Wie spreche ich mit meinem Partner über Mental Load? Eine Anleitung
Mental Load ist schwer. In der Beziehung darüber zu sprechen – in Worte zu fassen, was diese unsichtbare Last mit einem macht – fast noch mehr. Warum sollten wir es trotzdem tun? Und vor allem wie? Tipps von den Expert:innen Filomena Sabatella, Paige Connell und Philip Bandholtz.

Frauen seufzen, Männer rollen mit den Augen: Mental Load. Viele können den Begriff «ganz ehrlich nicht mehr hören».
Verständlich. Mental Load nervt. Ist anstrengend. Wir wären auch froh, würde uns die unsichtbare Denk- und Beziehungsarbeit nicht ständig im Hirn und auf den Schultern hocken. Und auf den Frauen lastet sie eben schwerer – das ist kein Gefühl, das ist Statistik*.
Wir reagieren gestresst und genervt, der Partner kann nicht immer nachvollziehen, warum – wir sollen doch einfach ein bisschen weniger machen – insbesondere über Dinge nachdenken. Für ihn schwingt beim Stichwort Mental Load oft bereits automatisch ein grosser Vorwurf mit.
Dieser Text soll keiner sein. Es geht nicht darum, wer viel macht und wer mehr – sondern um Sichtbarkeit.
Die Diskussionen enden oft im Streit – weshalb sind sie trotzdem wichtig?
Ich schreibe in diesem Text für einmal sehr bewusst pauschalisiert von «Männern und Frauen».
Das Thema betrifft alle Geschlechter, aber der Leidensdruck ist bei Frauen in Partnerschaften mit Männern am grössten – deshalb sind es auch sie, die das Thema in der Regel ansprechen: In einer 2024 publizierten Studie aus den USA trugen Frauen in Partnerschaften rund 71 Prozent des gesamten Mental Loads. Und in der Schweiz ist die Situation noch verschärft: In der grossen Studie der Annabelle von 2021 waren es gar 80 Prozent, die die Mehrheit der Last tragen**.
Wir wissen: in vielen Familien sind die vielen To-Dos des Alltags schon gut aufgeteilt. Dort, wo es um’s Machen geht, gibt es viele eingespielte, gleichberechtigte Teams. Aber dort, wo es darum geht, daran zu denken WAS gemacht werden muss, und auch, welche emotionalen Konsequenzen das hat – dort fehlt noch viel gegenseitiges Verständnis.
Deshalb sollten wir reden. Nicht mit Vorwürfen, nicht mit Milchbüechlirechnungen, sondern auf Augenhöhe.
NICHT darüber zu sprechen, die Last still zu tragen, bringt Frust, Aggression, in nicht wenigen Fällen bleibt irgendwann der Sex, dann die Liebe, und oft auch die Familie auf der Strecke. Oder es kommt zum Burnout.
Das Ziel muss nicht sein, den Mental Load (und den darin enthaltenen Emotional Load) 50:50 aufzuteilen – hier finden alle ihren eigenen Weg. Im Gespräch soll die eigene Leistung und Belastung sichtbar werden, und damit automatisch wertvoll. Sprecht zusammen, bringt Verständnis auf füreinander und dann, vielleicht: Tragt die Last miteinander – oder schätzt es, wenn ihr abgeben dürft.
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Jetzt konkret – wie spreche ich mit meinem Partner über Mental Load?
Wir haben drei Expert:innen mit unterschiedlichen Perspektiven gefragt, wie wir das oft explosive Thema Mental Load am besten und auf Augenhöhe mit unserem Partner angehen:

Dr. Filomena Sabatella ist promovierte Psychologin und leitet Forschungsprojekte zum Thema Mental Load in der Schweiz. Sie ist Mutter von zwei Kindern. Mit ihr haben wir bereits im Podcast «Mental Load reduzieren? Delegieren reicht nicht!» gesprochen.

Philip Bandholtz aus Bonn ist Coach für Väter und spricht in den sozialen Medien in kurzen Videos von «Mann zu Mann». Er ist Vater von drei Kindern.

Paige Connell, berufstätige Mutter von vier Kindern, ist mit über 300’000 Followers auf Instagram eine der bedeutendsten Stimmen in den USA, was Mental Load angeht. Ihre Antworten sind vom Englischen ins Deutsche übersetzt.
1. Wie erkläre ich meinem Partner meinen Mental Load?
Wie mache ich das Thema fassbar?

Dr. Filomena Sabatella
Falls euch die Worte fehlen: Greift auf das zurück, was es schon gibt. Podcasts, Blogs, Reels, etc. Fragt euch: «Was ist für dich Mental Load – was ist es für mich?» Wenn es Überschneidungen gibt, wird es fassbarer. Wenn es keine Überschneidung gibt, fang bei etwas Konkretem an. Zeige auf, wie viel Denkarbeit in einem einfachen Task stecken kann.

Paige Connell
Zum Beispiel das Abendessen: Zeig, dass es nicht nur ums Kochen geht, sondern auch ums Planen der Mahlzeiten, Einkaufen, Kochen, Aufräumen und wieder Auffüllen der Vorräte, daran zu denken, was jedes Familienmitglied mag oder verträgt. Genau das ist Mental Load in Aktion.

Philip Bandholtz
Es ist ein emotionales und kein sachliches Problem. Das macht es für Männer, die oft sachlich-lösungsorientiert denken, meist zunächst missverständlich.
Wenn du ihm sagst «Ich bin überlastet», denkt er: «Okay, dann helfe ich halt mit dem Aufräumen.» In seinem Kopf ist es ein einfaches und kurzfristiges Problem, das dadurch gelöst ist.
Mach ihm bewusst, dass es um Verantwortung geht und nicht um einzelne Aufgaben. Ausserdem arbeiten viele Frauen aus der Emotion heraus mit Kritik («Kannst du mir nicht einmal was abnehmen?»). Stattdessen sprich über deine Sehnsucht und appelliere an sein Potential («Ich bin so oft gestresst und möchte entspannter sein. Kannst du mich dabei unterstützen?»). Die meisten Männer bauen Widerstand auf, wenn sie sich klein gemacht fühlen.
2. Mein Partner bietet an, mir zu helfen.
Wie kann ich ihm aufzeigen, dass «Hilfe» nicht reicht?

Paige Connell
Das Zauberwort heisst «Verantwortung»: Wenn ein Partner nur «hilft», fällt die Verantwortung trotzdem auf dich zurück: Du musst merken, was getan werden muss, die Aufgabe delegieren und später kontrollieren, ob es erledigt wurde. Der Mental Load bleibt also bei dir. Der Unterschied entsteht erst, wenn dein Partner wirklich Verantwortung übernimmt – dauerhaft und verlässlich.

Philip Bandholtz
Als Beispiel: Er nimmt zwei Aufgabenbereiche in seine Verantwortung, alle Kita-Termine des Jahres und alle Kindergeburtstage. Wichtig ist dabei, dass er dann auch entscheiden kann, wie es gemacht wird und dass er auch Fehler machen darf. Halte dich also wirklich raus und wenn er den Geburtstag vom besten Freund vergisst, muss er dafür gerade stehen und eine Lösung finden! Die meisten Väter übernehmen gerne Verantwortung, wollen aber absolut nicht bemuttert werden.

Dr. Filomena Sabatella
Es geht aber auch nicht immer darum, den Mental Load zu reduzieren. Was möchtest du vom Gegenüber? Möchtest du Wertschätzung, gesehen werden, oder möchtest du, dass dir Denkarbeit abgenommen wird? Und redet auch darüber was du eben NICHT willst, und was dir eben nicht «hilft».
3. Hausarbeiten und Schultermine lassen sich oft aufteilen, emotionale Verantwortung und Betreuung weniger gut. Wie erkläre ich ihm den emotionalen Load, falls er ihn nicht nachvollziehen kann?

Paige Connell
Man kann die emotionale Last so erklären: Es ist, als wäre man immer «auf Abruf» im Kopf – man beobachtet und spürt Stimmungen, Sorgen, Freundschaften, Verhaltensweisen und ahnt, was ein Kind oder ein Familienmitglied als Nächstes brauchen könnte. Es bedeutet, zu merken, wenn etwas nicht stimmt, daran zu denken nachzufragen, und die Gefühle aller mitzutragen – zusätzlich zur Organisation des Alltags.
Anders als eine erledigte Haushaltsaufgabe, die mit dem zusammengelegten Wäscheberg endet, läuft die emotionale Arbeit ständig im Hintergrund weiter – und prägt das Wohlbefinden des ganzen Haushalts.

Dr. Filomena Sabatella
Auch hier möchte ich fragen: Worum geht es dir? Möchtest du, dass die emotionale Arbeit, die du leistest, gesehen wird? Möchtest du, dass ihm gewisse Dinge auch so wichtig sind, wie dir? Möchtest du weniger involviert sein?
Emotionale Verantwortung lässt sich nicht aufteilen, aber wenn es doch zu viel wird, muss man sich überlegen, ob man sich nicht auch abgrenzen muss. Was kann ich aushalten, was geht nicht?
Ich bin auch nicht sicher, ob man alles nachvollziehen muss und kann. Für dich ist Emotional Load ein Thema. Das sollte reichen als Grund, darüber zu sprechen.

Philip Bandholtz
Dafür musst du deine emotionale Last zunächst selbst in der Tiefe verstehen.
In unserer Community hatten wir eine Mutter, die morgens immer massiv mit dem Sohn aneinandergeraten ist, weil der getrödelt hat. Ihr Mann hat sie nicht wirklich verstanden. Ich habe die Mutter gefragt, warum es ein Problem ist, wenn der Sohn zu spät zur Schule kommt – die Konsequenzen muss er ja schliesslich selbst tragen? Sie hatte aber Angst davor, in der Schule als schlechte Mutter zu gelten. Deswegen hat sie die Situation morgens so mitgenommen und deswegen hat ihr Mann sie nie verstanden (er hat diese Angst nicht).
Mittlerweile liegt die Verantwortung morgens beim Sohn und er kommt (fast) nie zu spät. Sprich mit deinem Mann also bestenfalls über deine tiefer liegenden Ängste und Sorgen.
4. Wie kann ich ihm – ohne Anschuldigungen oder Streit – erklären, warum ich oft so müde oder auch gereizt bin?

Philip Bandholtz
Indem du über dich sprichst und bei dir bleibst. Erzähle ihm von deinen tiefen Sorgen und Ängsten. Wenn er das nicht gut aushalten kann, mach ihm keinen Vorwurf, sondern versuche, ihn zu verstehen.
Viele Männer haben den Glaubenssatz, an den negativen Gefühlen ihrer Frauen Schuld zu sein. Deshalb fühlen sie sich teilweise angegriffen, wenn es dir schlecht geht. Reagiert er defensiv oder emotional, bleib bei dir. Erkläre ihm, dass du nur deine Gefühle mitteilen willst.

Paige Connell
Wir alle haben nur eine begrenzte Menge an Platz für emotionale und mentale Arbeit – und wenn diese Kapazität ausgeschöpft ist, bleibt nichts mehr übrig.
Es geht nicht um «ich gegen dich», sondern um «wir gegen die schiere Menge an Arbeit», die es braucht, um Haushalt und Familie am Laufen zu halten. Zu viele unsichtbare, offene Tabs im Kopf rauben mir die Energie.

Dr. Filomena Sabatella
Zwei Stichworte dazu: Zeitpunkt und Kommunikation.
Oft reagieren wir im Stress, wenn es akut ist, DANN möchten wir Dinge ansprechen – das ist aber selten der beste Moment. Niemand kann Gedanken lesen – auch Männer nicht – und wenn ich grad an die nächsten Ferien denke und die 100 Hotels im Kopf wieder durchgehe, die ich mir bereits angeschaut habe, ist mein Mann möglicherweise an einem komplett anderen Punkt. Scheint logisch, aber es hilft, sich bewusst zu werden, dass wir gedanklich oft woanders sind als unser Gegenüber.
Und Kommunikation. Kein «DU MUSST» – da macht das Gegenüber zu Recht eher zu. Wenn’s nicht akut brennt, hab ich tendenziell weniger Lust, schwierige Themen anzusprechen – aber genau dann wäre ein ruhiger, guter Moment.
5. Wie reagiere ich, wenn er den Mental Load als Teil meiner Aufgaben als Frau oder Mutter versteht (insbesondere, falls er mehr Geld verdient oder ein höheres Arbeitspensum hat?)

Paige Connell
Elternschaft ist eine gemeinsame Verantwortung. Die Arbeit zu Hause ist genauso wertvoll wie die Arbeit ausserhalb. Die Frage liegt tiefer: wie wir bezahlte Zeit im Vergleich zu unbezahlter Zeit bewerten. Beide Rollen zählen – und wenn ihr beide zu Hause seid, sollte das Ziel sein, die Last fair zu teilen.

Dr. Filomena Sabatella
Wichtiger finde ich hier die Frage: Wie siehst du das denn? Bringt dich das in eine Rolle, die du nicht möchtest? Kommt für dich die Frage auf: Wann habe ich mich für den Job beworben und wo kann ich kündigen?
Nicht dein Partner definiert deine Rolle als Frau und Mutter, nicht andere Mütter, nicht die Gesellschaft. Wir formen diese Rolle individuell.
Ich erlebe häufig, dass Frauen selber denken, es gehöre dazu. Und obwohl es viele Gründe gibt, warum es schwierig ist, Mental Load abzugeben (strukturell, persönlich, zeitlich, etc.) – kann ein Grund auch der Mindset sein.

Philip Bandholtz
Arbeiten und Geld verdienen erhöht ebenfalls unseren Mental Load. Erkenne das zunächst an und frag ihn, wie es bei ihm ist. Ist er auch überlastet?
Ihr kommt zu keiner Lösung, wenn ihr Schuld hin- und herschiebt oder darüber streitet, wer es schwerer hat (das ist ohnehin subjektiv). Komm vom «Du» und vom «Ich» zum «Wir». Frag ihn: Wie wollen WIR das Problem lösen?
6. Was ist für mich als Partnerin möglicherweise unsichtbar, das mein Partner hauptsächlich alleine trägt? Wo sollte ich mehr Verständnis zeigen?

Philip Bandholtz
Die tiefste männliche Angst ist es, nicht genug zu sein.
Wir lernen schon früh, dass unsere Gefühle und Bedürfnisse nicht so wichtig sind wie unsere Leistung und Ergebnisse. Viele Männer orientieren sich sehr an der Bewertung ihrer Frauen. Gut möglich, dass er grossen Druck empfindet, allem gerecht zu werden.
Wir Männer sprechen nur seltener darüber, weil wir häufig schlechte Erfahrungen mit Offenheit gemacht haben, die Männern in der Jugend oft als Schwäche ausgelegt wird. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass dein Mann täglich mit Ängsten und Schmerz zu kämpfen hat, die er unterdrückt.

Dr. Filomena Sabatella
Ein gemeinsames Auflisten der individuellen Mental Load kann zu sehr vielen Aha-Momenten führen. Das kann ich nur empfehlen.

Paige Connell
Wir alle tragen unsichtbare Arbeit – und sie sieht bei jedem anders aus. Dinge zu benennen, aufzuschreiben und darüber zu sprechen, schafft gegenseitiges Verständnis. So wie eine Person möchte, dass ihre Last anerkannt wird, ist es genauso wichtig, zu fragen, zuzuhören und wertzuschätzen, was der andere trägt.
Viel Erfolg bei euren Gesprächen. Einen guten Einstieg bietet unsere Berechnungsvorlage «Wieviel arbeite ich?» und im Podcast «Wie schaffen es Paare, Mental Load besser aufzuteilen» nennt Besteller-Autorin Patricia Cammarata einen Drei-Punkte-Plan als Lösungsansatz.
#daschamebruuche aus unserem Concept Store
*Nach Reich-Stiebert et al. (2023) zeigen zahlreiche Studien, dass Frauen mehr Verantwortung (Planung, Organisation, Erinnerung etc.) tragen, nicht nur «die Aufgaben».
** Daminger, A., Milkie, M. A., & Nomaguchi, K. (2024). Cognitive labor in contemporary families: Patterns and implications for gender inequality. Journal of Family Issues. DOI: 10.1177/0192513X241267884.
**Sotomo (2021). Annajetzt-Studie: Mental Load. Zürich: im Auftrag von annabelle.
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Veröffentlicht am 19. September 2025
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