Liebe junge Schweizer Frauen: Wie man Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz bekämpft
Junge Schweizer Frauen wachsen im Selbstverständnis auf, in allen Aspekten ihres Lebens gleichberechtigt zu sein – bis sie ins Erwerbsleben eintreten: Geschlechterdiskriminierung ist ein ernstzunehmendes Problem in der Schweizer Arbeitswelt. Alexandra Dufresne verrät zehn Tricks, um mit der Ungerechtigkeit umzugehen.
Der Herbst ist meine liebste Jahreszeit. Er markiert den Beginn eines neuen Schuljahres. Ich habe das Glück, Hunderte Bachelor- und Masterstudierende in der Schweiz zu unterrichten. Etwas mehr als die Hälfte davon sind Frauen.
Grosse Pläne für die Zukunft
Die meisten meiner Studentinnen sind intelligent, nachdenklich, fleissig und idealistisch. In Klassendebatten und mündlichen Auseinandersetzungen behaupten sich meine Studentinnen gegenüber ihren männlichen Kollegen und stellen sie oft in den Schatten. Die Handvoll perfekter Sechsen, die die besten Studierenden jedes Semester verdienen, sind in der Regel 50:50 auf Männer und Frauen verteilt. Ich geniesse es sehr, mit meinen Studentinnen und Studenten über ihre Karrierepläne zu sprechen – sie freuen sich auf die Zukunft und haben oft Grosses vor.
Aber jeden Herbst, wenn der Unterricht wieder anfängt, stelle ich mir die gleiche Frage:
Soll ich es ihnen sagen?
Soll ich meinen Studentinnen sagen, dass es zwar tausendundeinen Grund gibt, warum wir uns glücklich schätzen können, in der Schweiz zu leben – einem schönen, wohlhabenden, friedlichen und demokratischen Land – aber dass es den einen Grund gibt, der diesen Umstand trübt?
Soll ich ihnen die Augen öffnen, diesen jungen Frauen, die bisher das Glück hatten, unbeschwert und blind gegenüber jeglicher Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz durchs Leben zu gehen – wie ich es es auch war, bevor ich in die Schweiz gezogen bin -, die aber, wenn sie Ende 20 und Anfang oder Mitte 30 sind, also im gebärfähigen Alter, wahrscheinlich ein böses Erwachen erleben werden?
Sollte ich sie wissen lassen, dass sie und ihre männlichen Kollegen auf dem gleichen Weg sein werden, die gleichen Leistungen feiern und einen gleichwertigen Status geniessen werden, bis … bis plötzlich die Karrieren ihrer männlichen Kollegen vorwärts springen und ihre eigenen ins Stocken geraten?
Wir werden diesen Beitrag noch aufbretzeln für unsere neue Webseite. Drum sieht momentan nicht alles rund aus. Aber mal ehrlich: gut genug. Danke für deine Geduld!
Zehn Tricks, um mit Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz umzugehen
Die Schweiz ist im europäischen Vergleich ein negativer Ausreisser in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter. Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes – sowohl absichtlich als auch unbewusst – ist an vielen Schweizer Arbeitsplätzen ein ernstes Problem. Wie viele andere bin ich der Meinung, dass wir die Pflicht haben, dies auf zwei Ebenen zu bekämpfen: auf der Ebene der öffentlichen Politik (durch Advocacy-Kampagnen, NGO-Arbeit, politische Organisation, Abstimmungen und Wahlen, direkte Dienste für die Opfer von geschlechtsspezifischer Diskriminierung und Gewalt sowie Demonstrationen, wie den historischen Frauenstreik vom Juni 2019) und natürlich auf der individuellen Ebene.
In diesem Essay geht es nur um Letzteres.
Hier sind einige Tricks, die Schweizer Kolleginnen und Kollegen und ich gesammelt haben, um mit der Geschlechterdiskriminierung in unseren Berufen umzugehen. Sie funktionieren vielleicht nicht immer und unter allen Umständen, aber sie sind ein Ausgangspunkt für Diskussionen. (Wenn ihr Tipps habt, die bei euch funktioniert haben, teilt sie bitte in den Kommentaren mit).
Legen wir los, liebe junge Schweizer Frauen:
#1 Denke daran: Es geht hier nicht um Dich
Es fällt mir oft schwer, mich persönlich zu verteidigen, wenn es um Fragen der Geschlechterdiskriminierung geht. Es ist schwer genug, Ausländerin in der Schweiz zu sein; ich möchte niemanden verärgern oder – um Himmels Willen – gar undankbar erscheinen.
Aber wenn ich sehe, wie jemand anderes ungerecht behandelt wird, verschwindet meine Angst. Ich gehe davon aus, dass ich nicht die einzige Frau bin, die so empfindet – oft wird uns schon in jungen Jahren beigebracht, das Wohlbefinden und die Bedürfnisse der Menschen um uns herum höher zu gewichten als unsere eigenen. Wenn ich mich also gegen Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz auflehne, hilft es mir oft, mich daran zu erinnern:
Es geht nicht um mich! Es geht nicht einmal (nur) um Gerechtigkeit oder Fairness. Es geht um die Leistung und Produktivität der Organisation.
Geschlechterdiskriminierung ist unproduktiv und ineffizient. Weil sie irrational ist.
Geschlechterdiskriminierung ist verschwenderisch
Sogenannte «geschmacksbedingte Diskriminierung» ist kostspielig. Sie führt aus mehreren Gründen zu einer schlechteren Leistung der Organisation: Erstens wird der Wettbewerb um Spitzenpositionen künstlich eingeschränkt: Männer müssen (in der Praxis) oft nur mit der Hälfte der Bevölkerung konkurrieren. Es wäre so, als würde ein Unternehmen sagen: «Wir brauchen einen neuen CEO, aber wir werden nur die Bewerbungen berücksichtigen von Personen, die Linkshänder sind, braune Augen haben und deren Vornamen mit A-F beginnen.»
Ist es wahrscheinlich, dass das Unternehmen einen akzeptablen Kandidaten findet? Ja. Ist es wahrscheinlich, dass das Unternehmen die beste Person für die Stelle findet? Nein.
Und die Geschlechterdiskriminierung ist verschwenderisch, weil sie manche Frauen dazu bringen kann, mit angezogener Handbremse unterwegs zu sein: sie passen sich an die Realität ihrer Berufsaussichten an, indem sie sich aktiv dafür entscheiden, weniger Energie in ihre Karriere zu investieren.
Es ist absolut in Ordnung, wenn eine Frau sich dafür entscheidet, ihre Familie, Freunde oder Hobbys stärker zu priorisieren als ihre Karriere. Aber wenn eine Frau das tut, weil die Energie und Mühe, die sie in ihre Karriere investiert hat, nicht angemessen belohnt werden, dann ist das ineffizient. Für die Frau, aber auch für den Staat.
Warum hat die Schweiz in der Vergangenheit so viel Geschlechterdiskriminierung tolerieren können? Das liegt unter anderem daran, dass sie wirtschaftlich so gut dastand.
Die Schweiz kann es sich leisten, ineffizient zu sein
Ich habe oft gehört, dass viele Schweizer Frauen den «Luxus» geniessen, zu Hause zu bleiben, um für ihre Familien zu sorgen. Aber man fragt sich, wie lange das wohl so bleiben wird. Können wir es uns angesichts von COVID-19 und einer Menge anderer Herausforderungen, denen unsere Gesellschaft gegenübersteht, wirklich «leisten», in Sachen Gleichstellung nachlässig zu sein?
Oder anders gesagt: Welche Sportmannschaft entscheidet sich bewusst dafür, viele ihrer stärksten Spieler auf der Bank zu behalten? Und was ist mit all den Frauen, die allein Kinder grossziehen oder die es sich schlicht nicht leisten können, unterbeschäftigt zu sein?
Wenn Du also Geschlechterdiskriminierung am Arbeitsplatz erlebst, und Du dich dagegen wehren willst, denke daran: Es geht nicht nur um Dich. Sondern um das Wohlergehen der Organisation und, letztendlich, der gesamten Gesellschaft.
#2 Lass Dich nicht einschüchtern
Während meines Jurastudiums trat eine junge Mutter in die Fakultät meiner Universität ein. Sie hatte zwei kleine Kinder und kam aus einer Führungsposition bei einer grossen gemeinnützigen Kinderrechtsorganisation, nachdem sie für den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten gearbeitet hatte – die höchste Ehre für eine frischgebackene Jura-Absolventin.
Sie war brillant und freundlich, und ich bewunderte sie auf allen Ebenen. Eines Tages machte sie ganz nebenbei eine Bemerkung, die mich seither nicht mehr losgelassen hat: «Eines Tages bekommst Du endlich einen Platz am Tisch, und Du wirst merken, dass alle anderen auch nur so tun, als ob.»
Ich war schockiert, damals. Meine Professorin! Ihre Kompetenz und ihr Selbstbewusstsein waren real, nicht vorgetäuscht – oder?
Aber jetzt, wo ich älter bin, verstehe ich vollkommen, was sie meinte. Wie oft habe ich schon in einem Meeting gesessen und plötzlich gemerkt, dass die Männer um mich herum – alle auf ihre eigene Art distinguiert, beeindruckend – im Grunde genommen eigentlich auch keine Ahnung haben, was sie tun sollen.
Auch die Männer erleben Ambiguität und Selbstzweifel. Sie kämpfen mit den gleichen kognitiven Verzerrungen, hadern mit ihren Fähigkeiten und mit einer guten Vorbereitung – wie wir alle.
Fake it till you make it
Diese Erkenntnis ist wichtig für Frauen. Denn Frauen sind sich ihrer eigenen Unzulänglichkeiten oft sehr bewusst und wir tappen in die Falle, «unser Inneres mit dem Äusseren der anderen zu vergleichen» – also unsere gefühlte Inkompetenz mit dem gespielten Selbstbewusstsein anderer zu vergleichen. Dazu kommt, dass Männer oft sozialisiert werden, entschlossen und selbstbewusst zu erscheinen, auch wenn vielleicht ein bisschen mehr Demut oder Unsicherheit angebracht wäre. Sie sind einfach besser im «so tun als ob».
Diese Erkenntnis kann Frauen helfen, zu lernen, mehr Raum einzunehmen. Das heisst, uns selbst in den Vordergrund zu stellen, offen und frei unsere Fähigkeiten und Talente zu zeigen und direkt nach den Ressourcen zu fragen, die wir brauchen, um erfolgreich zu sein. Wir müssen nicht warten, bis wir die «perfekte» Lösung gefunden haben – selbst in schwierigen Situationen, wenn wir nicht ganz sicher sind, was wir tun sollen!
«Fake it till you make it» kann uns helfen, Ziele zu erreichen, die ausser Reichweite scheinen. Es wird oft gesagt, dass Frauen auf der Grundlage ihrer Leistungen eingestellt werden, während bei Männern ihr Potenzial beurteilt wird. Was wäre, wenn wir Frauen endlich selber unser Potenzial erkennen und schätzen würden?
#3 Mach den Kuchen grösser
Wenn ich über Zeiten nachdenke, in denen ich selber Geschlechterdiskriminierung in der Schweiz erlebt habe, wird mir klar, dass der involvierte Mann sich fast immer in irgendeiner Weise bedroht fühlte, und sich infolgedessen eher defensiv und emotional als rational verhalten hat. (Nur wenige Menschen denken tatsächlich, dass Geschlechterdiskriminierung produktiv ist, wenn sie den rationalen Teil ihres Gehirns benutzen; die Diskriminierung tritt eher auf einer unterbewussten Ebene auf, oft als Reaktion auf Stress oder Angst.)
In einer idealen Welt sollte es natürlich nicht auch noch zu unserer endlosen To-do-Liste gehören, die Männer um uns herum zu beruhigen, dass unsere Kompetenz keine Bedrohung für sie darstellt.
Mehr Gleichberechtigung: für alle ein Gewinn
Aber im Einklang mit der Hypothese «Geschlechterdiskriminierung ist ineffizient» halte ich es für hilfreich, aufzuzeigen, dass mehr Gleichberechtigung ein Gewinn für alle ist. Selbstverständlich gibt es im Arbeitsleben Konkurrenzsituationen (es gibt beispielsweise nur eine Vakanz: wenn ich sie bekomme, bekommt er sie nicht), aber in den meisten Fällen, bringt eine gute Zusammenarbeit Synergien und Produktivitätsgewinne, die die «Bedrohung» durch eine starke Kollegin aufwiegen.
#4 “Don’t leave before you leave.” – «Geh nicht, bevor Du gehst.»
Sheryl Sandberg, die COO von Facebook, hat diese Metapher in ihrem Buch «Lean In» berühmt gemacht. Unabhängig davon, was man von Facebook, «Lean In» oder Sheryl Sandberg selbst hält, dieser Ratschlag ist hervorragend.
Die Grundaussage: Es macht keinen Sinn, die eigene Karriere vorzeitig abzubrechen oder abzubremsen, weil man antizipiert, irgendwann Mutter zu werden. Ein konkretes Beispiel: Eine Studentin Anfang 20 erzählte mir, dass sie sich nicht sicher sei, ob sie weiter Jura studieren solle, da sie eines Tages eine Familie gründen wolle.
Die Aussicht auf zukünftige Kinder sollte einen im Beruf ehrgeiziger machen, nicht weniger ehrgeizig!
Mit dieser Einstellung und geleisteter Arbeit findet man sich in einer besseren finanziellen, und auch in einer stärkeren Verhandlungsposition, wenn es Zeit für den Mutterschaftsurlaub ist.
#5 Verpasse nie die Chance, einer anderen Frau zu helfen
Am Anfang meiner Karriere habe ich als Anwältin in einer grossen Anwaltskanzlei gearbeitet. Einige der weiblichen Partnerinnen haben mich unterstützt. Andere wollten mich spüren lassen, dass ich mir meinen Platz zuerst verdienen müsste. «Du hast keine Ahnung, was ich ertragen musste, um es zu schaffen. Ich wurde schikaniert, und jetzt bin ich an der Reihe, dich zu schikanieren», liessen sie mich unterschwellig spüren.
Ich glaube nicht, dass man etwas gegen solche Frauen tun kann, und auch nicht, dass man ihnen helfen kann. Mir tat es leid, dass sie das Gefühl hatten, sich so verhalten zu müssen. Etwas wirklich Traumatisches muss ihnen passiert sein – und ich war jetzt das Ventil dafür.
Andere über die Mauer katapultieren
Wir können nur unser eigenes Verhalten beeinflussen. Und so habe ich mir angesichts der Geschlechterdiskriminierung ein Versprechen gegeben: Ich würde nie die Chance verpassen, einer anderen Frau zu helfen. Ziehe ich es immer durch? Nein, leider nicht. Die Ressourcen sind begrenzt; man versucht immer, mehrere Ziele gleichzeitig zu erreichen. Und manchmal stehen die Werte und Ziele anderer Frauen im Konflikt mit meinen. Trotzdem behalte ich es immer im Hinterkopf.
Nachdem ich mich (endlich) in einem neuen Land «über die Mauer» gekrallt habe, verspreche ich, zu versuchen, meinen hart erkämpften Status zu nutzen, um andere über die Mauer zu katapultieren, und ich erwarte, dass sie das wiederum auch tun.
#6 Mach eine Liste von Leuten, deren Feedback Du schätzt, und ignoriere alle anderen
Als ich in die Schweiz gezogen bin, habe ich viele Schweizer um Rat gefragt, wie ich mich eingliedern und integrieren kann. Als ausländische Mutter habe ich auch viele unaufgeforderte Ratschläge erhalten – nicht alle davon waren nett. Im Glauben, nichts über die Schweiz und ihre kulturellen Besonderheiten zu wissen, befolgte ich erst mal brav alles, was man mir sagte.
Ich brauchte etwa zwei Jahre, um zu erkennen: Viele der Ratschläge waren widersprüchlich. Als die Leute sagten: «So machen wir das hier in der Schweiz», meinten sie eigentlich: «So machen es die Leute, die ich kenne, in der Schweiz, und so solltest Du es meiner Meinung nach aufgrund meiner persönlichen Werte und Erfahrungen machen.» Viele der erhaltenen Ratschläge waren aufschlussreich und hilfreich. Ein gutes Stück davon war Quatsch.
Die Liste
Frauen erhalten eine Menge ungefragtes Feedback. Von passiv-aggressiven Bemerkungen bei der Arbeit bis hin zu Catcalls auf der Strasse.
Wenn du eine starke und erfolgreiche Frau sein willst, kannst du es nicht allen recht machen, egal wie sehr du es auch versuchst.
Es wird immer jemanden geben – manchmal eine andere Frau – die nicht will, dass du Erfolg hast. Glücklicherweise sind die hilfsbereiten, unterstützenden und ermutigenden Menschen den Pessimisten bei Weitem überlegen – nur sind die Pessimisten leider oft etwas lauter.
Eine Lösung, die Brené Brown vorschlägt, ist das Erstellen einer Liste. Erstelle eine Liste von Leuten, deren Feedback Dir wirklich wichtig ist. Trage diese Liste immer mit Dir (meine Liste ist in meiner Brieftasche). Wenn Du dann eine schwierige Entscheidung treffen musst, die vielleicht nicht populär ist, schau auf der Liste nach und stell Dir vor, was Dir die Leute auf Deiner Liste sagen, oder wie sie reagieren würden. Die Ratschläge von Personen, die nicht auf der Liste stehen, kannst Du getrost ignorieren.
Das ist hart, aber es ist notwendig, und es ist – so bin ich überzeugt – der Schlüssel zum Erfolg vieler männlicher Führungspersonen. Warum? Weil es verschwendete Energie ist, auf Pessimisten zu hören, deren «Ratschläge» voreingenommen und belastet sind mit ihren persönlichen Problemen. Der Platz in unserem Kopf ist dafür zu wertvoll.
#7 Lass Menschen gehen, die Dir nicht gut tun
Irgendwann in deiner Karriere wirst Du jemandem begegnen, der Dich bei der Arbeit zu untergraben versucht. Am Anfang kann es schwer sein, zwischen ehrlichen Fehlern und Böswilligkeit zu unterscheiden, aber mit der Zeit wird sich ein Muster zeigen. Du wirst erkennen, dass eine Person «toxisch» ist, wenn sie Deine Gedanken beherrscht und Du beginnst, Dich selber nicht mehr zu mögen, wenn Du mit ihr interagierst. Mit anderen Worten, sie bringt – statt das Beste – das Schlimmste in Dir zum Vorschein.
Wenn Du Dich in dieser Position befindest, solltest Du sofort versuchen, Deine Interaktionen mit dieser Person zu minimieren. Überlege Dir einen Weg, wie Du Dich aus der Beziehung befreien kannst. Das bedeutet nicht, dass Du ihr etwas Schlechtes wünschst oder sie für einen «schlechten» Menschen im allgemeinen Sinne des Wortes hältst. (Die Person ist wahrscheinlich ein guter Mensch mit einem ernsthaften Makel oder einem blinden Fleck.)
Es bedeutet sicherlich auch nicht, dass Du aufgibst.
Es bedeutet nur, dass Du die Person oder die Umstände in einer Welt mit begrenzten Ressourcen nicht innerhalb nützlicher Zeit wirst verändern können. Glücklicherweise gibt es viele ausgezeichnete Arbeitsplätze und viele wunderbare potenzielle Kollegen: Angesichts der Opportunitätskosten macht es deshalb keinen Sinn, seine Zeit mit jemandem zu verschwenden, der Dir nicht gut tut.
#8 Mach Empathie zu Deiner Superkraft
Es besteht ein Unterschied zwischen dem Einfühlungsvermögen, das Du fühlst, wenn Du Dich in die Situation einer anderen Person hineinversetzt, und demjenigen, das Du fühlst, wenn Du selbst ganz ähnliche Erfahrungen gemacht hast. Natürlich wünsche ich niemandem die Erfahrung der Geschlechterdiskriminierung, nur für die geringe Chance, dass das Erlebnis das eigene Mitgefühl stärkt. Positiv an so einer Erfahrung kann sein, dass das Bewusstsein für andere Ungleichheiten vertieft werden kann.
Sei Dir Deiner Privilegien bewusst
Seitdem ich einige direkte Erfahrungen gemacht habe, bin ich mir meiner eigenen Privilegien (weiss, körperlich fit, gebildet, gut bezahlt, mit Aufenthaltsbewilligung) viel stärker bewusst. Und damit auch meiner Pflicht, die Menschen, die diese Privilegien nicht geniessen, zu unterstützen, um das Spielfeld zu ebnen und eben nicht dazu beizutragen, dass diese Ungerechtigkeiten weiter bestehen bleiben.
#9 Finde Vorbilder von überall auf der Welt
Als Supreme Court Richterin Ruth Bader Ginsburg Anfang letzte Woche verstarb, trauerten auch viele Schweizer Frauen aus meinem Bekanntenkreis. Richterin Ginsburg ist eine Heldin und ein Vorbild für Generationen von jungen Frauen auch ausserhalb der Vereinigten Staaten.
Glücklicherweise gibt es eine Vielzahl von ausgezeichneten Vorbildern aus der ganzen Welt, einschliesslich einiger hier in der Schweiz. Wenn ich zweifle, ziehe ich beispielsweise «Goodnight Stories für Rebel Girls» oder ähnliche Bücher für Erwachsene heraus und erinnere mich an die Geschichten von inspirierenden Frauen.
#10 Entwickle Deine eigene Strategie
Die obigen Tipps sind nur eine Auswahl der Taktiken, die bei mir und meinen geschätzten Kolleginnen funktioniert haben. Die beste Vorgehensweise hängt von der jeweiligen Situation und den Persönlichkeiten und Zielen der beteiligten Personen ab. Aber: Es braucht definitiv eine Strategie, um gegen geschlechtsspezifische Diskriminierung am Arbeitsplatz vorzugehen. Was nicht funktionieren wird: Kopf in den Sand und hoffen, dass es dir nicht passiert.
Die gute (und schlechte) Nachricht ist, dass wir nicht allein sind.
Fast jede Frau, die ich in der Schweiz kenne, sieht sich in unterschiedlichem Masse dem gleichen Druck ausgesetzt. Wenn eine von uns aufgibt oder nachgibt, wird eine andere Frau einfach noch viel härter arbeiten müssen. Wenn wir uns hingegen gemeinsam stark machen, können wir die Last für die nächste Frau ein bisschen leichter machen.
Und: Die Sache ist dringend. Ich habe eine Tochter, die 12 Jahre alt ist, und Studentinnen Ende zwanzig. Sie können es sich nicht leisten, noch ein paar Generationen auf die Gleichberechtigung zu warten.
Die Schweiz auch nicht.
Dieser Text erschien im Original auf Englisch. Übersetzung von Andrea Jansen.
Informationen zum Beitrag
Dieser Beitrag erschien erstmals am 27. September 2020 bei Any Working Mom, auf www.anyworkingmom.com. Seit März 2024 heissen wir mal ehrlich und sind auf www.mal-ehrlich.ch zu finden.
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