«Mein Mann will kein zweites Kind. Und ich zerbreche daran.»
Sarah* wünscht sich ein zweites Kind, ihr Mann nicht. Die unterschiedlichen Bedürfnisse belasten die Beziehung stark. Was soll Sarah tun?
Ich bin bald 33 Jahre alt und seit 7 Jahren mit meinem Mann zusammen. Wir haben eine grossartige dreieinhalbjährige Tochter, die wir beide über alles lieben. Ich bin erfolgreich und glücklich in meinem Job, liebe es aber auch, Mutter zu sein.
Schon immer war für mich klar, dass ich mehrere Kinder haben möchte. Einzelkind zu sein war für mich schon als Kind eine schreckliche Vorstellung. Selbst habe ich drei Geschwister, mein Mann hat zwei.
Ich wünsche mir von Herzen ein zweites Kind – aber mein Mann will nicht.
Wir streiten seit über zwei Jahren darüber (unglaublich, ich weiss). Unterdessen bin ich völlig kaputt. Wir sind kaputt. Und doch liebe ich ihn noch. Er ist ein grossartiger Vater und wir haben ein tolles Leben zusammen. Wir haben oder hatten eine gute und schöne Beziehung – bis ich diesen Wunsch anmeldete.
Er kann nicht begründen, warum er nicht will. Er sagt, er verspüre den Wunsch nicht und ein Kind reiche ihm. Er möchte sich auch wieder anderen Themen im Leben widmen und er fürchtet, ein zweites Kind nicht so sehr zu lieben wie unsere Tochter. Das kann ich sogar verstehen.
Aber das wäre doch lösbar!?
Unser Leben würde sich ja nicht grundsätzlich ändern und die intensive Kleinkindphase vergeht doch auch.
Ich habe immer wieder versucht, das Thema ruhen zu lassen, in der Hoffnung, dass es dann besser würde. Dass sich die Situation so entspannt und er seine Meinung doch noch ändert, wenn ich keinen Druck ausübe. Aber sobald ich es wieder anschneide, fallen wir in die ewiggleichen Muster zurück.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Beziehung eine gute Zukunft hat, wenn er bei seiner Meinung bleibt.
Ich bin zutiefst enttäuscht, verletzt und traurig.
Wir haben doch bereits ein Kind, ein Familienleben und wir finden das beide schön. Mir ist klar, dass es mit einem zweiten Kind nochmal anders und auch strenger wird, aber das schreckt mich nicht ab. Das ist es doch locker wert!
Es bringt mich um den Verstand, dass er zuschaut, wie ich immer mehr kaputtgehe und er mir trotzdem weiterhin sagt, ich müsse damit leben oder gehen. WENN ich aber gehe und ihn verlasse, dann zerstöre ich unsere Familie, sagt er. Dann sei mir unser gemeinsames Kind und unsere Beziehung nichts wert, dann stelle ich, so seine Meinung, den Wunsch nach etwas, das es noch gar nicht gibt, über unser ganzes Leben.
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Bin ich zu egoistisch? Bin ich undankbar?
Sollte ich einfach zufrieden sein mit dem, was ich habe? Andere Frauen haben gar keine Kinder, obwohl sie sich welche wünschen. Wenn ich könnte, würde ich den Wunsch in mir sogar abstellen. Aber er ist da. Es ist ein urtiefer Wunsch, eine Sehnsucht, die mich fast um den Verstand bringt.
Ich wäre so gerne nochmal schwanger, hätte so gerne nochmal ein Baby.
Ich wünsche mir so sehr, dass meine Tochter mit einem Geschwisterchen aufwachsen kann. Ich bin keine Gluckenmutter, arbeite mit Freude Teilzeit. Unsere Tochter geht in die Kita. Ich habe viele Freunde, gehe ab und zu aus und auch für unsere Partnerschaft blieb meist genug Zeit.
Mein Wunsch wird sicher nicht verschwinden.
Also, was tun? Meinen Mann verlassen, um vielleicht irgendwann einen anderen zu finden, der mit mir diesen Wunsch leben möchte? Und meine Tochter? Die sähe ich dann weniger, weil sie ja auch immer wieder bei ihrem Vater wäre (was ich auch gut und wichtig finde).
Aber die Vorstellung, meine Tochter mehrere Tage pro Woche nicht bei mir zu haben, ist grauenhaft. Und ein zweites Kind hätte ich ja deswegen noch lange nicht.
Ob ich irgendwann glücklicher sein würde, steht in den Sternen.
Ich nähme meiner Tochter das Zuhause, das schöne Familienleben, das wir immer noch haben. Und ich verliere den Mann, den ich eigentlich liebe, und das gemeinsame Leben, das ich durchaus sehr mag.
Aber was ist die Alternative? Bleiben? Bei einem Mann, der von mir verlangt, dass ich auf etwas verzichte, das ich mir mit jeder Faser meines Körpers wünsche? Bei einem Mann, dem es relativ egal scheint, dass ich unglücklich bin und fast daran zerbreche? Unter einer guten Beziehung stelle ich mir etwas anderes vor.
Ich könnte versuchen, heimlich schwanger zu werden
Einige Menschen in meinem Umfeld raten mir, kalkuliert vorzugehen. Mein Mann wäre auch für das zweite Kind ein guter Vater, aber die Gefahr besteht, dass er mir in jeder schwierigen Situation mit dem Kind vorwirft, dass er es ja nicht wollte. Kann ich das einem Kind antun? Würde das unsere Beziehung nicht auch zerstören?
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Gut möglich, dass ich irgendwann mit der Situation, wie sie jetzt ist, leben kann. Die Chance, dass ich es muss, ist gross. Aber ich werde es meinem Partner den Rest meines Leben vorwerfen.
Ich werde kein zweites Kind haben, weil er keinen Bock hatte. Jede Schwangere in meinem Umfeld erinnert mich daran, und mein eigener Körper zeigt mir jeden Monat, dass ich gerade fruchtbar wäre und bereit.
Wie entscheidet man zwischen zwei Leben, die man so beide nicht haben möchte? Zwischen zwei Leben, die beide unglücklich machen?
(*Name geändert)
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 24. Februar 2019 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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