Sexuell missbraucht: Ein Brief an meinen Vater
Ihr Vater hat sie jahrelang sexuell missbraucht – nun schreibt unsere Autorin all ihre Gefühle in einem Brief an ihn nieder. Ein erschütternder und zugleich beeindruckender Text.
Hallo Vater
Es ist für mich an der Zeit, unbequem zu werden. Deine einst so brave, gehorsame Tochter möchte reden – und zwar über uns. Ich will mit diesen Zeilen Klartext schaffen; will ein Tabu brechen, welches wir zusammen so lange aufrechterhalten haben. Ich habe dieses Vorhaben lange hinausgezögert und doch wusste ich immer, dass es irgendwann sein muss – für mich.
Wie es so ist mit unbequemen Dingen: Man schiebt sie gerne auf – bis zum allerletzten Drücker. So wie ich bis jetzt. Ich habe mir selbst versprochen, dass ich mit «uns» aufräume, bevor ich 30 Jahre alt werde.
Ich schreibe dir diese Zeilen, weil ich dir all meine Gedanken und meine bisher versteckten Emotionen preisgeben will.
Ich räume mit diesem Brief die dunkelsten Ecken meiner Seele auf.
Ich entsorge damit unsere Altlasten, die mich am unbeschwerten Glücklichsein hindern.
Ich will, dass du siehst, was du mir genommen hast und was aus mir letztendlich geworden ist. Ich will, dass du weisst, was ich fühle. Ich tue dies nicht, weil ich Mitleid oder eine Entschuldigung von dir erwarte, sondern weil ich es satthabe, ein Lügennetz und ein Schauspiel aufrechtzuerhalten.
Es würde mich so viel Kraft kosten, diese Maske weiterhin zu tragen, sie behindert mich in meinem Leben. Die Maske war jahrelang mein Schutz; ein Schutz, den ich mir aus Angst und Scham zugelegt habe.
Heute weiss ich: Ich brauche keine Angst mehr vor dir zu haben, denn deine Tochter ist eine erwachsene, unabhängige und starke Frau geworden. Und da heute mein letzter Tag als 29-Jährige ist, will ich nun meine Maske endlich ablegen; für mein nächstes Jahrzehnt und den Rest meines Lebens. Ich brauche sie nicht mehr.
Sie hat ausgedient, weil ich stark genug bin.
Wie du weisst, lebe ich heute rundum behütet und umringt von lieben Menschen; ich habe einen wunderbaren, liebevollen Ehemann; ich bin Mutter eines süssen, frechen und kerngesunden Kindes, habe Freund:innen, die sich wie Familie anfühlen; ich bin sozial eingebunden und habe Kolleg:innen an meiner Seite, die meine Visionen teilen und mitgestalten; ich bin begütert mit einem gemütlichen Zuhause und habe einen erfüllenden Job, den ich mir mit Fleiss, Disziplin und Wille erarbeitet habe.
Nach aussen wirkt meine Existenz wie das Abbild eines scheinbar perfekten Lebens.
Und es stimmt – mein Leben ist wunderbar. Ich bin aus ganzem Herzen dankbar, dass ich all diese schönen Seiten des Lebens erleben darf. Ja, manchmal kann ich es selbst kaum glauben, wie gut ich es habe.
Und doch ist dies nur die Spitze des Eisbergs. Für die meisten meiner Mitmenschen ist nur dieser schöne Teil meines Lebens sichtbar. Du weisst nämlich ganz genau, dass sich unter der Oberfläche meines glücklichen und schönen Daseins eine tiefe und unendlich schwere Altlast verbirgt. Diese Altlast überholt mich immer mal wieder auf der Autobahn meines Lebens und schneidet mir den Weg ab.
Dann überfällt mich eine plötzliche Traurigkeit, die ich regelmässig bekämpfen und überwinden muss. Und über diese Trauer will ich dich endlich wissen lassen.
Dies ist kein Anklagebrief. Es ist ein Geständnis.
Ich will dir damit endlich meine wahren Gefühle offenbaren, welche ich über Jahre hinweg verborgen in mir trug und welche ich mich aus Angst vor dir nie getraute, laut auszusprechen. Dieser Brief ist deshalb einer der schwierigsten, die ich wohl je schreiben werde.
Diese Zeilen zu schreiben, bedeutet für mich, dass ich mein Innerstes nach Aussen kehren und zeigen muss – mein inneres Kind, welches ich immer versucht habe zu schützen und zu trösten. Das innere Kind, welches ich vor allem vor dir – aber auch vom Rest meines Umfelds – jahrelang versteckt hielt.
Mein inneres Kind vermisst bis heute eine väterliche Zuneigung, eine starke Schulter; einen Vater, der gute Ratschläge gibt, der sein «kleines Mädchen» behütet und mit warmherziger Liebe umsorgt.
Mit «Liebe» meine ich keine körperliche Liebe. Sondern die echte, aufrichtige und innige Vaterliebe. Mein inneres Kind vermisst eine Mutter, die wie eine Tigerin mit all ihrer Kraft für ihre Kinder kämpft, wenn sie bedroht werden. Ich vermisse eine Mutter, die merkt, wenn es ihrem Kind schlecht geht.
Mein inneres Kind vermisst seine Eltern.
Wenn ich zurück an meine Kindheit denke, durchläuft es mich kalt: Angst, Ekel und Schuldgefühle haben tiefgreifend geprägt. Allen Gefühlen voran: die Angst.
Nie in meinem Leben habe ich mehr Angst verspürt als in meiner Kindheit. Ich weiss noch, als ich im Kindergarten-Alter überlegt habe, wie ich von zu Hause weggehen könnte. Ich würde in den Wald gehen und mein eigenes Zwergenhaus errichten. Ich würde mich von Beeren und von Wasser ernähren; das würde schon irgendwie gehen.
Wenn ich heute daran denke, dass ich dieses Vorhaben ernsthaft in Erwägung gezogen habe, erschüttert mich dies zutiefst. Dieses Abhauen-wollen ist aber keinesfalls mit kindlicher Auflehnung zu verwechseln:
Ich habe aus Angst vor deinem nächsten Wutausbruch und vor deinen nächsten Schlägen so gedacht.
Ich dachte tatsächlich, dass der Wald ein weitaus sichererer Ort für mich wäre als mein Elternhaus. Und doch: Ich habe es nicht übers Herz gebracht. Und zwar, weil ich meine Geschwister über alles liebe. Sie sind meine Familie – bis heute.
Die Angst war mein ständiger Begleiter. Angst vor Strafen, Schlägen, Kontrollen und Verboten.
Wenn zum Beispiel eine deiner militärischen Zimmer-Kontrollen angesagt war, habe ich körperliche Symptome entwickelt, die ich seit meiner Kindheit zum Glück nie mehr erlebt habe: Mein Herz hat jeweils bis zum Hals geschlagen, und zwar so schnell, als wäre ich kilometerweit um mein Leben gerannt. Meine Hände waren kalt und nass, die Knie zitterten so fest, dass ich kaum aufrecht stehen konnte, und mein Magen hat sich so verkrampft, dass mir oft speiübel wurde und ich das Erbrechen unterdrücken musste. Es war ein Gefühl, dass ich am liebsten sterben würde.
Ich bin heute davon überzeugt, dass sich Todesangst so anfühlen muss. Ich hatte Angst, dass du die Briefe, welche ich heimlich mit Schulfreundinnen schrieb, finden würdest. So banal – aber ich wusste, es würde reichen, damit der schreckliche Tyrann in dir zum Vorschein kommt.
Die Angst hat mich immer verfolgt. Sei es eingesperrt im Keller, im Lift, im Auto, im Kinderzimmer; sei es beim Essen, beim Beten und beim Schlafen.
Nie wussten wir, wann du explodierst.
Ich erinnere mich bis heute daran, wie ich zusammengekauert in meinem Bett lag und mir die Ohren zuhielt, wenn du nebenan Mama angeschrien und geschlagen hast oder meine Geschwister verprügelt hast. Und manchmal traf es dann auch mich.
Nur draussen – da war es herrlich. Hauptsache nicht zu Hause sein. Wenn wir auf Besuch bei jemandem waren, wenn wir auf Reisen waren – dann war alles anders.
Dies sind meine schönsten Kindheitserinnerungen. Die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee und die Wanderung zum Bürgenstock, die Schlitteltouren im Napfgebiet, die Rundfahrten im Emmental, die vielen Besuche bei Familienangehörigen. Da waren wir nach aussen als harmonische und lustige Familienbande unterwegs.
Du hast oft viele Komplimente für deine «braven» und anständigen Kinder bekommen. Es hat sich richtig schön angefühlt, und ich war in diesen Momenten oft auch sehr glücklich. Aber die Lebensangst hat immer und überall überwogen.
Diese beklemmende Angst war auch einer der Hauptgründe, wieso ich meine ganz eigene Strategie entwickelt hatte, um den Teufel in dir zu zähmen, damit ich und meine Geschwister weniger Angst haben mussten: Ich wusste um deine Zuneigung zu mir. Und mit circa zehn Jahren wurde mir dann auch bewusst, dass diese «Zuneigung» rein gar nichts mit väterlicher Liebe zu tun hatte.
Vorher vermochte ich die Intimitäten nicht richtig einzuordnen. Als Kind – ich nehme an, dass ich etwa sieben Jahre alt gewesen sein muss – wusste ich nicht, was wir da genau taten, als sich die ersten körperlichen Handlungen ereigneten.
Ich weiss noch, dass Mama im Spital war; meine jüngste Schwester war gerade auf die Welt gekommen. Wir waren ein paar Tage allein zu Hause. Nur schemenhaft erinnere ich mich an das Gefühl zwischen Verwunderung, Ekel und Neugierde zugleich, als ich das erste Mal mit meinen Händchen und meinem Mund deinen Penis berühren musste. Ich erinnere mich an das Würgegefühl, weil mich das durchsichtige Sekret aus deinem Glied so gruusig dünkte.
Meine Kindheit hat damals aufgehört zu existieren.
Heute weiss ich, dass ich frühzeitig vom Mädchen zur Frau «befördert» wurde. Ab diesem Zeitpunkt hat sich mein inneres Kind, dieses kleine, anhängliche Mädchen, das ich immer war, tief in mir drin verschlossen. Das Kindsein hat mit diesem Erlebnis für mich aufgehört.
Oft habe ich mich gefragt: Warum konnte es nur so weit kommen? War ich zu anhänglich? Wie konntest du als Vater dies nur falsch interpretieren? Ich meine, ich war sieben Jahre alt.
Einmal habe ich meiner Grossmutter – deiner Mutter – erzählt, dass du mich «da unten» anfasst. Dies weiss ich aus Erzählungen; daran erinnern kann ich mich allerdings nicht mehr. Offenbar wurde ich nicht ernst genommen, und vermutlich hatte sie auch Angst vor dir; jedenfalls stoppte dich niemand.
Es war das erste und einzige Mal, dass ich irgendjemandem etwas davon angedeutet hatte. Mein Schweigen sollte 15 Jahre lang andauern.
Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Wenn ich mich in den folgenden Jahren dir gegenüber verweigerte, bemerkte ich schnell, welche Folgen dies für mich hatte. «Du bist frigid» oder «Du bist ein Räf wie deine Mutter», hiess es dann. Die Abwertungen waren zusätzliche Dolchstiche in meine sensible Mädchenseele.
Wenn ich mich verweigerte, nahm deine Aggressivität gegenüber Mama, meinen Geschwistern und mir stark zu. Und ich registrierte auch, dass wenn ich «es» zuliess, dass du dann zahmer und weniger böse in allen Dingen warst.
Also habe ich mich selbst gefragt: Was ist schlimmer; der schlagende, bestrafende Tyrann oder die sexuellen Handlungen mit mir? So wusste ich mit der Zeit, die «Zärtlichkeiten» als Gegenmittel für deine grausame Art einzusetzen.
Mein Körper wurde zu meiner Waffe.
Zum Wohle aller habe ich mich immer öfter für die Hingabe entschieden. Ob nackt für dich tanzen, küssen, anfassen oder dann später auch bis zum Äussersten… Mit der Zeit wurde mir alles egal. Innerlich war ich abgestumpft. Ich wusste einfach, dass es nützte, und das war die Hauptsache. Nach Aussen wahrte ich aber stets die Normalität – mit all meiner Kraft.
Meine Leistungen in der Schule wurden immer besser; irgendwann wurde ich sogar Klassenbeste – über mehrere Jahre hinweg. Ich galt als besonders schlau und wissbegierig, aber auch als schüchtern und leise. Ein blondes Mädchen mit Brille, Zöpfen, Zahnspange und stets vielen Büchern im Gepäck; das klassische Bild einer unscheinbaren Streberin.
Niemand hätte nur im Ansatz erahnen können, welche Erfahrungen dieser schmale, bleiche Mädchenkörper bereits in diesem Alter durchgemacht hatte. Nur du und ich wussten es.
Sowohl in der Schule als auch zu Hause war ich die perfekte Schauspielerin. Ich wusste dich zu umgarnen, ahnte in Sekundenschnelle, wenn Stress in der Luft lag und ich «intervenieren» musste. Alles sehr subtil und heimlich – das war klar. Niemand durfte davon erfahren.
Obwohl wir nie offenkundig darüber gesprochen hatten, wusste ich intuitiv, dass es höchst verboten und falsch war, was wir da taten.
Aber dennoch: Ich hatte meine persönliche Mission, um mir und den Anderen körperliche Schmerzen zu ersparen. Meine Geschwister hatten weniger Schläge einzustecken, und ich hatte weniger Angst, dass mir etwas passiert.
Und: Ich bekam mehr Freiheiten. Du belohntest meine «Liebe» mit schönen Kleidern, mit teuren Dessous, mit Kino-Ausflügen, mit «Länger-aufbleiben-dürfen-als-alle-andern». Das Aufwerten meiner Person, die offensichtliche Bevorzugung und die subtile Überhöhung genoss ich manchmal sogar sehr.
Heute schäme ich mich dafür.
Natürlich weiss ich heute auch, dass dies eine übliche Strategie bei sexualisierter Gewalt ist. Ich – der absolute Freigeist – bekam plötzlich kleine Krümel von «Freiheiten» zugeworfen.
Ich war es gewohnt, dass wir Kinder nie mit Gspändli abmachen durften; auch die Badi oder ins Kino gehen waren tabu, Kommunikationsmittel wie Handy oder Briefe waren ebenfalls verboten. Die Welt da draussen war deiner Meinung nach ein einziges Sodom und Gomorra – und wir waren deine gläubigen, gottesfürchtigen Kinder, die das Jüngste Gericht überleben und in den Himmel kommen würden.
Du warst vollkommen davon überzeugt, dass der Weltuntergang bald kommen würde – und auch davor hatte ich stets richtig Angst; manchmal träume ich sogar heute noch davon.
Wie sehr habe ich nach freiem, selbstbestimmtem Raum gelechzt: hinaus in die Welt dürfen, Freunde treffen, das Leben geniessen mit all seinen Facetten. Heute weiss ich, dass all deine Verbote das totale Gegenteil von dem waren, was heute mein wahres Ich ausmacht. Ich bin freiheitsliebend, kontaktfreudig, gebend und austauschend.
Ich weiss noch, dass du mir öfters gesagt hast: «Töchter nehmen sich immer den Typ Mann zum Ehepartner, der ihrem Vater ähnlich ist.»
Wie habe ich mich vor diesem Schicksal gefürchtet.
So habe ich mir bereits als kleines Mädchen geschworen, dass ich lieber auf ewig unverheiratet und allein bliebe, als je einen solchen Partner zu haben. Ich wollte Freiheit, Leben und Liebe. Jedes Verbot war für mich schlimmer, als alle körperlichen Handlungen und Strafen – das dachte ich damals zumindest.
Und dann kam mein Austauschjahr im Ausland. Ich war 17 Jahre alt und ich übertrat endlich die Schwelle zur lang ersehnten Freiheit: Alles hinter mir lassen… Nicht mehr schauspielern müssen, einfach ich selbst sein! Ich konnte mein Glück kaum fassen; mir gelang damit der Absprung von einem Ort, der mir zwar ein Dach über dem Kopf geboten hatte, aber dem Wort «Zuhause» nie wirklich gerecht geworden war.
Ich wusste bereit damals, dass ich nie mehr zurückkehren würde.
Eine meiner Schwestern gestand mir Jahre später, dass mit meinem Abflug für sie das schlimmste Jahr bevorstand. Ja, ich liess mit diesem Abschied auch meine Geschwister zurück. Das kümmerte mich damals nicht mehr so sehr; alles, was zählte, war endlich von daheim wegzugehen – so weit wie möglich.
Es folgte ein Jahr voller schöner Erlebnisse, Reisen und Bekanntschaften. Ich konnte mein Flair für Sprachen trainieren und hatte das erste Mal das Gefühl, richtig am Leben zu sein.
Heute weiss ich, dass es auch mein Verdrängungsjahr war. Ich nenne es so, weil ich in diesem Jahr keine einzige Sekunde an meine Vergangenheit gedacht habe. Ich habe schlichtweg alles ausgeblendet, jeden Schmerz, jede Angst, jede Scham und jede sexuelle Handlung, die ich mit dir erlebt habe. Alles war plötzlich wie weggeblasen.
In der Psychologie entspricht dieses Verhalten dem klassischen Muster der Verdrängung. Ich aktivierte unbewusst diesen Schutzmechanismus, da ich aus Scham und Fassungslosigkeit nicht wahrhaben wollte, dass mir dies tatsächlich alles passiert ist.
Innerlich war mein Selbstwertgefühl völlig zerstört.
Das Erlebte hat mich zwar nicht mehr bewusst beschäftigt, aber in mir drinnen eiterten meine seelischen Wunden weiter und die Verletzungen schwollen immer mehr an.
Dies habe ich aber vorerst nicht bemerkt. Ich lebte nun mein Leben, wie ich es mir immer erträumt hatte. Das einzige Indiz, welches äusserlich auf ein seelisches Leiden hingedeutet hätte: Ich habe mich in dieser Zeit wochenlang nicht gewaschen, habe viel gegessen und getrunken und folglich mehr als 20 Kilo zugenommen.
Das Jahr ging um, ich kehrte in die Schweiz zurück und begann eine Ausbildung. Und im ersten Lehrjahr habe ich dann den irdischen Engel meines Lebens gekreuzt und lieben gelernt: meinen Mann. Mit dieser unerwarteten Begegnung lenkte mich mein Schicksal endlich in gute Bahnen, denn damit tat sich ein wunderbares, neues Kapitel in meinem Leben auf.
Er war aus dem Nichts aufgetaucht und ist seither mein Fels in der Brandung.
Das Zusammenkommen mit diesem Menschen war ein grosser Wendepunkt in meinem Leben: Durch ihn erfuhr ich, was es heisst, echte Liebe, Zuneigung und Wärme zu spüren. Mit ihm erkannte ich, dass Sex auch eine wunderschöne, beglückende und nährende Seite hat. Seine Herzlichkeit und Echtheit haben mich komplett überwältigt und mit den Jahren getraute ich mich sogar, mich voll und ganz dieser Beziehung und auch meiner eigenen Sexualität hinzugeben.
So habe ich mich ihm gegenüber auch immer mehr geöffnet; habe ihm meine intimsten Ängste und Sorgen, meine Eskapaden mit anderen Jungs und meine Schwächen offenbart. Nur etwas blieb stets verborgen: meine Kindheit. Die habe ich nie angesprochen. Ich habe ihm manchmal gesagt, dass ich eine harte Kindheit hatte – mehr nicht. Als es darum ging, mit wem ich mein erstes Mal hatte, nannte ich ihm irgendeinen Namen eines random Typen.
Der Druck der unausgesprochenen Altlasten in mir wurde aber währenddessen immer grösser. Ich begann mich buchstäblich wie ein Kochtopf zu fühlen, dem man mit aller Kraft den Deckel zudrückte – doch der Dampf musste raus.
Der Druck wurde mit den Jahren so schlimm, dass ich nachts weinend und zitternd aus dem Schlaf aufschreckte. Ich begann, von uns zu träumen, und ungewollte Bilder tauchten vor meinem inneren Auge immer wieder auf.
Erinnerungen, die ich ein paar Jahre lang erfolgreich verdrängt hatte, waren plötzlich ungefragt wieder da.
Wie ein Bumerang trafen mich die Flashbacks mit voller Wucht. Mein Partner bemerkte schon länger, dass etwas nicht stimmte. Er wusste aber, dass er mich nicht drängen durfte. Ich bat ihn darum, dass er mich einfach lassen soll; dass ich Zeit brauche, um ihm irgendwann davon zu erzählen, was mich plagt.
Dies war zum selben Zeitpunkt, als du definitiv aus der Schweiz auswandern wolltest. Wir haben uns noch verabschiedet. Ich weiss noch, dass du damals beim Abschied einen entscheidenden Satz zu mir gesagt hast, welcher rückblickend mein inneres Fass zum Überlaufen gebracht hat:
«Ich bin so unglaublich stolz auf dich, wie gut du dein Leben meisterst – und wie gut du herausgekommen bist!», sagtest du.
Boom…
Das war der Satz, der den Dampfkochtopf zum Explodieren gebracht hat. Von da an musste ich jede folgende Nacht daran denken, dass verdammt nochmal gar nichts gut war.
Klar – gegen aussen hatte ich alles, was es für ein geregeltes Leben braucht. Toller Job, viele Freunde, einen Mann. Aber innerlich war ich ein Saustall – mehr denn je. Meine Albträume wurden mehr und mehr.
Die Taktik der Verdrängung funktionierte nicht mehr.
Dann kam der 11. September 2009, ein weiterer grosser Meilenstein in meinem Leben. Ich weiss das Datum noch so genau, weil ich an diesem Tag meine Autofahrprüfung auf Anhieb bestanden hatte. Ich verabredete mich mit Freunden im Pub, um mein Erfolgserlebnis zu feiern. Eine langjährige Freundin war die erste, welche am vereinbarten Treffpunkt war.
Wir plauderten über alles Mögliche, bis sie mich auf einmal ganz streng musterte und klar und deutlich zu mir sagte: «Wie lange willst du eigentlich noch heile Welt spielen?» Ich war völlig perplex und wusste zuerst gar nicht, was sie mir damit sagen wollte. Sie schaute mich nur an und doppelte unmissverständlich nach: «Du weisst genau, was ich meine. Ich weiss, dass mit dir und deiner Familie nicht alles in Ordnung ist!»
Als sie dies so direkt in mein Gesicht sagte – eine Person, von der ich dachte, sie würde es nie bemerken – das war der entscheidende Tropfen, der das Fass auch äusserlich zum Überlaufen brachte: Ohne Vorwarnung brach mein innerer Staudamm vollständig auseinander; ich barst förmlich in mich zusammen. Die Explosion der angestauten Gefühle entlud sich im heftigsten Weinkrampf, den ich je in meinem Leben hatte – und dies mitten in einem Pub.
Zögerlich begann ich dieser Freundin Brocken für Brocken zu erzählen; die Mauer aus 15 Jahren des Schweigens stürzte über mir zusammen, so dass es mich fast erschlug. Ich fand kaum Worte dafür.
Es war so beschämend, jedes einzelne, quälende Wort.
Sie musste mir helfen, die einzelnen Sätze zu vervollständigen. Es war schrecklich. Nach so vielen, vielen Jahren des Schweigens war es das allererste Mal in meinem Leben, dass ich es wagte, das Erlebte auszusprechen. Sie fragte mich, ob mein Partner davon wüsste. Ich musste so heftig weinen bei diesem Gedanken: Da war es nun, mein dunkles Geheimnis, welches ich nicht mal meinem allerliebsten Menschen erzählen konnte. Zu sehr schämte ich mich dafür.
Meine Freundin schleifte mich danach buchstäblich aus dem Pub zu ihrem Auto und fuhr mich zu meiner damaligen Wohnung. Sie zog mich an den Armen im Treppenhaus die Stufen hinauf. Immer wieder kauerte ich mich auf die Treppe und wollte am Boden liegen bleiben. Ich weinte und schrie so heftig, als wäre eine Person gestorben. Mein Partner kam mir entsetzt entgegen. Später sagte er mir, er habe wirklich gedacht, jemand sei verstorben, so markdurchdringend seien meine Schluchzer gewesen.
Dann erzählte ich auch ihm endlich von den Jahren meines inneren Schmerzes – all die Dinge, die du mit mir gemacht hast…
Es war so befreiend. Und so unfassbar schlimm zugleich.
Ich wimmerte wie ein kleines Kind, ich fühlte mich schmutzig, hilflos und schäbig. Doch ich wurde in diesem Moment des Zerbrechens gehalten und getragen von zwei Menschen, die mir sehr nahe und vertraut waren. Es war das beste Setting, das mir passieren konnte.
Nach diesem denkwürdigen Abend durchlief ich in den folgenden Jahren einen stetigen Prozess der Trauma-, Trauer- und Schambewältigung. Wie ein Phönix stieg ich aus meiner Asche und motivierte mich selbst für Therapien, Familienstellen, Gespräche, Tarotkarten – alles, was mir grad guttat.
Jede Methode trug in Mini-Schritten dazu bei, dass es mir nach und nach deutlich besser ging. Ich erinnerte mich daran, dass ich bereits als Mädchen den Entschluss gefasst hatte, dass ich nicht zerbrechen will aufgrund eines «holprigen» Starts im Leben – und dieses Mantra bestärkte mich in jedem weiteren Jahr.
Ich begann, mir selbst zu vergeben, und ich bemerkte, wie ich innerlich immer kräftiger und gesünder wurde. Ich lernte das Idealbild, wie meine Eltern hätten sein sollen, loszulassen und mir stattdessen selbst die Fürsorge und den Respekt zu geben. Mein Selbstbewusstsein erholte sich mit viel Zuneigung und Liebe durch meinen Partner, der mich mit grosser Rücksicht und Verständnis durch diese Zeit begleitete.
Ich erkannte, wie sich in mir drin eine unglaublich positive Lebenseinstellung breitmachte, eine wohltuende Gewissheit: «Ich kann mein Leben meistern! Und ich will glücklich sein! Ich liebe das Leben viel zu sehr, um aufzugeben und traurig zu sein.»
So wie einst Nelson Mandela in seinen schwersten Zeiten Halt fand, so fand auch ich eine unglaubliche Kraft in diesen Worten aus dem Gedicht «Invictus», welches seit Jahren an meiner Wohnzimmerwand hängt:
I am the master of my fate; I am the captain of my soul.
Man nennt es Resilienz.
Und dennoch: Trotz dieser positiven Grundeinstellung zum Leben kommt regelmässig die Schwere in mein Herz; die innere Traurigkeit überfällt mich ganz plötzlich und ungefragt und will mich manchmal schier auffressen. Dann muss ich sehr kämpfen und bewusst all die positiven Dinge im Leben sehen. Aber auch diese Downs sind immer seltener geworden.
Die letzte Therapie ist nun fünf Jahre her. Dort lernte ich, dass das Schreiben eine heilende und therapeutische Wirkung hat. So wie diesen Brief zu schreiben, zum Beispiel. Es braucht unglaublich viel Mut – und Mutigsein war lange überhaupt keine Stärke von mir. Und trotzdem habe ich immer wieder Schritte in meinem Leben gemacht, die kleine und grosse Mut-Ausbrüche erforderten. Mit jedem erfolgreichen Schritt entfaltete sich mein Potential mehr und mein Selbstvertrauen wuchs weiter.
Heute stehe ich an einem Punkt, an dem es mein Ziel ist, eine Art «Abschluss» mit meiner Kindheit – mit unserer Geschichte – zu finden. Vermutlich wird die seelische Narbe für immer ein Teil von mir bleiben. Aber irgendwann wird sie so verblasst sein, dass ich sie kaum noch bemerke. Das wünsche ich mir sehr. Um diesem Wunsch einen Schritt näher zu kommen, schreibe ich dir nun diesen Brief.
Wie bereits erwähnt; dies ist kein Anklagebrief. Ich verspüre weder Hass- noch Vergeltungsgefühle in mir. Nicht alle meine Liebsten können dies nachvollziehen. Aber blinde Wut, Hass und Feindseligkeit würden mich in meinem Leben nur behindern und letztendlich zerstören – dafür ist mir mein Leben einfach zu kostbar.
Zudem weiss ich, dass auch du für den Rest deines Lebens gezeichnet bist. Auch Mama gegenüber kann ich nicht wütend sein. Ich sehe in ihr lediglich eine Frau, die aufgrund ihrer eigenen Geschichte in diese toxische Co-Abhängigkeit geriet und sich wie eine geblendete Motte vollständig in deinem Netz verstrickte.
Ich verstehe heute, wie unglaublich schwierig es ist, aus dem Teufelskreis eines Narzissten auszubrechen. Dafür fand sie nie die Stärke und die nötige Unterstützung – leider bis heute nicht.
Nein, Hass kenne ich nicht (mehr).
Dieses Gefühl empfand ich bereits zur Genüge in meiner Kindheit. Es ist destruktiv und zermürbend – vor allem für mich selbst. Wenn ich aber aufgrund unserer Familiengeschichte ein Gefühl benennen muss, welches bis heute nachhallt, dann ist es ganz klar die zu Beginn erwähnte Trauer über den Verlust meiner Eltern.
In meinem Herzen bin ich ein Waisenkind.
Mittlerweile bin ich selbst Mutter geworden und das Thema der Elternschaft ist in Bezug auf meine Vergangenheit nochmals eine echte Herausforderung. So war das Thema Familie für mich bis zur eigenen Familiengründung vor allem geprägt durch Angst und Schmerz. Zudem fehlt mir komplett die Orientierung an einem elterlichen Vorbild. Ich vermisse und trauere immer wieder mal um die Ressource der sicheren Bindung und der emotionalen Wärme aus meiner Herkunftsfamilie.
Gleichzeitig versuche ich, eben genau diese Werte mir selbst und auch meinem Kind zu geben und vorzuleben. Das «Für-sich-selbst-Einstehen» ist immer wieder eine enorme Challenge und auch das gesunde Thematisieren der Sexualität und die Aufklärung beim eigenen Kind ist für mich ein unbekannter Dschungel.
Zudem stellt das Kind auch laufend mehr Fragen nach meiner familiären Vergangenheit. Was erzähle ich ihm von dir? Was erzähle ich ihm von uns? Wie thematisiere ich ein solch heikles Thema kindgerecht? Wie viel ist «gut genug» und wo beginnt «too much information»?
Eines weiss ich aber mit Sicherheit: Tabuisieren werde ich das Erlebte nicht – auch bei meinem Kind nicht. Wenn die Zeit reif ist, werde ich auch hier meinen Weg finden, diese schwere Kost kindgerecht zu erzählen, davon bin ich überzeugt.
Zudem ist Prävention enorm wichtig. Lange Zeit dachte ich, ich sei eines von wenigen Kindern gewesen, das ein solches Schicksal erlebt hat. Heute weiss ich, dass die Dunkelziffer von betroffenen Kindern extrem gross ist; so gross, dass vielleicht sogar in meiner Klasse ein weiteres Kind etwas Ähnliches durchmachte.
Wusstest du, dass in der Schweiz jedes siebte Kind in irgendeiner Weise von sexualisierter Gewalt betroffen ist?
Auch du warst eines davon. Bei 1,74 Mio. Kindern in der Schweiz bedeutet dies, dass rund 250’000 Kinderseelen geschädigt werden. Diese Zahl ist grösser als alle Einwohner:innen der Städte Bern und Luzern zusammengezählt.
Eine unbegreifliche Zahl. Schon nur deswegen ist es für mich unerlässlich, mein Kind über seinen Körper und sein Recht auf Unversehrtheit aufzuklären. «Mein Körper gehört mir!», lass ich deshalb mein Kind regelmässig repetieren.
Im Zusammenhang mit der Aufarbeitung unserer Geschichte weiss ich heute, dass Kinder, die sexuell missbraucht wurden, einem grossen Risiko unterliegen, dass sich ihr Schicksal in anderen Lebenssituationen wiederholt.
Frauen, die in ihrer Kindheit missbraucht wurden und ihre Erfahrungen nicht aufarbeiten konnten, sind oft nicht in der Lage, ihre eigenen Bedürfnisse sowie auch die Bedürfnisse ihrer Kinder wahrzunehmen, geschweige denn, sie vor Missbrauch zu schützen – so wie Mama.
Männer, die in ihrer Kindheit selbst missbraucht wurden oder den Missbrauch der Väter miterlebten, können selbst zum Täter werden – so wie du. Wird dieser toxische Kreislauf nicht aufgebrochen, wiederholt sich das Trauma immer wieder – teils über Generationen hinweg – so wie bei unserer Familie.
Aus diesem Grund verstehe ich es als wichtige Aufgabe, nicht mehr zu schweigen und damit den Kreislauf unserer düsteren Familiengeschichte zu durchbrechen. Es ist meine Pflicht, meinem Kind die Werte und Grenzen seines Körpers aufzuzeigen und die Dinge klar zu benennen. Es ist meine Pflicht, zu sensibilisieren und die Wichtigkeit von Konsens zu vermitteln.
Das schaffe ich, das weiss ich.
Was ich so dringend von dir und Mama gebraucht hätte, vermag ich heute mit Unterstützung meines Partners an mein eigenes Kind weiterzugeben: Aufklärung und Liebe, Geborgenheit und Nestwärme, Halt und Grenzen – alles im richtigen Mass. Und ich bin mir bewusst: Auch ich werde Fehler machen. Wichtig ist, dass ich mein Bestmögliches versuche und bei Fehltritten um Verzeihung bitte.
Ja, du hast richtig gelesen: Auch ein kleines Kind kann man um Verzeihung bitten. Ich begebe mich damit auf Augenhöhe zu meinem Kind und erkläre, dass es mir leidtut, wenn ich einen Fehler gemacht habe. Etwas, das ich selbst auch erst lernen musste, da wir als Kinder nie um Verzeihung gebeten wurden. Warum auch; in deinen Augen waren wir Kinder, die zu gehorchen hatten, und in diesem Machtgefälle hatten Entschuldigungen keinen Platz. Für dich wäre dies ein Zeichen von Schwäche gewesen.
Wenn wir schon beim Verzeihen sind: Du fragst dich sicher, ob ich dir vergeben habe?
Na ja, das ist so eine Sache. Du und Mama habt uns nach streng christlichem Glauben erzogen; das «Vergeben-müssen» ist also eine tiefe Prägung in meiner Seele. Ich dachte also viele Jahre lang, dass ich dies unbedingt muss. Aber weisst du was? Davon lasse ich mich nicht mehr unter Druck setzen.
Mir ist bewusst, dass Vergeben nicht bedeutet, dass man die geschehenen Dinge gutheisst. Aber ich spüre, dass Vergebung im Moment trotzdem noch ein zu grosses Wort für mich ist. Was ich dir aber mit Bestimmtheit sagen kann: Ich bin im Frieden mit der Vergangenheit.
Das Geschehene dominiert mein Leben nicht mehr; ich bin aus dem Schatten deiner Ära ausgetreten.
Ich habe überlebt. Auch wenn manchmal noch die Traurigkeit zurückkommt: Trotz allem fühle mich heute so gesund und stark, wie noch nie zuvor in meinem Leben.
Wenn ich zurückschaue, fühle ich heute allen Gefühlen voran eine grosse Dankbarkeit: Dankbarkeit für meine mentale Kraft, Dankbarkeit für meine Geschwister, Dankbarkeit für mein ungebrochenes Vertrauen gegenüber Menschen, Dankbarkeit für die Liebe in meinem Leben. Dankbarkeit, dass ich das Geschick der Kommunikation wiedererlernt habe, nachdem ich über Jahre geprägt wurde mit «Nichts-sagen-dürfen».
Aber am allermeisten bin ich meinem Schicksal dankbar, dass es mich vor einem riesigen Kelch verschont hat, welcher mich durchaus auch hätte treffen können: Wäre ich nämlich damals von dir schwanger geworden… Ich glaube, ich wäre heute nicht mehr hier.
Eine solche Katastrophe wäre das entscheidende Gewicht auf meiner Lebenswaage gewesen, welches dazu geführt hätte, dass ich freiwillig gegangen wäre. Diese Scham und die Blossstellung wären zu viel für meine Mädchenseele gewesen. Aber: Es sollte nicht sein und dies erfüllt mich bis heute mit riesiger Erleichterung und mit riesengrosser Dankbarkeit.
Tatsächlich ist nicht zuletzt wegen diesen traumatischen Erfahrungen ein Feuer in mir entfacht worden, so dass ich mich heute überzeugt als Feministin für Kinder und Frauen einsetze. Ich bin eine von den Frauen geworden, die du stets verabscheut hast.
Um es in deinen Worten auszudrücken: Ich bin eine Frau, die «Haare auf den Zähnen» hat und sich für Gleichberechtigung für alle Geschlechter und Ethnien einsetzt; die «verweichlichte» Ansichten bezüglich der Welt und der Vielfalt der Menschheit pflegt; ein «linkes Räf», die jegliche Gewalt, Sexismus, Rassismus und Antisemitismus radikal verurteilt.
Um es in meinen Worten auszudrücken: Ich bin eine herzliche und freisinnige Menschenfreundin. Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, Individualität, Solidarität und Toleranz sind meine obersten Gebote. Aus dem schüchternen, unterdrückten und verängstigten Mädchen von damals ist eine starke, eigenverantwortliche Frau geworden, die überzeugt ihren Weg geht und immun gegen deine Herabsetzungen und misogynen Abwertungen geworden ist.
Ich bin frei von dir.
So werde ich weiterhin meinen Weg mit Lebensfreude beschreiten und das Beste aus meiner kostbaren Zeit machen, die mir hier vergönnt ist. Es gibt noch so viel zu tun!
Wie gut, dass ich dir nun endlich meine Sicht der Dinge offenbaren konnte. Dir diesen Brief zu schreiben, war wichtig für mich und es fühlt sich sehr befreiend an. Was du damit machst, ist dir überlassen; eine Antwort erwarte ich nicht. Im besten Fall bringt es dich zum Nachdenken.
Das wäre das Mindeste, nicht?
Deine Tochter
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Unsere Autorin schreibt, mit welchen Fragen Eltern auf sie zukommen – und was sie antwortet: Kann ich mein Kind vor sexueller Gewalt schützen?
Und hier geht es zum Podcast mit der Expertin Agota Lavoyer: Wie kann ich mein Kind vor sexualisierter Gewalt schützen?
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 1. November 2023 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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