Elternfragen
Meine Chefinnen leben überzeugt kinderfrei. Wie kann ich das gegenseitige Verständnis fördern?
Lynn Welter, Beraterin für Frauen und Eltern, beantwortet diese Frage aus der Community.

«Liebe Community, meine beiden Chefinnen leben bewusst und glücklich kinderfrei, was ich respektiere. Trotzdem fühle ich mich von ihnen oft unverstanden, wenn es um die Herausforderungen und Prioritäten als Elternteil geht. Wie kann ich aktiv dazu beitragen, das gegenseitige Verständnis zu fördern? Gibt es Wege, meine Perspektive klar und empathisch zu vermitteln, ohne ihre Lebensentscheidungen infrage zu stellen, und gleichzeitig ihre Sichtweise besser nachzuvollziehen?»
Lynn Welter: Danke für deine Frage. In dieser Situation prallen zwei Welten aufeinander, nämlich die der überzeugt kinderfreien Person und die der Mutter, deren Prioritäten sich mit der Geburt des Kindes/der Kinder verschoben haben. Ich möchte gleich zu Beginn sagen: Es scheint mir wichtig, dass wir jeweils die Meinung der anderen Person respektieren, auch wenn wir sie nicht hundertprozentig nachvollziehen können.
Es ist schwierig, ausser Haus zu arbeiten und im Familiensetting allem und allen gerecht zu werden. Es ist möglicherweise sogar in Bezug auf Zeit- und Energiemanagement nur schwer unter einen Hut zu bringen.
Bevor sie Kinder haben, können Frauen den Forderungen der Arbeitswelt, die ja sehr patriarchal ist, noch nachkommen.
Wir können flexibel sein, Überstunden machen. Aber sobald wir Kinder haben, verändert sich das.
Ich rate dir in der oben beschriebenen Situation, erstmal in dich zu gehen. Wir sind oft in einer Mama-Blase isoliert, wenn das Kind geboren ist. Erstmal geht es nur ums Baby, ums Bonding, ums Stillen und vielleicht am Rande darum, dass wir uns von Geburt und Wochenbett erholen.
Sobald wir wieder arbeiten, sind wir übermüdet und immer noch sehr an das Kind und seinen Rhythmus gebunden. Die ganze Schwangerschaft und Stillzeit lang drehen sich die Gespräche vor allem um das Kind. Die Mutter wird selten gefragt, wie’s ihr geht.
Ich würde deshalb empfehlen, dich zu erforschen:
- Wer bin ich jetzt?
- Was sind meine Prioritäten?
- Was ist mir wichtig?
- Mit welcher Arbeit möchte ich mein Leben füllen?
- Wie viel möchte ich ausser Haus arbeiten?
- Möchte ich im Moment überhaupt erwerbstätig sein?
Frauen dürfen herausfinden, was sie möchten, für sich selbst. Auch wenn sie auf eine bestimmte Art aufgewachsen und erzogen worden sind, dürfen sie das alles infrage stellen, sogar über den Haufen werfen, und neu sortieren und entscheiden.
Und wenn du das definiert hast, kannst du dich weiter fragen:
Wo sind meine Grenzen? Was ist mir wichtig in diesem Job?
Vielleicht möchtest du ja täglich um 16.30 von der Arbeit los, um das Kind von der Kita zu holen und noch Zeit mit ihm zu verbringen. Dafür kannst du vielleicht anbieten, dass du morgens früher da bist oder abends noch eine Stunde online arbeitest.
Wenn du weisst, was du willst und brauchst und wie viel Energie dir zur Verfügung steht, dann kannst du anfangen klar zu verhandeln.
Ich denke, viele Frauen stellen sich die Fragen zu wenig, weil sie einfach im Hamsterrad weiter straucheln. Und wenn wir diesbezüglich keine Klarheit haben, ist es auch schwierig, unmissverständlich zu kommunizieren und zu verhandeln.
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Dann zum Praktischen: Ich finde es sehr wichtig, dass man mit Vorgesetzten das Gespräch sucht und dass man dafür einen ruhigen Moment findet. Es ist nicht zielführend, solche Fragen zwischen Tür und Angel zu besprechen.
Wichtig finde ich auch, dass man Verständnis für die Gegenseite aufbringt.
Denn wir können die anderen und ihre Haltung nicht kurzfristig ändern. Wir können nur beeinflussen, wie wir in die Situation reingehen und der anderen Person begegnen. Und das kann manchmal die Weichen anders stellen.
Sollte der Fall eintreffen, dass sich Vorgesetzte nicht flexibel zeigen, dann kann man wieder für sich überprüfen:
- Stimmt es für mich, in diesem Job zu bleiben, auch wenn die Vorgesetzte keinen Schritt auf mich zugehen will?
- Was habe ich für Alternativen?
- Kann ich mir andere Freiräume und Flexibilität aushandeln?
Grundsätzlich möchte ich sagen: Es ist gerade als Mutter extrem komplex, eine Balance zu finden. Wir spüren die Erwartung von aussen, dass wir im Berufsleben bleiben, gleichzeitig sollen wir es mit Karriere auch nicht übertreiben. Ich empfinde es als sehr herausfordernd, zwischen all den internalisierten gesellschaftlichen Ansprüchen nicht auszubrennen.
Ich wünsche dir alles Gute.
Lynn Welter
Informationen zum Beitrag
Veröffentlicht am 14. März 2025.
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