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Unsichtbar und unverzichtbar: Emotionale Arbeit frisst viel Energie

Eltern regulieren ständig Emotionen, eigene und kindliche. Psychotherapeutin Linda Rasumowsky erklärt, warum das so ermüdet und wie Entlastung möglich ist.

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Mutter und Kleinkind zusammen auf der Kippschaukel - emotionale Arbeit und Regulation ist zentral für kindliche Entwicklung. Trotzdem wird sie selten benannt und geschätzt.

Was hat die Arbeit von Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern mit der von Eltern zu tun? Beide geben sich Mühe, den ihnen Anvertrauten mit Wärme zu begegnen, sie kümmern sich und sind viel in direktem Kontakt. Bei herausforderndem Verhalten regulieren sie die eigenen Emotionen sowie die des Gegenübers und versuchen, emotional stabil zu bleiben.

Warum der Vergleich? Am Beispiel von Flight Attendants hat die amerikanische Soziologie-Professorin Arlie Hochschild 1983 mit dem Konzept «emotional labor» aufgezeigt, dass gewisse Arbeiten neben physischen und kognitiven Tätigkeiten auch intensives Emotionsmanagement beinhalten. Nennen wir es hier «emotionale Arbeit».

Was ist emotionale Arbeit?

Klar ist: Für Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter wie für Eltern erfordert die emotionale Regulationsarbeit einen hohen Einsatz. Und bei beiden ist dieser Einsatz relevant dafür, ob sie gemäss sozialer Erwartungen ihre Arbeit gut machen. Forschende haben das Konzept «emotional labor» 2021 auf Elternschaft adaptiert. Ein liebevoller Umgang gehört gemäss dem Konzept zu den Aufgaben des Elternseins dazu, ebenso wie die Regulation der eigenen Emotionen.

Natürlich verrichten nicht nur Eltern emotionale Arbeit. Auch Grosseltern tun dies, Mitarbeitende von Betreuungseinrichtungen und Schulen und andere Bezugspersonen von Menschen, die auf Sorgearbeit angewiesen sind.

Emotionale Arbeit ist ein hochrelevanter Teil von Sorgearbeit. Doch sie wird noch kaum in der Diskussion um erschöpfende Elternschaft und Vereinbarkeit von verschiedenen Lebensbereichen thematisiert.

Obwohl emotionale Arbeit von hohem Wert ist, ist sie unglaublich unsichtbar und wird geringgeschätzt.

Denn Körperlichkeit, Bindung und Sorgearbeit haben in einer Welt der Hochleistung keinen Wert, beschreibt Franziska Schutzbach in ihrem Buch «Die Erschöpfung der Frauen».

Wieso ist die fehlende Anerkennung problematisch?

Arbeit, die wir selbst nicht als solche wahrnehmen, die unbenannt und damit ungesehen bleibt, aber dennoch viel Energie kostet, kann tückisch sein:

Wir meinen, wir hätten nichts getan, sind aber erschöpft. Die emotionale Arbeit ist wie ein unsichtbarer, energiefressender Riese.

Bleibt er unerkannt, kann dies wie ein unentdecktes Leck im Energiehaushalt einer Familie wirken. Und das verstärkt die psychische Belastung derer, die Emotionsarbeit verrichten. Denn oft wird diese Arbeit bei der Aufgabenverteilung und beim Einplanen von Ressourcen nicht berücksichtigt.

Zum Begriff der Arbeit: Diese Bezeichnung bedeutet nicht, dass die emotionale Arbeit immer mühsam und streng wäre, sie kann durchaus sehr erfüllend sein. So, wie das bei Erwerbsarbeit auch der Fall sein kann.

Was Arbeit aber immer benötigt, ist Einsatz, Zeit und Energie, damit sie einigermassen gelingt, und meist auch spezifisches Know-how. Dass bezahlte Arbeit zudem vergütet wird und es gemäss Arbeitsrecht hierzulande Gesetze für arbeitsfreie Zeit gibt (Ruhezeiten, freie Tage, Ferien), lassen wir mal beiseite.

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Was ist so zehrend an Emotional Labor?

Wenn in meiner Psychotherapie-Praxis belastete Mütter berichten, sie hätten bereits viele Ansprüche reduziert, wären aber stark erschöpft, schauen wir genauer hin. Oft sehen wir dann, dass diese erschöpfenden letzten Wochen, Monate oder gar Jahre unglaublich viel mehr Arbeit beinhalteten, als bisher klar war.

Wir lernen den unsichtbaren Riesen, die emotionale Arbeit, kennen. Und erkennen beim genauen Hinschauen, was alles unbewusst getan wird. Zum Beispiel:

Jede Person, die Sorgearbeit leistet, könnte diese Liste wohl ergänzen. Und jede Person, die Kinder oder Menschen mit besonderen Herausforderungen, etwa einer Neurodivergenz, einer chronischen Krankheit oder einer Behinderung, begleiten, noch mehr.

Diese Aufgaben sind keine seltenen, besonderen Fälle. Sie gehören mit zur Sorgearbeit dazu, viele Stunden pro Tag.

Meist ist diese emotionale Arbeit an Beziehung gekoppelt, und daran, sich wirklich einzulassen. Weshalb auslagern schwierig sein kann.

Emotionale Arbeit nährt oft die psychologischen Grundbedürfnisse des Kindes, und die sind äusserst relevant für eine gesunde psychische Entwicklung. Bei Erwachsenen heisst das dann Resilienztraining, Burnout-Prophylaxe, Training emotionaler Kompetenzen oder Selbstfürsorge.

Geben wir emotionaler Arbeit also auch zu Beginn des Lebens die Beachtung und den Wert, die sie verdient.

Wie viel emotionale Arbeit ist sinnvoll?

Viele Eltern, die aktuell Kinder begleiten, haben das Ziel, ihren Kindern ein wohlgesinnter, liebevoll begleitender Elternteil zu sein. Das kann sehr unterschiedlich aussehen und bestimmt gibt es kein perfekt, und soll es auch gar nicht. Niemals fördere ich ein unrealistisches Rollenbild von perfekt fürsorglichen Eltern.

Eltern sind auch Menschen, Fehler werden wir alle machen. Und sowieso, wer weiss denn schon, was genau richtig ist.

Aber: Manchmal wird der Wert von etwas erst in seiner Abwesenheit erkannt. Wenn emotionale Arbeit in hohem Masse ausbleibt, nennen wir das emotionale Vernachlässigung.

Emotionale Arbeit ist nicht unnötiges Überbehüten.

Beim Ausbleiben ist das den meisten Menschen klar. Und so klar sollte der elementare Wert emotionaler Arbeit uns allen auch sein, wenn diese eben geleistet wird. Täglich.

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Diesen Wert hat emotionale Arbeit, ob sie gerne verrichtet wird oder nicht. Der Wert der Arbeit und das Gefühl dabei sind unabhängig voneinander. Auch positiv empfundene Arbeit ist Arbeit.

Wenn wir uns mitfreuen, das Kind bestärken und in Beziehungen unterstützen, ist das wichtige emotionale Arbeit für das Erleben von Wohlbefinden und Aufblühen, das beschreibt die Positive Psychologie.

Kritische Stimmen mögen nun sagen: verwöhnte Kinder, Helikoptereltern, unnötiger Perfektionismus. Ja, weniger tun ist oft absolut sinnvoll und vielen Aufgaben dürfen wir ausgesprochen minimalistisch begegnen. Sehr wichtig für die psychische Gesundheit von Eltern, denn ideal wird niemals möglich sein.

Die Forschung weist darauf hin, dass emotionale Arbeit das Risiko für Burnout erhöhen kann.

Wichtig ist hier sicher die Frage, unter welchen Umständen emotionale Arbeit erfolgt, auf wie viele Menschen sie verteilt ist und welche Ressourcen da sind. Grundsätzlich können sich alle bemühen, in emotionaler Arbeit Expertise zu erlangen, und immer hat sie einen Wert.

Ja, das hier ist ein Plädoyer für die Aufwertung emotionaler Arbeit aller und gegen die (Selbst-)Ausbeutung von Menschen, die diese Arbeit leisten. Emotionale Arbeit ist wichtig, und gleichzeitig soll sie nicht die einen ausbrennen.

Wie ist Entlastung möglich?

Lasst uns all die viele emotionale Arbeit sehen und wertschätzen, wer auch immer sie verrichtet. Dies können wir in Freundschaften tun, im Betreuungs- und Schulsystem, in der Paarbeziehung, der Verwandtschaft, im Arbeitskontext und einfach auf der Strasse.

Wir können etwa sagen «ich glaube, du leistest gerade viel», «so wichtig, was du tust» oder einfach «danke für deinen Einsatz».

Lasst uns an der Vorstellung rütteln, dass Arbeit nur dann wirklich wichtig ist, wenn sie bezahlt ist.

Wenn wir emotionale Arbeit benennen, kann das helfen, dass wir auch den Bedarf an Entlastung eher sehen. Wenn wir also benennen, dass ein Elternteil gerade 11 Stunden Sorgearbeit geleistet hat und davon viele Stunden emotionale Arbeit und der Bedarf nach Pause da ist, dann ist das leicht nachzuvollziehen. Viel leichter, als wenn wir davon sprechen, dieser Elternteil hätte heute «nicht gearbeitet».

Wir können aufwerten und entlasten. Beides gleichzeitig.

Und ja: Teile der emotionalen Arbeit können mitunter das Schönste an Sorgearbeit sein. Das, was es spannend und tiefgründig macht, berührend und bereichernd. Oder der Grund, wieso wir trotz enormer Herausforderungen weitere Kinder haben möchten.

Und gleichzeitig kann emotionale Arbeit auch das sein, was am meisten fordert, zehrt und das Nervensystem beansprucht. Das, was Eltern oft die allerletzte Kraft kostet.

So bereichernd emotionale Arbeit sein kann – wenn sie mit Freizeit gleichgesetzt wird, hat das den bitteren Beigeschmack von Geringschätzung.

Es kann bereichernd sein und dennoch unvorstellbar viel an Ressourcen kosten. Beides gleichzeitig.

Zurück zu den Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern. Diese Arbeit scheint für viele Menschen attraktiv zu sein, trotz der vielen Herausforderungen. Vielleicht dann, wenn die Arbeit zu ihnen passt, sie nicht allein sind mit den Aufgaben und der Verantwortung und das Team in Stresssituationen gut zusammenarbeitet.

Und wenn es Erholungspausen gibt, Respekt und finanzielle Sicherheit. Und wenn man manchmal vielleicht sogar die Füsse ins Meer strecken und dabei Sonne und Meeresrauschen in Ruhe geniessen kann. Das ist bei vielen Eltern nicht anders.

Bild von Linda Rasumowsky

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Linda Rasumowsky ist Psychotherapeutin in Zürich und lehrt Fachpersonen Psychotherapie rund um die Geburt. Sie ist auf psychische Gesundheit von Müttern spezialisiert und hat für mehr Leichtigkeit und Wohlbefinden von Müttern die Plattform www.mentalwellmom.com gegründet. Auf Instagram findet man sie als @mentalwell.mom. Linda hat drei Kinder. (Bild: Trice Gantner)

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Veröffentlicht am 9. April 2025.


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Linda Rasumowsky ist Psychotherapeutin in Zürich und lehrt Fachpersonen Psychotherapie rund um die Geburt. Sie ist auf psychische Gesundheit von Müttern spezialisiert und hat für mehr Leichtigkeit und Wohlbefinden von Müttern die Plattform www.mentalwellmom.com gegründet. Auf Instagram findet man sie als @mentalwell.mom. Linda hat drei Kinder. (Bild: Trice Gantner)

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