau gebärt. Also entscheidet sie, was für sie das Beste ist. Es darf nicht ihre Aufgabe sein, ihren Mann während der Geburt zu beruhigen oder zu stabilisieren. Das kann er selbst.

Ein weiterer, jedoch nicht zu vernachlässigender Punkt: Immer wieder wird dem Mann erst während der Geburt bewusst, dass ebendiese am selben Ort stattfindet wie die Sexualität. Vielmehr noch: Dass diese Geburt nur schon wegen der Sexualität stattfinden kann. Das mag lächerlich klingen – ist es aber nicht.

Natürlich weiss der Mann ganz rational, dass er Sex hatte mit seiner Frau, um ein Baby zu kriegen, und auch, dass es dort rauskommen wird, wo sein Sperma reingegangen ist. Dennoch werden ihm diese Tatsachen während der Geburt auf eine ganz neue Art und Weise bewusst.

Meine Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass vor allem Männer sehr schlecht informiert sind, was bei der Geburt mit der Vagina passiert. Aus diesem Unwissen heraus, und vielleicht auch, weil sie weder Vulva noch Vagina ihrer Frau jemals wirklich genau erkundet haben, sind sie mitunter erst im Gebärsaal mit der „rohen Gewalt“ einer Geburt konfrontiert.

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Und dann sind manche Männer emotional überfordert.

Eine Vagina geht während der Geburt um ein Vielfaches auf, oftmals gibt es Verletzungen, welche mit heftigen Schmerzen verbunden sind.

Es kann auch sein, dass die Frau bei der Geburt flucht – dem Mann vielleicht sogar Vorwürfe macht. Das ist per se zwar kein Problem, aber wenn dieses Unwissen auf emotionale Überforderung und gefühlte Schuld trifft („F***, was habe ich ihr da angetan?!“), kann es durchaus sein, dass der frischgebackene Vater traumatisiert aus dem Gebärsaal trottet.

Wird das Trauma verdrängt, kann es passieren, dass die Bilder der Geburt mit seinen Gefühlen verschmelzen und er diese zu einem späteren Zeitpunkt beim Sex vor Augen hat. Kommen also nach der Geburt Erinnerungen oder gar Träume hoch, sollte er diese aktiv ansprechen.

Findet die Mutter des Kindes kein Gehör dafür, dann muss der Mann sich professionelle Hilfe holen. Manchmal reicht eine Stunde mit einer Hebamme, mit einer Psychotherapeutin, manchmal tut es vielleicht auch ein Bierchen mit einem Kumpel.

Obwohl sie erst nach der Geburt kommt, ist die postpartale Depression nicht zu unterschätzen.

Nicht nur die Mutter kann eine postpartale Depression bekommen, sondern auch der Vater.
(Bild: Pixabay)

Nicht nur die Frau kann eine Depression bekommen, sondern auch der Mann.

Selbst Monate nach der Geburt soll der nicht-gebärende Elternteil bei sich selber genau hinschauen: Müdigkeit, Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Konzentrationsschwäche und vermeintlich zu wenig Liebe für das Kind sind nur einige Symptome, die zu nennen sind. Falls solche Symptome festgestellt werden, sollte man handeln. Unbedingt!

So. All diese Ausführungen bedeuten natürlich nicht, dass bei den werdenden Müttern alles rund läuft. Meine Erfahrung aus der Praxis zeigt mir, dass auch viele Frauen nicht ausreichend auf die Geburt vorbereitet sind. Frau darf, soll und muss sich darauf konzentrieren, was sie wirklich für ihre Geburt möchte.

Fühlt sie sich gut genug darüber informiert, was da alles auf sie zukommt? Ist alles so geplant und besprochen, wie sie es tatsächlich will und braucht? Oder tut sie nur so? Vielleicht aus lauter Respekt und Angst bezüglich der Selbstverständlichkeit, dass ja jede Frau irgendwie geboren hat – auch schon damals die Neandertaler – und sie das drum ja auch hinkriegen sollte, nöd wahr?

Und, zu guter Letzt: Will sie ihren Partner oder ihre Partnerin überhaupt dabei haben?

Autorin

Dania Schiftan ist Psychotherapeutin und klinische Sexologin mit eigener Praxis in Zürich. Sie ist Autorin von drei Büchern: Keep It Coming – Guter Sex ist Übungssache (bei uns im Concept Store), Let’s Talk About Sex – eine Graphic Novel, Coming soon – Orgasmus ist Übungssache. Nebenher ist sie in den Medien tätig und beantwortet Fragen rund ums Thema Sexualität. Zudem gibt sie Workshops und Weiterbildungen. Sie lebt mit ihrem Ehemann und zwei Kindern zusammen. www.daniaschiftan.ch

Informationen zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 10. Januar 2020 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.

Im Artikel stehen Heterofamilien im Zentrum. Dania Schiftan richtet den Blick hier bewusst auf Männer in heterosexuellen Partnerschaften, da sie in ihrer psychotherapeutischen Arbeit erlebt, dass diese in Bezug auf die Geburt oft weniger vorinformiert und vorbereitet sind als beispielsweise der nicht-gebärende Elternteil in homosexuellen Partnerschaften.


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2 Antworten

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  1. Avatar von Silvie
    Silvie

    Danke für den Text.

  2. Avatar von Jeannine Vogt
    Jeannine Vogt

    Vielen Dank für diesen ehrlichen und wichtigen Beitrag! Als Hebamme sehe ich im Gebärsaal ab und zu Männer (auch Frauen), die mit der Situation komplett überfordert sind. Im Geburtsvorbereitungskurs lege ich immer besonderen Wert auf das Thema “Männer bei der Geburt” mit den Do’s und Don’ts und stelle auch konkret die Frage, was der Partner sehen will und was nicht, und ob er überhaupt dabei sein will. Meiner Ansicht nach bereiten sich viele Paare nur oberflächlich auf die Geburt vor: vielleicht ein Buch lesen über den anatomischen Ablauf, ein Crash-Kurs besuchen (echli schnuufe), Gebärabteilung seiner Wahl besichtigen. Dabei geht es in der Vorbereitung nebst aller Information auch darum, wie man sich auf dieses Ereignis mit allen Eventualitäten einlassen kann. Annehmen was kommt, geschehen lassen, bei sich selber bleiben. Gerade beim ersten Kind kann man nicht wissen, wie es sein wird, es sich anfühlt, wie man reagiert, physisch und psychisch. Wenn eine Geburt akribisch genau geplant wird, und es dann doch nicht so läuft, ist die Enttäuschung gross (für Mann und/oder Frau). Und zur Geburt gehören letztlich zwei: Mama und Baby. Und der Faktor Baby ist die grosse unbekannte Variable im diesem Geschehen, das sich Wunder nennt… 🙂